Ich verwechsle keins mit dem anderen; habe ihre Personalbeschreibung im Hirnschädel drin. Der Kapitän trat nun sein Fernrohr an Gacquoil ab:
– Lootse, unterscheiden Sie das Linienschiff genau?
– Ja, Herr Kapitän, es ist der Dreidecker »La Côte d'Or«.
– Den sie umgetauft haben, bemerkte der Kapitän. Früher hieß er: »Les Etats de Bourgogne«. Neues Schiff. Hundertachtundzwanzig Kanonen.
Er nahm ein Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche und schrieb die Zahl 128 auf. Dann fragte er weiter:
– Lootse, wie heißt das erste Segel an Backbord?
– »L'Expérimentée«.
– Fregatte ersten Ranges. Zweiundfünfzig Kanonen. Wurde vor zwei Monaten in Brest ausgerüstet. Und der Kapitän notirte abermals: 52.
– Lootse, fuhr er fort, wie heißt das zweite Segel an Backbord?
– »La Dryade«.
– Fregatte ersten Ranges. Vierzig Achtzehnpfünder. War in Indien, hat eine schöne militärische Laufbahn hinter sich. Und er schrieb unter die Zahl 52 die Zahl 40; dann blickte er wieder auf:
– Und an Steuerbord?
– Lauter Fregatten zweiten Ranges, Herr Kapitän. Es sind ihrer fünfe.
– Wie heißt die nächste beim Dreidecker?
– »La Résolue«.
– Zweiunddreißig Achtzehnpfünder. Und die zweite?
– »La Richemont«.
– Desgleichen. Weiter.
– »L'Athée«.
– Kurioser Name das, um in See zu stechen. Weiter.
– »La Calypso«.
– Weiter.
– »La Preneuse«.
– Fünf Fregatten von je zweiunddreißig. Und der Kapitän schrieb unter die vorhergehenden Zahlen: 160.
– Lootse, sagte er dann. Sie erkennen sie doch genau?
– Und Sie, erwiderte Gacquoil, Sie kennen sie genau, Herr Kapitän. Das Erkennen hat schon etwas für sich, aber das Kennen ist mehr werth.
Der Kapitän, mit seinem Notizbuch beschäftigt, addirte zwischen den Zähnen: Hundertachtundzwanzig, zweiundfünfzig, vierzig, hundertundsechzig. In diesem Augenblick betrat La Vieuville wieder das Verdeck.
– Chevalier, rief ihm der Kapitän entgegen, wir haben dreihundertundachtzig Geschütze vor uns.
– Gut, sagte La Vieuville.
– Sie kommen von der Inspektion, La Vieuville: Wie viel Geschütze bleiben uns schließlich übrig?
– Neun.
– Gut, sagte nun auch Boisberthelot.
Er nahm das Fernrohr dem Lootsen aus der Hand und richtete es wieder nach dem Horizont. Die acht Schiffe, stumm und schwarz, schienen sich nicht zu rühren; nur wurden sie allmälig größer: sie rückten langsam näher.
La Vieuville machte die Honneurs und sagte:
– Herr Kapitän, ich habe dieser Korvette »Claymore« von vornherein nicht getraut. Es ist immer fatal, urplötzlich an Bord eines Fahrzeugs zu kommen, das Einem weder bekannt noch vertraut ist. Ein englisches Schiff, wenn auch Franzosen es führen, das thut nicht gut. Die verdammte Kanone war uns ein Beweis dafür. Ich melde gehorsamst, daß ich die Inspektion vorgenommen habe: Anker trefflich, nicht Roheisen, geschweißtes Stabeisen, starke Flügel. Taue vorzüglich, handlich, von vorschriftsmäßiger Länge, hundertundzwanzig Faden. Reichliche Munition. Sechs Todte. Jedes Geschütz kann hunderteinundsiebzig Mal feuern.
– Weil es nur noch ihrer neun sind, murmelte der Kapitän vor sich hin, indem er wieder das Fernrohr über den Horizont schweifen ließ. Langsam aber stetig rückte das Geschwader heran.
Die Geschütze des »Claymore«, Caronaden genannt, hatten zwar das für sich, daß sie blos drei Mann Bedienung erforderten, hatten aber hinwider gegen sich, daß sie weniger weit und sicher trafen als die gewöhnlichen Kanonen; deshalb mußte man das Geschwader um so viel näher rücken lassen.
Der Kapitän ertheilte seine Befehle mit leiser Stimme.
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