das zu fast allen schönen Künsten, oder auch, weil es nur unter besonderen Umständen und Konjunkturen geltend zu machen war, welche aufgehört haben. Handwerker mögen immerhin es auf die besagte Weise halten; weil die Fähigkeiten zu ihren Leistungen nicht leicht verloren gehen, auch durch die Kräfte der Gesellen ersetzt werden, und weil ihre Fabrikate Gegenstände des Bedürfnisses sind, also alle Zeit Abgang finden; weshalb denn auch das Sprichwort »ein Handwerk hat einen goldenen Boden« richtig ist.

In der Regel wird man finden, dass diejenigen, welche schon mit der eigentlichen Not und dem Mangel handgemein gewesen sind, diese ungleich weniger fürchten und daher zur Verschwendung geneigter sind, als die, welche solche nur von Hörensagen kennen. Zu den ersteren gehören alle, die durch Glücksfälle irgendeiner Art oder durch besondere Talente, gleichviel welcher Gattung, ziemlich schnell aus der Armut in den Wohlstand gelangt sind: die andern hingegen sind die, welche im Wohlstande geboren und geblieben sind. Diese sind durchgängig mehr auf die Zukunft bedacht und daher ökonomischer123, als jene. Man könnte daraus schließen, dass die Not nicht eine so schlimme Sache wäre, wie sie, von weitem gesehen, scheint. Doch möchte der wahre Grund vielmehr dieser sein, dass dem, der in angestammten Reichtume geboren ist, dieser als etwas Unentbehrliches erscheint, als das Element des einzig möglichen Lebens, so gut wie die Luft; daher er ihn bewacht wie sein Leben, folglich meistens ordnungsliebend, vorsichtig und sparsam ist. Dem in angestammter Armut Geborenen hin gegen erscheint diese als der natürliche Zustand; der ihm danach irgendwie zugefallene Reichtum aber als etwas Überflüssiges, bloß tauglich zum Genießen und Verprassen; indem man, wenn er wieder fort ist, sich, so gut wie vorher, ohne ihn behilft und noch eine Sorge los ist.

Dazu kommt denn freilich noch, dass solche Leute ein festes und übergroßes Zutrauen teils zum Schicksal, teils zu den eigenen Mitteln, die ihnen schon aus Not und Armut herausgeholfen haben, nicht sowohl im Kopf, als im Herzen tragen und daher die Untiefen derselben nicht, wie es wohl den Reichgeborenen begegnet, für bodenlos halten, sondern denken, dass man, auf den Boden stoßend, wieder in die Höhe gehoben wird. – Aus dieser menschlichen Eigentümlichkeit ist es auch zu erklären, dass Frauen, welche arme Mädchen waren, sehr oft anspruchsvoller und verschwenderischer sind, als die, welche eine reiche Aussteuer zubrachten; indem meistenteils die reichen Mädchen nicht bloß Vermögen mitbringen, sondern auch mehr Eifer, ja, angeerbten Trieb zur Erhaltung desselben, als arme. Wer inzwischen das Gegenteil behaupten will findet eine Auktorität124 für sich am Ariosto125 in dessen erster Satire; hingegen stimmt Dr. Johnson126 meiner Meinung bei: Eine wohlhabende Frau, die den Umgang mit Geld gewöhnt ist, verwendet es auf kluge Art; aber eine Frau, die nach ihrer Heirat zum ersten Male über Geld verfügt, hat so starkes Gefallen am Ausgeben, dass sie es mit großer Verschwendung wegwirft. Jedenfalls aber möchte ich dem, der ein armes Mädchen heiratet, raten, sie nicht das Kapital, sondern eine bloße Rente erben zu lassen, besonders aber dafür zu sorgen, dass das Vermögen der Kinder nicht in ihre Hände gerät.

Zu dem, was einer hat, habe ich Frau und Kinder nicht gerechnet; da er von diesen vielmehr gehabt wird. Eher ließen sich Freunde dazu zählen: doch muss auch hier der Besitzende im gleichen Maße der Besitz des andern sein.

Kapitel IV

Von dem, was einer vorstellt

Dieses, also unser Dasein in der Meinung anderer, wird, infolge einer besonderen Schwäche unserer Natur, durchgängig viel zu hoch angeschlagen; obgleich schon die leichteste Besinnung lehren könnte, dass es, an sich selbst, für unser Glück, unwesentlich ist. Es ist demnach kaum erklärlich, wie sehr jeder Mensch sich innerlich freut, so oft er Zeichen der günstigen Meinung anderer merkt und seiner Eitelkeit irgendwie geschmeichelt wird. So unausbleiblich wie die Katze spinnt, wenn man sie streichelt, malt süße Wonne sich auf das Gesicht des Menschen, den man lobt, und zwar in dem Felde seiner Prätension127, sei das Lob auch handgreiflich lügenhaft. Oft trösten ihn, über reales Unglück oder über die Kargheit, mit der für ihn die beiden, bis hierher abgehandelten Hauptquellen unseres Glücks fließen, die Zeichen des fremden Beifalls: und, umgekehrt, ist es zum Erstaunen, wie sehr jede Verletzung seines Ehrgeizes, in irgendeinem Sinne, Grad oder Verhältnis, jede Geringschätzung, Zurücksetzung, Nichtachtung ihn unfehlbar kränkt und oft tief schmerzt. Sofern auf dieser Eigenschaft das Gefühl der Ehre beruht, mag sie für das Wohlverhalten vieler, als Surrogat ihrer Moralität, von ersprießlichen Folgen sein; aber auf das eigene Glück des Menschen, zunächst auf die diesem so wesentliche Gemütsruhe und Unabhängigkeit, wirkt sie mehr störend und nachteilig, als förderlich ein. Daher ist es, von unserm Gesichtspunkt aus, ratsam, ihr Schranken zu setzen und, mittelst gehöriger Überlegung und richtiger Abschätzung des Wertes der Güter, jene große Empfindlichkeit gegen die fremde Meinung möglichst zu mäßigen, sowohl da, wo ihr geschmeichelt wird, als da, wo ihr wehe geschieht: denn beides hängt am selben Faden. Außerdem bleibt man der Sklave fremder Meinung und fremden Bedünkens128.

Demnach wird eine richtige Abschätzung des Wertes dessen, was man in und für sich selbst ist, gegen das, was man bloß in den Augen anderer ist, zu unserm Glücke viel beitragen. Zum ersteren gehört die ganze Ausfüllung der Zeit unsers eigenen Daseins, der innere Gehalt desselben, mithin alle die Güter, welche unter den Titeln »Was Einer ist« und »Was Einer hat« von uns in Betracht genommen worden sind. Denn der Ort, in welchem alles dieses seine Wirkungssphäre hat, ist das eigene Bewusstsein. Hingegen ist der Ort dessen, was wir für andere sind, das fremde Bewusstsein: es ist die Vorstellung, unter welcher wir darin erscheinen, nebst den Begriffen, die auf diese angewandt werden. Die höchsten Stände in ihrem Glänze, in ihrer Pracht und Prunk und Herrlichkeit und Repräsentation jeder Art können sagen: unser Glück liegt ganz außerhalb unseres Selbst: sein Ort sind die Köpfe anderer. Dies nun ist etwas, das unmittelbar gar nicht für uns vorhanden ist, sondern bloß mittelbar, nämlich sofern das Betragen der andern gegen uns dadurch bestimmt wird. Und auch dieses selbst kommt eigentlich nur in Betracht, sofern es Einfluss hat auf irgendetwas, wodurch das, was wir in und für uns selbst sind, modifiziert129 werden kann. Außerdem ist ja, was in einem fremden Bewusstsein vorgeht, als solches, für uns gleichgültig, und auch wir werden allmählich gleichgültig dagegen werden, wenn wir von der Oberflächlichkeit und Futilität130 der Gedanken, von der Beschränktheit der Begriffe, von der Kleinlichkeit der Gesinnung, von der Verkehrtheit der Meinungen und von der Anzahl der Irrtümer in den allermeisten Köpfen eine hinlängliche Kenntnis erlangen und dazu aus eigener Erfahrung lernen, mit welcher Geringschätzung eigentlich von jedem geredet wird, sobald man ihn nicht zu fürchten hat oder glaubt, es komme ihm nicht zu Ohren; insbesondere aber nachdem wir einmal angehört haben, wie vom größten Manne ein halbes Dutzend Schafsköpfe mit Wegwerfung spricht. Wir werden dann einsehen, dass wer auf die Meinung der Menschen einen großen Wert legt, ihnen zu viel Ehre erzeigt.

Jedenfalls ist der auf eine kümmerliche Ressource131 hingewiesen, der sein Glück nicht in den beiden, bereits abgehandelten Klassen von Gütern findet, sondern es in dieser dritten suchen muss, also nicht in dem, was er wirklich, sondern in dem, was er in der fremden Vorstellung ist. Denn überhaupt ist die Basis unseres Wesens und folglich auch unseres Glückes unsere animalische132 Natur. Daher ist für unsere Wohlfahrt Gesundheit das Wesentlichste, nächst dieser aber die Mittel zu unserer Erhaltung, also ein sorgenfreies Auskommen. Ehre, Glanz, Rang, Ruhm, soviel Wert auch mancher darauf legen mag, können mit jenen wesentlichen Gütern nicht kompetieren133, noch sie ersetzen: vielmehr würden sie erforderlichenfalls unbedenklich für jene hingegeben werden. Dieserwegen wird es zu unserm Glücke beitragen, wenn wir beizeiten die simple Einsicht erlangen, dass jeder zunächst und wirklich in seiner eigenen Haut lebt, nicht aber in der Meinung anderer, und dass demnach unser realer und persönlicher Zustand, wie er durch Gesundheit, Temperament, Fähigkeiten, Einkommen, Weib, Kind, Freunde, Wohnort usf. bestimmt wird, für unser Glück hundertmal wichtiger ist, als was es andern beliebt aus uns zu machen.