Seine erste Gedichtesammlung kam mir sehr spät zu Gesicht, nämlich eben zur Zeit, als der »Atta Troll« entstand. Es mochte wohl an meiner damaligen Stimmung liegen, daß namentlich der »Mohrenfürst« so belustigend auf mich wirkte. Diese Produktion wird übrigens als die gelungenste gerühmt. Für Leser, welche diese Produktion gar nicht kennen – und es mag deren wohl in China und Japan geben, sogar am Niger und am Senegal –, für diese bemerke ich, daß der Mohrenkönig, der zu Anfang des Gedichtes aus seinem weißen Zelte, wie eine Mondfinsternis, hervortritt, auch eine schwarze Geliebte besitzt, über deren dunkles Antlitz die weißen Straußfedern nicken. Aber kriegsmutig verläßt er sie, er zieht in die Negerschlacht, wo da rasselt die Trommel, mit Schädeln behangen – ach, er findet dort sein schwarzes Waterloo und wird von den Siegern an die Weißen verkauft. Diese schleppen den edlen Afrikaner nach Europa, und hier finden wir ihn wieder im Dienste einer herumziehenden Reutergesellschaft, die ihm, bei ihren Kunstvorstellungen, die türkische Trommel anvertraut hat. Da steht er nun, finster und ernsthaft, am Eingange der Reitbahn und trommelt, doch während des Trommelns denkt er an seine ehemalige Größe, er denkt daran, daß er einst ein absoluter Monarch war, am fernen, fernen Niger, und daß er gejagt den Löwen, den Tiger –

 

»Sein Auge ward naß; mit dumpfem Klang

Schlug er das Fell, daß es rasselnd zersprang.«

 

Geschrieben zu Paris im Dezember 1846

 

Heinrich Heine

 

Caput I

 

Rings umragt von dunklen Bergen,

Die sich trotzig übergipfeln,

Und von wilden Wasserstürzen

Eingelullet, wie ein Traumbild,

 

Liegt im Tal das elegante

Cauterets. Die weißen Häuschen

Mit Balkonen; schöne Damen

Stehn darauf und lachen herzlich.

 

Herzlich lachend schaun sie nieder

Auf den wimmelnd bunten Marktplatz,

Wo da tanzen Bär und Bärin

Bei des Dudelsackes Klängen.

 

Atta Troll und seine Gattin,

Die geheißen schwarze Mumma,

Sind die Tänzer, und es jubeln

Vor Bewundrung die Baskesen.

 

Steif und ernsthaft, mit Grandezza,

Tanzt der edle Atta Troll,

Doch der zott'gen Ehehälfte

Fehlt die Würde, fehlt der Anstand.

 

Ja, es will mich schier bedünken,

Daß sie manchmal cancaniere,

Und gemütlos frechen Steißwurfs

An die Grand'-Chaumière erinnre.

 

Auch der wackre Bärenführer,

Der sie an der Kette leitet,

Scheint die Immoralität

Ihres Tanzes zu bemerken.

 

Und er langt ihr manchmal über

Ein'ge Hiebe mit der Peitsche,

Und die schwarze Mumma heult dann,

Daß die Berge widerhallen.

 

Dieser Bärenführer trägt

Sechs Madonnen auf dem Spitzhut,

Die sein Haupt vor Feindeskugeln

Oder Läusen schützen sollen.

 

Über seine Schulter hängt

Eine bunte Altardecke,

Die als Mantel sich gebärdet;

Drunter lauscht Pistol und Messer.

 

War ein Mönch in seiner Jugend,

Später ward er Räuberhauptmann;

Beides zu verein'gen, nahm er

Endlich Dienste bei Don Carlos.

 

Als Don Carlos fliehen mußte

Mit der ganzen Tafelrunde,

Und die meisten Paladine

Nach honettem Handwerk griffen –

 

(Herr Schnapphahnski wurde Autor) –,

Da ward unser Glaubensritter

Bärenführer, zog durchs Land

Mit dem Atta Troll und Mumma.

 

Und er läßt die beiden tanzen

Vor dem Volke, auf den Märkten; –

Auf dem Markt von Cauterets

Tanzt gefesselt Atta Troll!

 

Atta Troll, der einst gehauset,

Wie ein stolzer Fürst der Wildnis,

Auf den freien Bergeshöhen,

Tanzt im Tal vor Menschenpöbel!

 

Und sogar für schnödes Geld

Muß er tanzen, er, der weiland,

In des Schreckens Majestät,

Sich so welterhaben fühlte!

 

Denkt er seiner Jugendtage,

Der verlornen Waldesherrschaft,

Dann erbrummen dunkle Laute

Aus der Seele Atta Trolls;

 

Finster schaut er wie ein schwarzer

Freiligräthscher Mohrenfürst,

Und wie dieser schlecht getrommelt,

Also tanzt er schlecht vor Ingrimm.

 

Doch statt Mitgefühl erregt er

Nur Gelächter. Selbst Juliette

Lacht herunter vom Balkone

Ob den Sprüngen der Verzweiflung. – –

 

Juliette hat im Busen

Kein Gemüt, sie ist Französin,

Lebt nach außen; doch ihr Äußres

Ist entzückend, ist bezaubernd.

 

Ihre Blicke sind ein süßes

Strahlennetz, in dessen Maschen

Unser Herz, gleich einem Fischlein,

Sich verfängt und zärtlich zappelt.

 

Caput II

Daß ein schwarzer Freiligräthscher

Mohrenfürst sehnsüchtig lospaukt

Auf das Fell der großen Trommel,

Bis es prasselnd laut entzweispringt:

 

Das ist wahrhaft trommelrührend

Und auch trommelfellerschütternd –

Aber denkt euch einen Bären,

Der sich von der Kette losreißt!

 

Die Musik und das Gelächter,

Sie verstummen, und mit Angstschrei

Stürzt vom Markte fort das Volk,

Und die Damen, sie erbleichen.

 

Ja, von seiner Sklavenfessel

Hat sich plötzlich losgerissen

Atta Troll. Mit wilden Sprüngen

Durch die engen Straßen rennend –

 

(Jeder macht ihm höflich Platz) –,

Klettert er hinauf die Felsen,

Schaut hinunter, wie verhöhnend,

Und verschwindet im Gebirge.

 

Auf dem leeren Marktplatz bleiben

Ganz allein die schwarze Mumma

Und der Bärenführer. Rasend

Schmeißt er seinen Hut zur Erde,

 

Trampelt drauf, er tritt mit Füßen

Die Madonnen! reißt die Decke

Sich vom scheußlich nackten Leib,

Flucht und jammert über Undank,

 

Über schwarzen Bärenundank!

Denn er habe Atta Troll

Stets wie einen Freund behandelt

Und im Tanzen unterrichtet.

 

Alles hab er ihm zu danken,

Selbst das Leben! Bot man doch

Ihm vergebens hundert Taler

Für die Haut des Atta Troll!

 

Auf die arme schwarze Mumma,

Die, ein Bild des stummen Grames,

Flehend, auf den Hintertatzen,

Vor dem Hocherzürnten stehnblieb,

 

Fällt des Hocherzürnten Wut

Endlich doppelt schwer, er schlägt sie,

Nennt sie Königin Christine,

Auch Frau Muñoz und Putana. – –

 

Das geschah an einem schönen,

Warmen Sommernachmittage,

Und die Nacht, die jenem Tage

Lieblich folgte, war süperbe.

 

Ich verbrachte fast die Hälfte

Jener Nacht auf dem Balkone.

Neben mir stand Juliette

Und betrachtete die Sterne.

 

Seufzend sprach sie: »Ach, die Sterne

Sind am schönsten in Paris,

Wenn sie dort, des Winterabends,

In dem Straßenkot sich spiegeln.«

 

 

Caput III

Traum der Sommernacht! Phantastisch

Zwecklos ist mein Lied. Ja, zwecklos

Wie die Liebe, wie das Leben,

Wie der Schöpfer samt der Schöpfung!

 

Nur der eignen Lust gehorchend,

Galoppierend oder fliegend,

Tummelt sich im Fabelreiche

Mein geliebter Pegasus.

 

Ist kein nützlich tugendhafter

Karrengaul des Bürgertums,

Noch ein Schlachtpferd der Parteiwut,

Das pathetisch stampft und wiehert!

 

Goldbeschlagen sind die Hufen

Meines weißen Flügelrößleins,

Perlenschnüre sind die Zügel,

Und ich laß sie lustig schießen.

 

Trage mich, wohin du willst!

Über luftig steilen Bergpfad,

Wo Kaskaden angstvoll kreischend

Vor des Unsinns Abgrund warnen!

 

Trage mich durch stille Täler,

Wo die Eichen ernsthaft ragen

Und den Wurzelknorr'n entrieselt

Uralt süßer Sagenquell!

 

Laß mich trinken dort und nässen

Meine Augen – ach, ich lechze

Nach dem lichten Wunderwasser,

Welches sehend macht und wissend.

 

Jede Blindheit weicht! Mein Blick

Dringt bis in die tiefste Steinkluft,

In die Höhle Atta Trolls –

Ich verstehe seine Reden!

 

Sonderbar! wie wohlbekannt

Dünkt mir diese Bärensprache!

Hab ich nicht in teurer Heimat

Früh vernommen diese Laute?

 

 

Caput IV

Ronceval, du edles Tal!

Wenn ich deinen Namen höre,

Bebt und duftet mir im Herzen

Die verschollne blaue Blume!

 

Glänzend steigt empor die Traumwelt,

Die jahrtausendlich versunken,

Und die großen Geisteraugen

Schaun mich an, daß ich erschrecke!

 

Und es klirrt und tost! Es kämpfen

Sarazen und Frankenritter;

Wie verzweifelnd, wie verblutend,

Klingen Rolands Waldhornrüfe!

 

In dem Tal von Ronceval,

Unfern von der Rolandsscharte –

So geheißen, weil der Held,

Um sich einen Weg zu bahnen,

 

Mit dem guten Schwert Duranda

Also todesgrimmig einhieb

In die Felswand, daß die Spuren

Bis auf heut'gem Tage sichtbar –

 

Dort in einer düstren Steinschlucht,

Die umwachsen von dem Buschwerk

Wilder Tannen, tief verborgen,

Liegt die Höhle Atta Trolls.

 

Dort, im Schoße der Familie,

Ruht er aus von den Strapazen

Seiner Flucht und von der Mühsal

Seiner Völkerschau und Weltfahrt.

 

Süßes Wiedersehn! Die Jungen

Fand er in der teuren Höhle,

Wo er sie gezeugt mit Mumma;

Söhne vier und Töchter zwei.

 

Wohlgeleckte Bärenjungfraun,

Blond von Haar, wie Pred'gerstöchter;

Braun die Buben, nur der Jüngste

Mit dem einz'gen Ohr ist schwarz.

 

Dieser Jüngste war das Herzblatt

Seiner Mutter, die ihm spielend

Abgebissen einst ein Ohr;

Und sie fraß es auf vor Liebe.

 

Ist ein genialer Jüngling,

Für Gymnastik sehr begabt,

Und er schlägt die Purzelbäume

Wie der Turnkunstmeister Maßmann.

 

Blüte autochthoner Bildung,

Liebt er nur die Muttersprache,

Lernte nimmer den Jargon

Des Hellenen und des Römlings.

 

Frisch und frei und fromm und fröhlich,

Ist verhaßt ihm alle Seife,

Luxus des modernen Waschens,

Wie dem Turnkunstmeister Maßmann.

 

Am genialsten ist der Jüngling,

Wenn er klettert auf dem Baume,

Der, entlang der steilsten Felswand,

Aus der tiefen Schlucht emporsteigt

 

Und hinaufragt bis zur Koppe,

Wo des Nachts die ganze Sippschaft

Sich versammelt um den Vater,

Kosend in der Abendkühle.

 

Gern erzählt alsdann der Alte,

Was er in der Welt erlebte,

Wie er Menschen viel und Städte

Einst gesehn, auch viel erduldet,

 

Gleich dem edlen Laertiaden,

Diesem nur darin unähnlich,

Daß die Gattin mit ihm reiste,

Seine schwarze Penelope.

 

Auch erzählt dann Atta Troll

Von dem kolossalen Beifall,

Den er einst durch seine Tanzkunst

Eingeerntet bei den Menschen.

 

Er versichert, jung und alt

Habe jubelnd ihn bewundert,

Wenn er tanzte auf den Märkten

Bei der Sackpfeif' süßen Tönen.

 

Und die Damen ganz besonders,

Diese zarten Kennerinnen,

Hätten rasend applaudiert

Und ihm huldreich zugeäugelt.

 

Oh, der Künstlereitelkeiten!

Schmunzelnd denkt der alte Tanzbär

An die Zeit, wo sein Talent

Vor dem Publiko sich zeigte.

 

Übermannt von Selbstbegeistrung,

Will er durch die Tat bekunden,

Daß er nicht ein armer Prahlhans,

Daß er wirklich groß als Tänzer –

 

Und vom Boden springt er plötzlich,

Stellt sich auf die Hintertatzen,

Und wie eh'mals tanzt er wieder

Seinen Leibtanz, die Gavotte.

 

Stumm, mit aufgesperrten Schnauzen,

Schauen zu die Bärenjungen,

Wie der Vater hin und her springt

Wunderbar im Mondenscheine.

 

 

Caput V

In der Höhle, bei den Seinen,

Liegt gemütskrank auf dem Rücken

Atta Troll, nachdenklich saugt er

An den Tatzen, saugt und brummt:

 

»Mumma, Mumma, schwarze Perle,

Die ich in dem Meer des Lebens

Aufgefischt, im Meer des Lebens

Hab ich wieder dich verloren!

 

Werd ich nie dich wiedersehen,

Oder nur jenseits des Grabes,

Wo von Erdenzotteln frei

Sich verkläret deine Seele?

 

Ach! vorher möcht ich noch einmal

Lecken an der holden Schnauze

Meiner Mumma, die so süße,

Wie mit Honigseim bestrichen!

 

Möchte auch noch einmal schnüffeln

Den Geruch, der eigentümlich

Meiner teuren schwarzen Mumma,

Und wie Rosenduft so lieblich!

 

Aber ach! die Mumma schmachtet

In den Fesseln jener Brut,

Die den Namen Menschen führet,

Und sich Herrn der Schöpfung dünkelt.

 

Tod und Hölle! Diese Menschen,

Diese Erzaristokraten,

Schaun auf das gesamte Tierreich

Frech und adelstolz herunter,

 

Rauben Weiber uns und Kinder,

Fesseln uns, mißhandeln, töten

Uns sogar, um zu verschachern

Unsre Haut und unsern Leichnam!

 

Und sie glauben sich berechtigt,

Solche Untat auszuüben

Ganz besonders gegen Bären,

Und sie nennen's Menschenrechte!

 

Menschenrechte! Menschenrechte!

Wer hat euch damit belehnt?

Nimmer tat es die Natur,

Diese ist nicht unnatürlich.

 

Menschenrechte! Wer gab euch

Diese Privilegien?

Wahrlich nimmer die Vernunft,

Die ist nicht so unvernünftig!

 

Menschen, seid ihr etwa besser

Als wir andre, weil gesotten

Und gebraten eure Speisen?

Wir verzehren roh die unsern,

 

Doch das Resultat am Ende

Ist dasselbe – Nein, es adelt

Nicht die Atzung; der ist edel,

Welcher edel fühlt und handelt.

 

Menschen, seid ihr etwa besser,

Weil ihr Wissenschaft und Künste

Mit Erfolg betreibt? Wir andre

Sind nicht auf den Kopf gefallen.

 

Gibt es nicht gelehrte Hunde?

Und auch Pferde, welche rechnen

Wie Kommerzienräte? Trommeln

Nicht die Hasen ganz vorzüglich?

 

Hat sich nicht in Hydrostatik

Mancher Biber ausgezeichnet?

Und verdankt man nicht den Störchen

Die Erfindung der Klistiere?

 

Schreiben Esel nicht Kritiken?

Spielen Affen nicht Komödie?

Gibt es eine größre Mimin,

Als Batavia, die Meerkatz'?

 

Singen nicht die Nachtigallen?

Ist der Freiligrath kein Dichter?

Wer besäng den Löwen besser

Als sein Landsmann, das Kamel?

 

In der Tanzkunst hab ich selber

Es so weit gebracht wie Raumer

In der Schreibkunst – schreibt er besser,

Als ich tanze, ich der Bär?

 

Menschen, warum seid ihr besser

Als wir andre? Aufrecht tragt ihr

Zwar das Haupt, jedoch im Haupte

Kriechen niedrig die Gedanken.

 

Menschen, seid ihr etwa besser

Als wir andre, weil eu'r Fell

Glatt und gleißend? Diesen Vorzug

Müßt ihr mit den Schlangen teilen.

 

Menschenvolk, zweibein'ge Schlangen,

Ich begreife wohl, warum ihr

Hosen tragt! Mit fremder Wolle

Deckt ihr eure Schlangennacktheit.

 

Kinder! hütet euch vor jenen

Unbehaarten Mißgeschöpfen!

Meine Töchter! Traut nur keinem

Untier, welches Hosen trägt!«

 

Weiter will ich nicht berichten,

Wie der Bär in seinem frechen

Gleichheitsschwindel räsonierte

Auf das menschliche Geschlecht.

 

Denn am Ende bin ich selber

Auch ein Mensch, und wiederholen

Will ich nimmer die Sottisen,

Die am Ende sehr beleid'gend.

 

Ja, ich bin ein Mensch, bin besser

Als die andern Säugetiere;

Die Intressen der Geburt

Werd ich nimmermehr verleugnen.

 

Und im Kampf mit andern Bestien

Werd ich immer treulich kämpfen

Für die Menschheit, für die heil'gen

Angebornen Menschenrechte.

 

 

Caput VI

Doch es ist vielleicht ersprießlich

Für den Menschen, der den höhern

Viehstand bildet, daß er wisse,

Was da unten räsoniert wird.

 

Ja, da unten in den düstern

Jammersphären der Gesellschaft,

In den niedern Tierweltschichten,

Brütet Elend, Stolz und Groll.

 

Was naturgeschichtlich immer,

Also auch gewohnheitsrechtlich,

Seit Jahrtausenden bestanden,

Wird negiert mit frecher Schnauze.

 

Von den Alten wird den Jungen

Eingebrummt die böse Irrlehr',

Die auf Erden die Kultur

Und Humanität bedroht.

 

»Kinder« – grommelt Atta Troll,

Und er wälzt sich hin und her

Auf dem teppichlosen Lager –

»Kinder, uns gehört die Zukunft!

 

Dächte jeder Bär und dächten

Alle Tiere so wie ich,

Mit vereinten Kräften würden

Wir bekämpfen die Tyrannen.

 

Es verbände sich der Eber

Mit dem Roß, der Elefant

Schlänge brüderlich den Rüssel

Um das Horn des wackern Ochsen;

 

Bär und Wolf, von jeder Farbe,

Bock und Affe, selbst der Hase,

Wirkten ein'ge Zeit gemeinsam,

Und der Sieg könnt uns nicht fehlen.

 

Einheit, Einheit ist das erste

Zeitbedürfnis. Einzeln wurden

Wir geknechtet, doch verbunden

Übertölpeln wir die Zwingherrn.

 

Einheit! Einheit! und wir siegen,

Und es stürzt das Regiment

Schnöden Monopols! Wir stiften

Ein gerechtes Animalreich.

 

Grundgesetz sei volle Gleichheit

Aller Gotteskreaturen,

Ohne Unterschied des Glaubens

Und des Fells und des Geruches.

 

Strenge Gleichheit! Jeder Esel

Sei befugt zum höchsten Staatsamt,

Und der Löwe soll dagegen

Mit dem Sack zur Mühle traben.

 

Was den Hund betrifft, so ist er

Freilich ein serviler Köter,

Weil Jahrtausende hindurch

Ihn der Mensch wie 'n Hund behandelt;

 

Doch in unserm Freistaat geben

Wir ihm wieder seine alten

Unveräußerlichen Rechte,

Und er wird sich bald veredeln.

 

Ja, sogar die Juden sollen

Volles Bürgerrecht genießen

Und gesetzlich gleichgestellt sein

Allen andern Säugetieren.

 

Nur das Tanzen auf den Märkten

Sei den Juden nicht gestattet;

Dies Amendement, ich mach es

Im Intresse meiner Kunst.

 

Denn der Sinn für Stil, für strenge

Plastik der Bewegung, fehlt

Jener Rasse, sie verdürben

Den Geschmack des Publikums.«

 

 

Caput VII

Düster, in der düstern Höhle,

Hockt im trauten Kreis der Seinen

Atta Troll, der Menschenfeind,

Und er brummt und fletscht die Zähne:

 

»Menschen, schnippische Kanaillen!

Lächelt nur! Von eurem Lächeln

Wie von eurem Joch wird endlich

Uns der große Tag erlösen!

 

Mich verletzte stets am meisten

Jenes sauersüße Zucken

Um das Maul – ganz unerträglich

Wirkt auf mich dies Menschenlächeln!

 

Wenn ich in dem weißen Antlitz

Das fatale Zucken schaute,

Drehten sich herum entrüstet

Mir im Bauche die Gedärme.

 

Weit impertinenter noch

Als durch Worte offenbart sich

Durch das Lächeln eines Menschen

Seiner Seele tiefste Frechheit.

 

Immer lächeln sie! Sogar

Wo der Anstand einen tiefen

Ernst erfordert, in der Liebe

Feierlichstem Augenblick!

 

Immer lächeln sie! Sie lächeln

Selbst im Tanzen. Sie entweihen

Solchermaßen diese Kunst,

Die ein Kultus bleiben sollte.

 

Ja, der Tanz, in alten Zeiten,

War ein frommer Akt des Glaubens;

Um den Altar drehte heilig

Sich der priesterliche Reigen.

 

Also vor der Bundeslade

Tanzte weiland König David;

Tanzen war ein Gottesdienst,

War ein Beten mit den Beinen!

 

Also hab auch ich den Tanz

Einst begriffen, wenn ich tanzte

Auf den Märkten vor dem Volk,

Das mir großen Beifall zollte.

 

Dieser Beifall, ich gesteh es,

Tat mir manchmal wohl im Herzen;

Denn Bewundrung selbst dem Feinde

Abzutrotzen, das ist süß!

 

Aber selbst im Enthusiasmus

Lächeln sie. Ohnmächtig ist

Selbst die Tanzkunst, sie zu bessern,

Und sie bleiben stets frivol.«

 

 

Caput VIII

Mancher tugendhafte Bürger

Duftet schlecht auf Erden, während

Fürstenknechte mit Lavendel

Oder Ambra parfümiert sind.

 

Jungfräuliche Seelen gibt es,

Die nach grüner Seife riechen,

Und das Laster hat zuweilen

Sich mit Rosenöl gewaschen.

 

Darum rümpfe nicht die Nase,

Teurer Leser, wenn die Höhle

Atta Trolls dich nicht erinnert

An Arabiens Spezerei'n.

 

Weile mit mir in dem Dunstkreis,

In dem trüben Mißgeruche,

Wo der Held zu seinem Sohne

Wie aus einer Wolke spricht:

 

»Kind, mein Kind, du meiner Lenden

Jüngster Sprößling, leg dein Einohr

An die Schnauze des Erzeugers

Und saug ein mein ernstes Wort!

 

Hüte dich vor Menschendenkart,

Sie verdirbt dir Leib und Seele;

Unter allen Menschen gibt es

Keinen ordentlichen Menschen.

 

Selbst die Deutschen, einst die Bessern,

Selbst die Söhne Tuiskions,

Unsre Vettern aus der Urzeit,

Diese gleichfalls sind entartet.

 

Sind jetzt glaubenlos und gottlos,

Pred'gen gar den Atheismus –

Kind, mein Kind, nimm dich in acht

Vor dem Feuerbach und Bauer!

 

Werde nur kein Atheist,

So ein Unbär ohne Ehrfurcht

Vor dem Schöpfer – ja, ein Schöpfer

Hat erschaffen dieses Weltall!

 

In der Höhe Sonn' und Mond,

Auch die Sterne (die geschwänzten

Gleichfalls wie die ungeschwänzten)

Sind der Abglanz seiner Allmacht.

 

In der Tiefe, Land und Meer,

Sind das Echo seines Ruhmes,

Und jedwede Kreatur

Preiset seine Herrlichkeiten.

 

Selbst das kleinste Silberläuschen,

Das im Bart des greisen Pilgers

Teilnimmt an der Erdenwallfahrt,

Singt des Ew'gen Lobgesang!

 

Droben in dem Sternenzelte,

Auf dem goldnen Herrscherstuhle,

Weltregierend, majestätisch,

Sitzt ein kolossaler Eisbär.

 

Fleckenlos und schneeweiß glänzend

Ist sein Pelz; es schmückt sein Haupt

Eine Kron' von Diamanten,

Die durch alle Himmel leuchtet.

 

In dem Antlitz Harmonie

Und des Denkens stumme Taten;

Mit dem Zepter winkt er nur,

Und die Sphären klingen, singen.

 

Ihm zu Füßen sitzen fromm

Bärenheil'ge, die auf Erden

Still geduldet, in den Tatzen

Ihres Martyrtumes Palmen.

 

Manchmal springt der eine auf,

Auch der andre, wie vom Heil'gen

Geist geweckt, und sieh! da tanzen

Sie den feierlichsten Hochtanz –

 

Hochtanz, wo der Strahl der Gnade

Das Talent entbehrlich machte,

Und vor Seligkeit die Seele

Aus der Haut zu springen sucht!

 

Werde ich unwürd'ger Troll

Einstens solchen Heils teilhaftig?

Und aus irdisch niedrer Trübsal

Übergehn ins Reich der Wonne?

 

Werd ich selber, himmelstrunken,

Droben in dem Sternenzelte,

Mit der Glorie, mit der Palme

Tanzen vor dem Thron des Herrn?«

 

 

Caput IX

Wie die scharlachrote Zunge,

Die ein schwarzer Freiligräthscher

Mohrenfürst verhöhnend grimmig

Aus dem düstern Maul hervorstreckt:

 

Also tritt der Mond aus dunkelm

Wolkenhimmel. Fernher brausen

Wasserstürze, ewig schlaflos

Und verdrießlich in der Nacht.

 

Atta Troll steht auf der Koppe

Seines Lieblingsfelsens einsam,

Einsam, und er heult hinunter

In den Nachtwind, in den Abgrund:

 

»Ja, ich bin ein Bär, ich bin es,

Bin es, den ihr Zottelbär,

Brummbär, Isegrim und Petz

Und Gott weiß wie sonst noch nennet.

 

Ja, ich bin ein Bär, ich bin es,

Bin die ungeschlachte Bestie,

Bin das plumpe Trampeltier

Eures Hohnes, eures Lächelns!

 

Bin die Zielscheib' eures Witzes,

Bin das Ungetüm, womit

Ihr die Kinder schreckt des Abends,

Die unart'gen Menschenkinder.

 

Bin das rohe Spottgebilde

Eurer Ammenmärchen, bin es,

Und ich ruf es laut hinunter

In die schnöde Menschenwelt.

 

Hört es, hört, ich bin ein Bär,

Nimmer schäm ich mich des Ursprungs,

Und bin stolz darauf, als stammt' ich

Ab von Moses Mendelssohn!«

 

 

Caput X

Zwo Gestalten, wild und mürrisch,

Und auf allen vieren rutschend,

Brechen Bahn sich durch den dunklen

Tannengrund, um Mitternacht.

 

Das ist Atta Troll, der Vater,

Und sein Söhnchen, Junker Einohr.

Wo der Wald sich dämmernd lichtet,

Bei dem Blutstein, stehn sie stille.

 

»Dieser Stein« – brummt Atta Troll –

»Ist der Altar, wo Druiden

In der Zeit des Aberglaubens

Menschenopfer abgeschlachtet.

 

O der schauderhaften Greuel!

Denk ich dran, sträubt sich das Haar

Auf dem Rücken mir – Zur Ehre

Gottes wurde Blut vergossen!

 

Jetzt sind freilich aufgeklärter

Diese Menschen, und sie töten

Nicht einander mehr aus Eifer

Für die himmlischen Intressen; –

 

Nein, nicht mehr der fromme Wahn,

Nicht die Schwärmerei, nicht Tollheit,

Sondern Eigennutz und Selbstsucht

Treibt sie jetzt zu Mord und Totschlag.

 

Nach den Gütern dieser Erde

Greifen alle um die Wette,

Und das ist ein ew'ges Raufen,

Und ein jeder stiehlt für sich!

 

Ja, das Erbe der Gesamtheit

Wird dem einzelnen zur Beute,

Und von Rechten des Besitzes

Spricht er dann, von Eigentum!

 

Eigentum! Recht des Besitzes!

O des Diebstahls! O der Lüge!

Solch Gemisch von List und Unsinn

Konnte nur der Mensch erfinden.

 

Keine Eigentümer schuf

Die Natur, denn taschenlos,

Ohne Taschen in den Pelzen,

Kommen wir zur Welt, wir alle.

 

Keinem von uns allen wurden

Angeboren solche Säckchen

In dem äußern Leibesfelle,

Um den Diebstahl zu verbergen.

 

Nur der Mensch, das glatte Wesen,

Das mit fremder Wolle künstlich

Sich bekleidet, wußt auch künstlich

Sich mit Taschen zu versorgen.

 

Eine Tasche! Unnatürlich

Ist sie wie das Eigentum,

Wie die Rechte des Besitzes –

Taschendiebe sind die Menschen!

 

Glühend haß ich sie! Vererben

Will ich dir, mein Sohn, den Haß.

Hier auf diesem Altar sollst du

Ew'gen Haß den Menschen schwören!

 

Sei der Todfeind jener argen

Unterdrücker, unversöhnlich,

Bis ans Ende deiner Tage –

Schwör es, schwör es hier, mein Sohn!«

 

Und der Jüngling schwur, wie eh'mals

Hannibal. Der Mond beschien

Gräßlich gelb den alten Blutstein

Und die beiden Misanthropen. – –

 

Später wollen wir berichten,

Wie der Jungbär treu geblieben

Seinem Eidschwur; unsre Leier

Feiert ihn im nächsten Epos.

 

Was den Atta anbetrifft,

So verlassen wir ihn gleichfalls,

Doch um später ihn zu treffen,

Desto sichrer, mit der Kugel.

 

Deine Untersuchungsakten,

Hochverräter an der Menschheit

Majestät! sind jetzt geschlossen;

Morgen wird auf dich gefahndet.

 

 

Caput XI

Wie verschlafne Bajaderen

Schaun die Berge, stehen fröstelnd

In den weißen Nebelhemden,

Die der Morgenwind bewegt.

 

Doch sie werden bald ermuntert

Von dem Sonnengott, er streift

Ihnen ab die letzte Hülle

Und bestrahlt die nackte Schönheit!

 

In der Morgenfrühe war ich

Mit Laskaro ausgezogen

Auf die Bärenjagd. Um Mittag

Kamen wir zum Pont d'Espagne.

 

So geheißen ist die Brücke,

Die aus Frankreich führt nach Spanien,

Nach dem Land der Westbarbaren,

Die um tausend Jahr' zurück sind.

 

Sind zurück um tausend Jahre

In moderner Weltgesittung –

Meine eignen Ostbarbaren

Sind es nur um ein Jahrhundert.

 

Zögernd, fast verzagt, verließ ich

Den geweihten Boden Frankreichs,

Dieses Vaterlands der Freiheit

Und der Frauen, die ich liebe.

 

Mitten auf dem Pont d'Espagne

Saß ein armer Spanier. Elend

Lauschte aus des Mantels Löchern,

Elend lauschte aus den Augen.

 

Eine alte Mandoline

Kneipte er mit magern Fingern;

Schriller Mißlaut, der verhöhnend

Aus den Klüften widerhallte.

 

Manchmal beugt' er sich hinunter

Nach dem Abgrund, und er lachte,

Klimperte nachher noch toller,

Und er sang dabei die Worte:

 

»Mitten drin in meinem Herzen

Steht ein kleines güldnes Tischchen,

Um das kleine güldne Tischchen

Stehn vier kleine güldne Stühlchen.

 

Auf den güldnen Stühlchen sitzen

Kleine Dämchen, güldne Pfeile

Im Chignon; sie spielen Karten,

Aber Klara nur gewinnt.

 

Sie gewinnt und lächelt schalkhaft.

Ach, in meinem Herzen, Klara,

Wirst du jedesmal gewinnen,

Denn du hast ja alle Trümpfe.« –

 

Weiterwandernd, zu mir selber

Sprach ich: ›Sonderbar, der Wahnsinn

Sitzt und singt auf jener Brücke,

Die aus Frankreich führt nach Spanien.

 

Ist der tolle Bursch das Sinnbild

Vom Ideentausch der Länder?

Oder ist er seines Volkes

Sinnverrücktes Titelblatt?‹

 

Gegen Abend erst erreichten

Wir die klägliche Posada,

Wo die Ollea Potrida

Dampfte in der schmutz'gen Schüssel.

 

Dorten aß ich auch Garbanzos,

Groß und schwer wie Flintenkugeln,

Unverdaulich selbst dem Deutschen,

Der mit Klößen aufgewachsen.

 

Und ein Seitenstück der Küche

War das Bett. Ganz mit Insekten

Wie gepfeffert – Ach! die Wanzen

Sind des Menschen schlimmste Feinde.

 

Schlimmer als der Zorn von tausend

Elefanten ist die Feindschaft

Einer einz'gen kleinen Wanze,

Die auf deinem Lager kriecht.

 

Mußt dich ruhig beißen lassen –

Das ist schlimm – Noch schlimmer ist es,

Wenn du sie zerdrückst: der Mißduft

Quält dich dann die ganze Nacht.

 

Ja, das Schrecklichste auf Erden

Ist der Kampf mit Ungeziefer,

Dem Gestank als Waffe dient –

Das Duell mit einer Wanze!

 

 

Caput XII

Wie sie schwärmen, die Poeten,

Selbst die zahmen! und sie singen

Und sie sagen: die Natur

Sei ein großer Tempel Gottes;

 

Sei ein Tempel, dessen Prächte

Von dem Ruhm des Schöpfers zeugten,

Sonne, Mond und Sterne hingen

Dort als Lampen in der Kuppel.

 

Immerhin, ihr guten Leute!

Doch gesteht, in diesem Tempel

Sind die Treppen unbequem –

Niederträchtig schlechte Treppen!

 

Dieses Ab- und Niedersteigen,

Bergaufklimmen und das Springen

Über Blöcke, es ermüdet

Meine Seel' und meine Beine.

 

Neben mir schritt der Laskaro,

Blaß und lang, wie eine Kerze;

Niemals spricht er, niemals lacht er,

Er, der tote Sohn der Hexe.

 

Ja, es heißt, er sei ein Toter,

Längst verstorben, doch der Mutter,

Der Uraka, Zauberkünste

Hielten scheinbar ihn am Leben. –

 

Die verwünschten Tempeltreppen!

Daß ich stolpernd in den Abgrund

Nicht den Hals gebrochen mehrmals,

Ist mir heut noch unbegreiflich.

 

Wie die Wasserstürze kreischten!

Wie der Wind die Tannen peitschte,

Daß sie heulten! Plötzlich platzten

Auch die Wolken – schlechtes Wetter!

 

In der kleinen Fischerhütte,

An dem Lac de Gobe fanden

Wir ein Obdach und Forellen;

Diese aber schmeckten köstlich.

 

In dem Polsterstuhle lehnte,

Krank und grau, der alte Fährmann.

Seine beiden schönen Nichten,

Gleich zwei Engeln, pflegten seiner.

 

Dicke Engel, etwas flämisch,

Wie entsprungen aus dem Rahmen

Eines Rubens: goldne Locken,

Kerngesunde, klare Augen,

 

Grübchen in Zinnoberwangen,

Drin die Schalkheit heimlich kichert,

Und die Glieder stark und üppig,

Lust und Furcht zugleich erregend.

 

Hübsche, herzliche Geschöpfe,

Die sich köstlich disputierten:

Welcher Trank dem siechen Oheim

Wohl am besten munden würde?

 

Reicht die eine ihm die Schale

Mit gekochten Lindenblüten,

Dringt die andre auf ihn ein

Mit Holunderblumenaufguß.

 

»Keins von beiden will ich saufen«

Rief der Alte ungeduldig –

»Holt mir Wein, daß ich den Gästen

Einen bessern Trunk kredenze!«

 

Ob es wirklich Wein gewesen,

Was ich trank am Lac de Gobe,

Weiß ich nicht. In Braunschweig hätt ich

Wohl geglaubt, es wäre Mumme.

 

Von dem besten schwarzen Bocksfell

War der Schlauch; er stank vorzüglich.

Doch der Alte trank so freudig,

Und er ward gesund und heiter.

 

Er erzählte uns die Taten

Der Banditen und der Schmuggler,

Die da hausen, frei und frank,

In den Pyrenäenwäldern.

 

Auch von älteren Geschichten

Wußt er viele, unter andern

Auch die Kämpfe der Giganten

Mit den Bären in der Vorzeit.

 

Ja, die Riesen und die Bären

Stritten weiland um die Herrschaft

Dieser Berge, dieser Täler,

Eh' die Menschen eingewandert.

 

Bei der Menschen Ankunft flohen

Aus dem Lande fort die Riesen,

Wie verblüfft; denn wenig Hirn

Steckt in solchen großen Köpfen.

 

Auch behauptet man: die Tölpel,

Als sie an das Meer gelangten

Und gesehn, wie sich der Himmel

In der blauen Flut gespiegelt,

 

Hätten sie geglaubt, das Meer

Sei der Himmel, und sie stürzten

Sich hinein mit Gottvertrauen;

Seien sämtlich dort ersoffen.

 

Was die Bären anbeträfe,

So vertilge jetzt der Mensch

Sie allmählich, jährlich schwände

Ihre Zahl in dem Gebirge.

 

»So macht einer« – sprach der Alte –

»Platz dem andern auf der Erde.

Nach dem Untergang der Menschen

Kommt die Herrschaft an die Zwerge,

 

An die winzig klugen Leutchen,

Die im Schoß der Berge hausen,

In des Reichtums goldnen Schachten,

Emsig klaubend, emsig sammelnd.

 

Wie sie lauern aus den Löchern,

Mit den pfiffig kleinen Köpfchen,

Sah ich selber oft im Mondschein,

Und mir graute vor der Zukunft!

 

Vor der Geldmacht jener Knirpse!

Ach, ich fürchte, unsre Enkel

Werden sich wie dumme Riesen

In den Wasserhimmel flüchten!«

 

 

Caput XIII

In dem schwarzen Felsenkessel

Ruht der See, das tiefe Wasser.

Melancholisch bleiche Sterne

Schaun vom Himmel. Nacht und Stille.

 

Nacht und Stille. Ruderschläge.

Wie ein plätscherndes Geheimnis

Schwimmt der Kahn. Des Fährmanns Rolle

Übernahmen seine Nichten.

 

Rudern flink und froh. Im Dunkeln

Leuchten manchmal ihre stämmig

Nackten Arme, sternbeglänzt,

Und die großen blauen Augen.

 

Mir zur Seite sitzt Laskaro,

Wie gewöhnlich blaß und schweigsam.

Mich durchschauert der Gedanke:

Ist er wirklich nur ein Toter?

 

Bin ich etwa selbst gestorben,

Und ich schiffe jetzt hinunter,

Mit gespenstischen Gefährten,

In das kalte Reich der Schatten?

 

Dieser See, ist er des Styxes

Düstre Flut? Läßt Proserpine,

In Errnangelung des Charon,

Mich durch ihre Zofen holen?

 

Nein, ich bin noch nicht gestorben

Und erloschen – in der Seele

Glüht mir noch und jauchzt und lodert

Die lebend'ge Lebensflamme.

 

Diese Mädchen, die das Ruder

Lustig schwingen und auch manchmal

Mit dem Wasser, das herabträuft,

Mich bespritzen, lachend, schäkernd –

 

Diese frischen, drallen Dirnen

Sind fürwahr nicht geisterhafte

Kammerkatzen aus der Hölle,

Nicht die Zofen Proserpinens!

 

Daß ich ganz mich überzeuge

Ihrer Oberweltlichkeit,

Und der eignen Lebensfülle

Auch tatsächlich mich versichre,

 

Drückt ich hastig meine Lippen

Auf die roten Wangengrübchen,

Und ich machte den Vernunftschluß:

Ja, ich küsse, also leb ich!

 

Angelangt ans Ufer, küßt ich

Noch einmal die guten Mädchen;

Nur in dieser Münze ließen

Sie das Fährgeld sich bezahlen.

 

 

Caput XIV

Aus dem sonn'gen Goldgrund lachen

Violette Bergeshöhen,

Und am Abhang klebt ein Dörfchen,

Wie ein keckes Vogelnest.

 

Als ich dort hinaufklomm, fand ich,

Daß die Alten ausgeflogen

Und zurückgeblieben nur

Junge Brut, die noch nicht flügge.

 

Hübsche Bübchen, kleine Mädchen,

Fast vermummt in scharlachroten

Oder weißen wollnen Kappen;

Spielten Brautfahrt, auf dem Marktplatz.

 

Ließen sich im Spiel nicht stören,

Und ich sah, wie der verliebte

Mäuseprinz pathetisch kniete

Vor der Katzenkaiserstochter.

 

Armer Prinz! Er wird vermählt

Mit der Schönen. Mürrisch zankt sie,

Und sie beißt ihn, und sie frißt ihn;

Tote Maus, das Spiel ist aus.

 

Fast den ganzen Tag verweilt ich

Bei den Kindern, und wir schwatzten

Sehr vertraut.