Zu den Hetairien

Der Toten unten. Zu den hohen Palästen,

Davon die Bilder in dem Strome ziehen,

Zu ihren Tafeln, zu den langen Festen.

 

Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen,

Wo golden klingen vieler Leiern Saiten.

Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen,

Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten.

 

Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere,

Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang.

Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre,

Sie kriechen satt die rote Stirn entlang.

 

Ein Falter kommt die Schlucht herab. Er ruht

Auf Blumen. Und er senkt sich müd

Der Wunde zu, dem großen Kelch von Blut,

Der wie die Sammetrose dunkel glüht.

 

 

Wolken

Der Toten Geister seid ihr, die zum Flusse,

Zum überladnen Kahn der Wesenlosen

Der Bote führt. Euer Rufen hallt im Tosen

Des Sturms und in des Regens wildem Gusse.

 

Des Todes Banner wird im Zug getragen.

Des Heers carroccio führt die Wappentiere.

Und graunhaft weiß erglänzen die Paniere,

Die mit dem Saum die Horizonte schlagen.

 

Es nahen Mönche, die in Händen bergen

Die Totenlichter in den Prozessionen.

Auf Toter Schultern morsche Särge thronen.

Und Tote sitzen aufrecht in den Särgen.

 

Ertrunkene kommen. Ungeborner Leichen.

Gehenkte blaugeschnürt. Die Hungers starben

Auf Meeres fernen Inseln. Denen Narben

Des schwarzen Todes umkränzen rings die Weichen.

 

Es kommen Kinder in dem Zug der Toten,

Die eilend fliehn. Gelähmte vorwärts hasten.

Der Blinden Stäbe nach dem Pfade tasten.

Die Schatten folgen schreiend dem stummen Boten.

 

Wie sich in Windes Maul des Laubes Tanz

Hindreht, wie Eulen auf dem schwarzen Flug,

So wälzt sich schnell der ungeheure Zug,

Rot überstrahlt von großer Fackeln Glanz.

 

Auf Schädeln trommeln laut die Musikanten,

Und wie die weißen Segel blähn und knattern,

So blähn der Spieler Hemden sich und flattern.

Es fallen ein im Chore die Verbannten.

 

Das Lied braust machtvoll hin in seiner Qual,

Vor der die Herzen durch die Rippen glimmen.

Da kommt ein Haufe mit verwesten Stimmen,

Draus ragt ein hohes Kreuz zum Himmel fahl.

 

Der Kruzifixus ward einhergetragen.

Da hob der Sturm sich in der Toten Volke.

Vom Meere scholl und aus dem Schoß der Wolke

Ein nimmer endend grauenvolles Klagen.

 

Es wurde dunkel in den grauen Lüften.

Es kam der Tod mit ungeheuren Schwingen.

Es wurde Nacht, da noch die Wolken gingen

Dem Orkus zu, den ungeheuren Grüften.

 

Berlin 1

Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,

War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge

Unzählig: Menschenströme und Gedränge,

Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.

 

Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,

Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.

Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.

Automobile, Rauch und Huppenklänge.

 

Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn

Wir an der langen Straße Baum an Baum,

Der blätterlosen Kronen Filigran.

 

Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum

Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.

Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum.

 

 

Berlin 2

Beteerte Fässer rollten von den Schwellen

Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.

Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne

Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.

 

Zwei Dampfer kamen mit Musikkapellen.

Den Schornstein kappten sie am Brückenbogen.

Rauch, Ruß, Gestank lag auf den schmutzigen Wogen

Der Gerbereien mit den braunen Fellen.

 

In allen Brücken, drunter uns die Zille

Hindurchgebracht, ertönten die Signale

Gleichwie in Trommeln wachsend in der Stille.

 

Wir ließen los und trieben im Kanale

An Gärten langsam hin. In dem Idylle

Sahn wir der Riesenschlote Nachtfanale.

 

 

April

Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,

Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.

Zwei große Krähen flattern aufgescheucht

Zu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.

 

Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,

So ruhn die Berge hinten in dem Blau,

Auf die ein feiner Regen niedergeht,

Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau.

 

 

Styx

1.

Die Nebel graun, die keinem Winde weichen.

Die giftigen Dünste schwängern weit das Tal.

Ein blasses Licht scheint in der Toten Reichen,

Wie eines Totenkopfes Auge fahl.

 

Entsetzlich wälzt sich hin der Phlegeton.

Wie tausend Niagaras hallt sein Brüllen.

Die Klüfte wanken von den Schreien schon,

Die im Orkan die Feuerfluten füllen.

 

Sie glühn von Qualen weiß. Wie Steine rollen

Den Fluß herab sie in der trüben Glut,

Wie des geborstenen Eises Riesenschollen

So schmettert ihre Leiber hin die Flut.

 

Sie reiten aufeinander nackt und wild,

Von Zorn und Wollust aufgebläht wie Schwämme.

Ein höllischer Choral im Takte schwillt

Vom Grunde auf bis zu dem Kamm der Dämme.

 

Auf einem fetten Greise rittlings reitet

Ein nacktes Weib mit schwarzem Flatterhaar.

Und ihren Schoß und ihre Brüste breitet

Sie lüstern aus vor der Verdammten Schar.

 

Da brüllt der Chor in aufgepeitschter Lust.

Das Echo rollt im roten Katarakt.

Ein riesiger Neger steigt herauf und packt

Den weißen Leib an seine schwarze Brust.

 

Unzählige Augen sehn den Kampf und trinken

Den Rausch der Gier. Er braust durch das Gewühl,

Da in dem Strom die Liebenden versinken,

Den Göttern gleich im heißen Purpurpfühl.

2.

 

Des Himmels ewiger Schläfrigkeit entflohen,

Den Spinneweben, die der Cherubim

Erhobene Nasen schon wie Efeu decken,

Dem milden Frieden, der wie Öl so fett,

Ein Bettler, lungert in den Ecken faul,

Dem Tabaksdunst aus den Pastorenpfeifen,

Der Trinität, die bei den Lobgesängen

Von alten Tanten auf dem Sofa schläft,

Dem ganzen großen Armenhospital,

– Verdammten selbst wir uns und kamen her

Auf dieser Insel weite Ödigkeit,

Die wie ein Bootskiel in den Wellen steht,

Um bis zum Ende aller Ewigkeit

Dem ungeheuren Strome zuzuschaun.

 

Die Ruhigen

Ernst Balcke gewidmet

 

Ein altes Boot, das in dem stillen Hafen

Am Nachmittag an seiner Kette wiegt.

Die Liebenden, die nach den Küssen schlafen.

Ein Stein, der tief im grünen Brunnen liegt.

 

Der Pythia Ruhen, das dem Schlummer gleicht

Der hohen Götter nach dem langen Mahl.

Die weiße Kerze, die den Toten bleicht.

Der Wolken Löwenhäupter um ein Tal.

 

Das Stein gewordene Lächeln eines Blöden.

Verstaubte Krüge, drin noch wohnt der Duft.

Zerbrochne Geigen in dem Kram der Böden.

Vor dem Gewittersturm die träge Luft.

 

Ein Segel, das vom Horizonte glänzt.

Der Duft der Heiden, der die Bienen führt.

Des Herbstes Gold, das Laub und Stamm bekränzt.

Der Dichter, der des Toren Bosheit spürt.

 

 

Bist du nun tot ...

Bist du nun tot? Da hebt die Brust sich noch,

Es war ein Schatten, der darüber fegt,

Der in der ungewissen Dämmrung kroch

Vom Vorhang, der im Nachtwind Falten schlägt.

 

Wie ist dein Kehlkopf blau, draus ächzend fuhr

Dein leises Stöhnen von der Hände Druck.

Das ist der Würgemale tiefe Spur,

Du nimmst ins Grab sie nun als letzten Schmuck.

 

Die weißen Brüste schimmern hoch empor,

Indes dein stummes Haupt nach hinten sank,

Das aus dem Haar den Silberkamm verlor.

Bist du das, die ich einst so heiß umschlang?

 

Bin ich denn der, der einst bei dir geruht

Vor Liebe toll und bittrer Leidenschaft,

Der in dich sank wie in ein Meer von Glut

Und deine Brüste trank wie Traubensaft?

 

Bin ich denn der, der so voll Zorn gebrannt

Wie einer Höllenfackel Göttlichkeit,

Und deine Kehle wie im Rausch umspannt,

In Hasses ungeheurer Freudigkeit?

 

Ist das nicht alles nur ein wüster Traum?

Ich bin so ruhig und so fern der Gier.

Die fernen Glocken zittern in dem Raum,

Es ist so still wie in den Kirchen hier.

 

Wie ist das alles fremd und sonderbar?

Wo bist du nun? Was gibst du Antwort nicht?

– Ihr nackter Leib ist kalt und eisesklar

Im blassen Schein vom blauen Ampellicht. –

 

Was ließ sie alles auch so stumm geschehn.

Sie wird mir furchtbar, wenn so stumm sie liegt.

O wäre nur ein Tropfen Bluts zu sehn.

Was ist das, hat sie ihren Kopf gewiegt?

 

Ich will hier fort. – Er stürzt aus dem Gemach.

Der Nachtwind, der im Haar der Toten zischt,

Löst leis es auf. Es weht dem Winde nach,

Gleich schwarzer Flamme, die im Sturm verlischt.

 

 

Der Baum

Am Wassergraben, im Wiesenland

Steht ein Eichbaum, alt und zerrissen.

Vom Blitze hohl, und vom Sturm zerbissen.

Nesseln und Dorn umstehn ihn in schwarzer Wand.

 

Ein Wetter zieht sich gen Abend zusammen.

In die Schwüle ragt er hinauf, blau, vom Wind nicht gerührt.

Von der leeren Blitze Gekränz umschnürt,

Die lautlos über den Himmel flammen.

 

Ihn umflattert der Schwalben niedriger Schwarm.

Und die Fledermäuse huschenden Flugs,

Um den kahlen Ast, der zuhöchst entwuchs

Blitzverbrannt seinem Haupt, eines Galgens Arm.

 

Woran denkst du, Baum, in der Wetterstunde

Am Rande der Nacht? An der Schnitter Gered,

In der Mittagsrast, wenn der Krug umgeht,

Und die Sensen im Grase ruhn in der Runde?

 

Oder denkst du daran, wie in alter Zeit

Einen Mann sie in deine Krone gehenkt,

Wie, den Strick um den Hals, er die Beine verrenkt,

Und die Zunge blau hing aus dem Maule breit?

 

Wie er da Jahre hing, und den Winter trug,

In dem eisigen Winde tanzte zum Spaß,

Und wie ein Glockenklöppel, den Rost zerfraß,

An den zinnernen Himmel schlug.

 

 

Louis Capet

Die Trommeln schallen am Schafott im Kreis,

Das wie ein Sarg steht, schwarz mit Tuch verschlagen.

Darauf steht der Block. Dabei der offene Schragen

Für seinen Leib. Das Fallbeil glitzert weiß.

 

Von vollen Dächern flattern rot Standarten.

Die Rufer schrein der Fensterplätze Preis.

Im Winter ist es. Doch dem Volk wird heiß,

Es drängt sich murrend vor. Man läßt es warten.

 

Da hört man Lärm. Er steigt. Das Schreien braust.

Auf seinem Karren kommt Capet, bedreckt,

Mit Kot beworfen, und das Haar zerzaust.

 

Man schleift ihn schnell herauf. Er wird gestreckt.

Der Kopf liegt auf dem Block. Das Fallbeil saust.

Blut speit sein Hals, der fest im Loche steckt.

 

 

Robespierre

Er meckert vor sich hin. Die Augen starren

Ins Wagenstroh. Der Mund kaut weißen Schleim.

Er zieht ihn schluckend durch die Backen ein.

Sein Fuß hängt nackt heraus durch zwei der Sparren.

 

Bei jedem Wagenstoß fliegt er nach oben.

Der Arme Ketten rasseln dann wie Schellen.

Man hört der Kinder frohes Lachen gellen,

Die ihre Mütter aus der Menge hoben.

 

Man kitzelt ihn am Bein, er merkt es nicht.

Da hält der Wagen. Er sieht auf und schaut

Am Straßenende schwarz das Hochgericht.

 

Die aschengraue Stirn wird schweißbetaut.

Der Mund verzerrt sich furchtbar im Gesicht.

Man harrt des Schreis. Doch hört man keinen Laut.

 

 

Fronleichnamsprozession

O weites Land des Sommers und der Winde,

Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten.

Wo goldener Weizen reift und die Gebinde

Des gelben Roggens trocknen in den Mieten.

 

Die Erde dämmert von den Düften allen,

Von grünen Winden und des Mohnes Farben,

Des schwere Köpfe auf den Stielen fallen

Und weithin brennen aus den hohen Garben.

 

Des Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen,

Wo helle Wellen weiße Kiesel feuchten.

Die Wassergräser werden fortgezogen,

Die in der Sonne aus dem Bache leuchten.

 

Die Brücke schwankt herauf die erste Fahne.

Sie flammt von Gold und Rot.