großer Überfluss, vermag wenig zu unserm Glück; daher viele Reiche sich unglücklich fühlen; weil sie ohne eigentliche Geistesbildung, ohne Kenntnisse und deshalb ohne irgendein objektives Interesse, welches sie zu geistiger Beschäftigung befähigen könnte, sind. Denn was der Reichtum über die Befriedigung der wirklichen und natürlichen Bedürfnisse hinaus noch leisten kann, ist von geringem Einfluss auf unser eigentliches Wohlbehagen: vielmehr wird dieses gestört durch die vielen und unvermeidlichen Sorgen, welche die Erhaltung eines großen Besitzes herbeiführt. Dennoch aber sind die Menschen tausendmal mehr bemüht, sich Reichtum, als Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiss was man ist viel mehr zu unserm Glücke beiträgt, als was man hat. Gar manchen daher sehn wir, in rastloser Geschäftigkeit, emsig wie die Ameise, vom Morgen bis zum Abend bemüht, den schon vorhandenen Reichtum zu vermehren. Über den engen Gesichtskreis des Bereiches der Mittel hiezu hinaus kennt er nichts: sein Geist ist leer, daher für alles andere unempfänglich. Die höchsten Genüsse, die geistigen, sind ihm unzugänglich: durch die flüchtigen, sinnlichen, wenig Zeit, aber viel Geld kostenden, die er zwischendurch sich erlaubt, sucht er vergeblich jene andern zu ersetzen. Am Ende seines Lebens hat er dann, als Resultat desselben, wenn das Glück gut war, wirklich einen recht großen Haufen Geld vor sich, welchen noch zu vermehren, oder aber durchzubringen, er jetzt seinen Erben überlässt. Ein solcher, wiewohl mit gar ernsthafter und wichtiger Miene durchgeführter Lebenslauf ist daher ebenso töricht, wie mancher andere, der geradezu die Schellenkappe40 zum Symbol hatte.

Also, was einer an sich selber hat, ist zu seinem Lebensglücke das Wesentlichste. Bloß weil dieses, in der Regel, so gar wenig ist, fühlen die meisten von denen, welche über den Kampf mit der Not hinaus sind, sich im Grunde ebenso unglücklich, wie die, welche sich noch darin herumschlagen. Die Leere ihres Innern, das Fade ihres Bewusstseins, die Armut ihres Geistes treibt sie zur Gesellschaft, die nun aber aus eben solchen besteht; weil: jeder erfreut sich an seinesgleichen. Da wird dann gemeinschaftlich Jagd gemacht auf Kurzweil und Unterhaltung, die sie zunächst in sinnlichen Genüssen, in Vergnügen jeder Art und endlich in Ausschweifungen suchen. Die Quelle der heillosen Verschwendung, mittels welcher so mancher, reich ins Leben tretende Familiensohn, sein großes Erbteil oft in kurzer Zeit durchbringt, ist wirklich keine andere, als nur die Langeweile, welche aus der eben geschilderten Armut und Leere des Geistes entspringt. So ein Jüngling war äußerlich reich aber innerlich arm in die Welt geschickt und strebte nun vergeblich durch den äußeren Reichtum den inneren zu ersetzen, indem er alles von außen empfangen wollte – den Greisen analog41, welche sich durch die Ausdünstung junger Mädchen zu stärken suchen. Dadurch führte dann am Ende die innere Armut auch noch die äußere herbei.

Die Wichtigkeit der beiden andern Rubriken der Güter des menschlichen Lebens brauche ich nicht hervorzuheben. Denn der Wert des Besitzes ist heutzutage so allgemein anerkannt, dass er keiner Empfehlung bedarf. Sogar hat die dritte Rubrik, gegen die zweite, eine sehr ätherische Beschaffenheit; da sie bloß in der Meinung anderer besteht. Jedoch nach Ehre, d. h. gutem Namen, hat jeder zu streben, nach Rang schon nur die, welche dem Staate dienen, und nach Ruhm gar nur äußerst wenige. Indessen wird die Ehre als ein unschätzbares Gut angesehen, und der Ruhm als das Köstlichste, was der Mensch erlangen kann, das goldene Vlies42 der Auserwählten: hingegen den Rang werden nur Toren dem Besitze vorziehen. Die zweite und dritte Rubrik stehn übrigens in sogenannter Wechselwirkung; sofern das: Hältst du etwas in Händen, so wirst du für etwas gehalten werden, seine Richtigkeit hat und, umgekehrt, die günstige Meinung anderer, in allen ihren Formen, oft zum Besitze verhilft.

Kapitel II

Von dem, was einer ist

Dass zu seinem Glücke viel mehr beiträgt, als was er hat, oder was er vorstellt, haben wir bereits im Allgemeinen erkannt. Immer kommt es darauf an, was einer sei und demnach an sich selber habe: denn seine Individualität begleitet ihn stets und überall, und von ihr ist alles tingiert43, was er erlebt. In allem und bei allem genießt er zunächst nur sich selbst: Dies gilt schon von den physischen; wie viel mehr von den geistigen Genüssen. Daher ist das englische to enjoy oneself ein sehr treffender Ausdruck, mit welchem man z. B. sagt he enjoys himself at Paris, also nicht »er genießt Paris«, sondern »er genießt sich in Paris«. – Ist nun aber die Individualität von schlechter Beschaffenheit, so sind alle Genüsse wie köstliche Weine in einem mit Galle tingierten Munde. Demnach kommt, im Guten wie im Schlimmen, schwere Unglücksfälle beiseite gesetzt, es weniger darauf an, was einem im Leben begegnet und widerfährt, als darauf, wie er es empfindet, also auf die Art und den Grad seiner Empfänglichkeit in jeder Hinsicht. Was einer in sich ist und an sich selber hat; kurz die Persönlichkeit und deren Wert, ist das alleinige Unmittelbare zu seinem Glück und Wohlsein. Alles andere ist mittelbar; daher auch dessen Wirkung vereitelt werden kann, aber die der Persönlichkeit nie.