Die Männer, die zu dem abfahrenden Boot gehörten, schoben es, in hohen Gummistiefeln watend, in das tiefere Wasser. Zweimal taten sie das. Dann kletterten sie schwerfällig hinein. Da sie aber nicht mit den Riemen umzugehen verstanden, wurde das Boot wieder an den Strand getrieben und stieß auf. Kid bemerkte, daß die Schaumspritzer an den Seiten des Bootes fast sofort zu Eis wurden. Der dritte Versuch führte immerhin zu einem Teilerfolg. Die beiden Männer, die zuletzt ins Boot kletterten, waren bis zum Leib durchnäßt, aber das Boot war jetzt jedenfalls flott. Sie arbeiteten ungeschickt mit den schweren Riemen, und langsam gelang es ihnen, von der Küste abzukommen.
Dann setzten sie ein Segel, das aus Bettdecken zusammengenäht war; aber ein einziger Windstoß zerriß es, und sie wurden zum drittenmal an die Küste getrieben.
Kid lachte vor sich hin und ging weiter. Alles das würde ihm vielleicht selbst bald passieren, denn auch er sollte - in seiner neuen Rolle als Angestellter eines feinen Herrn - in den nächsten Stunden in einem ähnlichen Boot von derselben Küste abfahren.
Rings wurde mit der Kraft der Verzweiflung gearbeitet, denn der Winter mit seinem Eis stand vor der Tür. Es war deshalb das reine Hasardspiel, ob es ihnen gelingen würde, die große Kette von Seen zu durchqueren, bevor alles zufror. Als Kid das Zelt der Herren Sprague und Stine oben erreichte, war hier dennoch kein Anzeichen von Eifer und Arbeit zu bemerken.
Am Feuer, im Schutz einer Persenning, saß ein kleiner vierschrötiger Mann und rauchte behaglich eine Zigarette aus Packpapier.
»Hallo«, sagte er, »Sie sind wohl der neue Mann von Herrn Sprague?«
Kid nickte zur Bestätigung, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, daß der andere absichtlich die Worte »Herr« und »Mann« besonders betont hatte. Er war auch überzeugt, eine Andeutung von Blinzeln in den Augen des andern bemerkt zu haben.
»Na, und ich bin der Mann von Doktor Stine«, fuhr der Fremde fort. »Ich bin nur fünf Fuß und zwei Zoll lang, und ich heiße Kurz, Abkürzung von Jack Kurz, und manchmal heiße ich auch "Hansdampf in allen Gassen".«
Kid reichte ihm die Hand.
»Bist du mit Bärenfleisch aufgezogen worden?« fragte er.
»Todsicher«, antwortete der andere, »wenn mein erstes Frühstück, soweit ich mich entsinne, auch aus Büffelmilch bestand. Setz dich her und steck dir was ins Gesicht. Die Chefs pennen noch.«
Obgleich Kid schon einmal gefrühstückt hatte, setzte er sich doch hinter die Persenning und verzehrte sein zweites Frühstück mit dreifachem Appetit. Die schwere Arbeit, die seinen ganzen Körper gereinigt hatte, hatte ihm auch den Magen und den Hunger eines Wolfs geschenkt. Er konnte essen, was und soviel es sein sollte, und fand dabei gar keine Gelegenheit zu merken, daß er eine sogenannte Verdauung besaß. Er stellte fest, daß Kurz eine ebenso beredte wie pessimistische Persönlichkeit war, und er erhielt von ihm nicht nur etliche ziemlich überraschende Auskünfte über ihre beiden Chefs, sondern auch einige düstere Prophezeiungen in bezug auf ihr Unternehmen. Thomas Stanley Sprague war angehender Mineningenieur und Sohn eines Millionärs. Doktor Adolphe Stine war ebenfalls der Sohn eines wohlhabenden Vaters. Mit Hilfe der beiden Väter war es ihnen gelungen, eine Gesellschaft zu gründen, die ihr Klondike-Abenteuer finanzierte.
»Sie sind einfach aus lauter Moneten gemacht«, erklärte Kurz. »Als sie in Dyea landeten, betrug der Frachtpreis schon siebzig Cent, doch es gab keine Indianer. Es gab aber eine Gesellschaft aus Oregon, richtiggehende Minenarbeiter - die hatten das Schwein gehabt, ein Gespann von Indianern für siebzig Cent zusammenzubringen. Die Indianer hatten schon die Traggurte angelegt - die Ausrüstung wog alles in allem dreitausend Pfund -, als Sprague und Stine ankamen. Die boten den Indianern achtzig und neunzig Cent, und als sie auf einen Dollar gekommen waren, sprangen die Indianer von ihrem Vertrag ab und ließen die dreitausend Pfund der Minenarbeiter liegen. Sprague und Stine sind also durchgekommen, mußten aber den Spaß mit dreitausend Dollar bezahlen. Und die Leute aus Oregon liegen noch heute am Strand. Sie werden erst nächstes Jahr weiterkommen.
O ja, es sind ein paar richtige Biester, dein Chef und meiner auch. Wenn es heißt, mit Geld um sich zu schmeißen oder andern Leuten auf die Zehen zu treten, dann sind sie tüchtig. Was haben sie zum Beispiel gemacht, als sie an den Linderman kamen? Die Zimmerleute waren eben dabei, ein Boot zu bauen, das sie vertraglich verpflichtet waren, einer Gesellschaft aus San Franzisko für sechshundert Dollar zu liefern.
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