Ich bin ein einfacher Tourist und besitze weder für Politik noch für Kriegskunst die geringste Lust oder gar Begabung.«
»Das sagt Ihre Bescheidenheit. Mein Kompagnon teilt mir mit, daß Sie sich jahrelang bei den Indianern befunden haben: eine Art kriegerischen Sinn müssen Sie also doch besitzen. Hoffentlich habe ich das Vergnügen, von den Abenteuern zu hören, welche Sie erlebt haben. Würden Sie mir die Ehre erweisen, heute abend bei mir das Essen einzunehmen?«
»Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«
»So bitte ich Sie, sich um acht Uhr in meiner Privatwohnung einzustellen, welche Sie auf dieser Karte verzeichnet finden. Kann ich Ihnen für jetzt noch in etwas dienen?«
»Ja, wenn ich bitten darf. Ich möchte Ihnen dieses Papier zustellen.«
Ich nahm seine Visitenkarte und gab ihm den Sichtwechsel. Er prüfte denselben, schrieb einige Ziffern auf den Zettel und stellte mir denselben mit den Worten zu:
»Dort ist die Kasse, Sennor. Für jetzt empfehle ich mich Ihnen; aber auf Wiedersehen heute abend!«
Er wendete sich ab, um durch eine Thüre zu verschwinden, der durchtriebene Kerl. Ein Blick auf den Zettel genügte, mich zu Überzeugen, daß ich geprellt werden sollte.
»Sennor!« rief ich ihm nach. »Bitte, nur noch für einen Augenblick!«
»Was noch?« fragte er, sich wieder herumdrehend. Sein Gesicht hatte alle Freundlichkeit verloren, und seine Stimme klang scharf und befehlend.
»Es ist da wohl ein kleiner Irrtum unterlaufen. Der Wechsel lautet auf eine höhere Summe.«
»Sie vergessen höchst wahrscheinlich die Diskontogebühr?«
»Sie kann nicht vergessen werden, da von einem Diskontieren überhaupt keine Rede ist. Sie ziehen mir fünf Prozent ab, während der Wechsel auf Sicht, nicht aber auf ein späteres Datum lautet.«
»Dieser Abzug ist hier Usus.«
»Ein Theesammler mag sich nach Ihren persönlichen Gepflogenheiten richten müssen, weil er sich in Ihrer Gewalt befindet; ich aber habe das nicht nötig. Ihr Kompagnon hat diesen Wechsel nicht mir zu Gefallen acceptiert, sondern ich habe die Summe voll bei ihm eingezahlt und verlange sie also ebenso voll zurück, wobei ich übrigens ohnedies einen Zinsenverlust zu tragen habe.«
»Ich zahle nicht mehr.«
»So behalten Sie Ihr Geld, und geben Sie mir meinen Wechsel zurück!«
»Der befindet sich in meiner Verwahrung, und Sie haben dafür die Anweisung an die Kasse erhalten. Folglich ist der Wechsel mein Eigentum.«
»Ich lege Ihnen die Anweisung hier auf den Tisch zurück, da ich keinen Gebrauch von ihr machen werde.«
»Thun Sie das, wie Ihnen beliebt. Der Wechsel aber ist honoriert und bleibt in meiner Hand!«
»Lange Zeit jedenfalls nicht, denn ich werde zwar jetzt gehen, aber binnen fünf Minuten mit dem Polizeimeister zurückkehren. Bis dahin empfehle ich mich Ihnen!«
Ich machte ihm eine kurze Verbeugung und wendete mich zum Gehen. Seine Untergebenen hatten ihre Federn weggelegt und der Scene mit Spannung zugesehen. Schon hatte ich die Thüre in der Hand, da rief er mir nach:
»Halt, Sennor! Bitte, eine Sekunde!«
Der Mann hatte Angst vor der Polizei bekommen. Sein geschäftlicher Ruf konnte Schaden erleiden, und überdies war, wenn er mich gehen ließ, von der Ausführung des beabsichtigten Planes keine Rede. Er zog den Empfehlungsbrief nochmals hervor und that, als ob er ihn jetzt genauer durchlese. Dann sagte er in der früheren höflichen Weise:
»Ich habe allerdings um Verzeihung zu bitten. Mein Kompagnon schreibt mir am Schlusse, den ich vorhin leider übersah, daß Sie die Summe voll ausgezahlt erhalten und wir aus Rücksicht auf Sie in diesem Falle von unserm Usus absehen sollen. Ich werde Ihnen also den ganzen Betrag notieren. Sind Sie dann zufriedengestellt?«
Ich nickte nachlässig.
»Vergessen wir die kleine, unangenehme Differenz, Sennor,« sagte er. »Ich darf doch für heute abend bestimmt auf Sie rechnen?«
»Gewiß! Vorausgesetzt allerdings, daß es in Ihrer Häuslichkeit nicht auch einen Usus giebt, gegen den ich protestieren müßte.«
»O nein, nein, nein!« stieß er mit freundlichem Gesichte, aber mit vor Wut heiserer Stimme hervor und verschwand durch seine Thüre.
Ich erhielt mein Geld, steckte es ein, dankte, grüßte und ging. Draußen sah ich den armen Theesammler gegenüber an der Ecke stehen. Ich ging auf ihn zu und forderte ihn auf, für kurze Zeit mit mir zu kommen.
In Montevideo giebt es keine Restaurationen in unserm Sinne, Die Kaffeehäuser taugen nicht viel, ganz abgesehen davon, daß man da nicht Kaffee, sondern Mate, das ist Paraguaythee, zu trinken bekommt. Besser sind die sogenannten Confiterias, in denen man feines Gebäck, Eis und dergleichen genießt.
In den Gasthäusern zahlt man für Wohnung und Beköstigung ohne den Wein fünfzig Papierthaler täglich. Das klingt sehr viel, beträgt aber nur acht Mark, da so ein papierener Peso ungefähr sechzehn deutsche Pfennige gilt.
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