Findet man sie bei ihm und er wird erschossen, so verliert die Welt einen Dummkopf, um welchen es nicht schade ist. Natürlich dürfen die Dokumente Ihre Unterschrift nicht enthalten; Sie unterzeichnen vielmehr erst dann, wenn Sie dieselben durch einen Boten Jordans zurückerhalten.

Am übrigen wird der Dutchman Ihnen nicht viele Beschwerden machen; er ist von einer geradezu albernen Anspruchslosigkeit. Ein Glas sauren Weins und einige süße Redensarten genügen, ihn glücklich zu machen.«

Dies war, so weit er sich auf mich bezog, der Inhalt dieses merkwürdigen "Empfehlungsschreibens". Hätte ich den Brief nicht gelesen, so wäre ich sehr wahrscheinlich in die Falle gegangen. Es war ein echter Yankeestreich, um den es sich hier handelte. Der deutsche "Dummkopf" sollte, ohne es zu ahnen, eine der Hauptrollen beim Zustandekommen eines Aufruhres spielen. Denn daß es sich um nichts anderes handelte, sagte mir die Erwähnung des Schießpulvers und der Name des berüchtigten Bandenführers Lopez Jordan, welcher seine Gewissenlosigkeit sogar so weit getrieben hatte, seinen eigenen Stiefvater, den früheren General und Präsidenten Urquiza, ermorden zu lassen. Ihm sollte jedenfalls Pulver und auch Geld geliefert werden, und der Ueberbringer der auf dieses Geschäft bezüglichen Kontrakte sollte ich sein!

Ich steckte den famosen Brief in das Couvert zurück und stellte mit Hilfe eines Streichholzes das zersprungene Siegel wieder her. Dann machte ich mich auf den Weg zu dem lieben Kompagnon, welcher spanischer Abkunft war, Tupido hieß und an der Plaza de la Independencia wohnte.

Als ich auf die Straße trat, war von dem Pampero und dem Regen keine Spur mehr zu sehen. Montevideo liegt auf einer Landzunge, welche sattelartig auf der einen Seite zur Bai und auf der andern zum Meere abfällt. Infolgedessen läuft das Wasser so schnell ab, daß das Abtrocknen des Bodens selbst nach dem stärksten Regen nur weniger Minuten bedarf.

Montevideo ist eine sehr schöne, ja glänzende Stadt mitteleuropäischen Stiles. Sie besitzt gute Straßen mit vortrefflichen Trottoirs, reiche Häuser mit lieblichen Gärten, Paläste, in denen sich Klubs und Theater befinden. Die Bauart der Privathäuser ist sehr eigenartig. Es herrscht da fast eine Verschwendung von Marmor, welchen man aus Italien holt, obgleich im Lande selbst ein sehr guter zu finden ist.

Wer bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Montevideo etwa glaubt, da die Bewohnertypen des Landesinnern zu sehen, der hat sich sehr geirrt. Kein Gaucho reitet durch die Straßen; indianische Gesichtszüge sind nur selten zu sehen, und Neger trifft man nicht häufiger als zum Beispiel in London oder Hamburg.

Die Tracht ist genau unsere französische, bei den Männern sowohl als auch bei den Frauen. Es können Tage vergehen, ehe man einmal eine Dame erblickt, welche die spanische Mantilla trägt. Ueber die Hälfte der Einwohnerschaft ist europäischen Ursprunges.

Die Durcheinanderwürfelung der Nationalitäten ruft ein auffallendes Polyglottentum hervor. Leute, welche drei, vier und fünf Sprachen geläufig beherrschen, sind hier weit zahlreicher, als selbst in den europäischen Millionenstädten. Kurz und gut, so lange man sich innerhalb der Bannmeile der Stadt befindet, ist aus nichts zu ersehen, daß man sich auf südamerikanischem Boden bewegt. Man könnte sich ebenso gut in Bordeaux oder Triest befinden.

Auch ich fühlte mich ziemlich enttäuscht, als ich jetzt, neugierig um mich blickend, langsam dahinschlenderte. Ich sah nur europäische Tracht und Gesichter, wie man sie überall findet, wenn man die dunkle Färbung derselben nicht als etwas Eigenartiges betrachten will.

Auffällig waren mir nur die weißen oder roten Bänder, welche viele Herren an ihren Hüten trugen. Später erfuhr ich die Bedeutung derselben: Die Träger weißer Bänder gehörten zur politischen Partei der "Blancos", während die "Colorados" rote Abzeichnungen trugen.

Sennor Esquilo Anibal Andaro war demnach nicht etwa Hochzeitsbitter, sondern ein Blanco gewesen. Höchst wahrscheinlich gehörte also der Oberst, mit welchem er mich verwechselt hatte, derselben Partei an. Vielleicht gelang es mir, den Namen desselben zu erfahren.

An der Plaza de la Independenzia angekommen, erkannte ich an einem riesigen Firmenschilde das Haus, in welchem sich der Sitz der Filiale meines pfiffigen Yankee befand. Die Fronte desselben machte einen nichtsweniger als imponierenden Eindruck. Sie zeigte nur das Parterre und den ersten Stock. In dem ersteren befand sich eine Thüre von kostbarer, durchbrochener Eisenarbeit. Hinter derselben lag ein breiter, mit Marmorplatten belegter Hausgang, welcher in einen Hof führte, der mit demselben Materiale gepflastert war. Dort standen in großen Kübeln blühende Pflanzen, deren Duft bis zu mir drang.

Die Thüre war verschlossen, obgleich sich vielbesuchte Geschäftsräume hinter derselben befinden mußten. Ich bewegte den Klopfer.