Man läßt es warten.

 

Da hört man Lärm. Er steigt. Das Schreien braust.

Auf seinem Karren kommt Capet, bedreckt,

Mit Kot beworfen, und das Haar zerzaust.

 

Man schleift ihn schnell herauf. Er wird gestreckt.

Der Kopf liegt auf dem Block. Das Fallbeil saust.

Blut speit sein Hals, der fest im Loche steckt.

 

 

Robespierre

Er meckert vor sich hin. Die Augen starren

Ins Wagenstroh. Der Mund kaut weißen Schleim.

Er zieht ihn schluckend durch die Backen ein.

Sein Fuß hängt nackt heraus durch zwei der Sparren.

 

Bei jedem Wagenstoß fliegt er nach oben.

Der Arme Ketten rasseln dann wie Schellen.

Man hört der Kinder frohes Lachen gellen,

Die ihre Mütter aus der Menge hoben.

 

Man kitzelt ihn am Bein, er merkt es nicht.

Da hält der Wagen. Er sieht auf und schaut

Am Straßenende schwarz das Hochgericht.

 

Die aschengraue Stirn wird schweißbetaut.

Der Mund verzerrt sich furchtbar im Gesicht.

Man harrt des Schreis. Doch hört man keinen Laut.

 

 

Fronleichnamsprozession

O weites Land des Sommers und der Winde,

Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten.

Wo goldener Weizen reift und die Gebinde

Des gelben Roggens trocknen in den Mieten.

 

Die Erde dämmert von den Düften allen,

Von grünen Winden und des Mohnes Farben,

Des schwere Köpfe auf den Stielen fallen

Und weithin brennen aus den hohen Garben.

 

Des Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen,

Wo helle Wellen weiße Kiesel feuchten.

Die Wassergräser werden fortgezogen,

Die in der Sonne aus dem Bache leuchten.

 

Die Brücke schwankt herauf die erste Fahne.

Sie flammt von Gold und Rot. Die Seidenquasten

Zu beiden Seiten halten Kastellane

Im alten Chorrock, dem von Staub verblaßten.

 

Man hört Gesang. Die jungen Priester kommen.

Barhäuptig gehen sie vor den Prälaten.

Zu Flöten schallt der Meßgesang. Die frommen

Und alten Lieder wandern durch die Saaten.

 

In weißen Kleidchen kommen Kinder singend.

Sie tragen kleine Kränze in den Haaren.

Und Knaben, runde Weihrauchkessel schwingend,

Im Spitzenrock und roten Festtalaren.

 

Die Kirchenbilder kommen auf Altären.

Mariens Wunden brennen hell im Licht.

Und Christus naht, von Blumen bunt, die wehren

Die Sonne von dem gelben Holzgesicht.

 

Im Baldachine glänzt des Bischofs Krone.

Er schreitet singend mit dem heiligen Schrein.

Der hohe Stimmenschall der Diakone

Fliegt weit hinaus durch Land und Felderreihn.

 

Der Truhen Glanz weht um die alte Tracht.

Die Kessel dampfen, drin die Kräuter kohlen.

Sie ziehen durch der weiten Felder Pracht,

Und matter glänzen die vergilbten Stolen.

 

Der Zug wird kleiner. Der Gesang verhallt.

Sie ziehn dahin, dem grünen Wald entgegen.

Er tut sich auf. Der Glanz verzieht im Wald,

Wo goldne Stille träumt auf dunklen Wegen.

 

Der Mittag kommt. Es schläft das weite Land,

Die tiefen Wege, wo die Schwalbe schweift,

Und eine Mühle steht am Himmelsrand,

Die ewig nach den weißen Wolken greift.

 

 

Laubenfest

Schon hängen die Lampions wie bunte Trauben

An langen Schnüren über kleinen Beeten,

Den grünen Zäunen, und von den Staketen

Der hohen Bohnen leuchtend in die Lauben.

 

Gesumm von Stimmen auf den schmalen Wegen.

Musik von Trommeln und von Blechtrompeten.

Es steigen auf die ersten der Raketen,

Und platzen oben in den Silberregen.

 

Um einen Maibaum dreht sich Paar um Paar

Zu eines Geigers hölzernem Gestreich,

Um den mit Ehrfurcht steht die Kinderschar.

 

Im blauen Abend steht Gewölke weit,

Delphinen mit den rosa Flossen gleich,

Die schlafen in der Meere Einsamkeit.

 

 

Gegen Norden

Die braunen Segel blähen an den Trossen,

Die Kähne furchen silbergrau das Meer.

Der Borde schwarze Netze hangen schwer

Von Schuppenleibern und von roten Flossen.

 

Sie kehren heim zum Kai, wo raucht die Stadt

In trübem Dunst und naher Finsternis.

Der Häuser Lichter schwimmen ungewiß

Wie rote Flecken, breit, im dunklen Watt.

 

Fern ruht des Meeres Platte wie ein Stein

Im blauen Ost. Von Tages Stirne sinkt

Der Kranz des roten Laubes, da er trinkt,

Zur Flut gekniet, von ihrem weißen Schein.

 

Es zittert Goldgewölke in den Weiten

Vom Glanz der Bernsteinwaldung, die enttaucht,

Verlorner Tiefe, wenn die Dämmerung raucht,

In die sich gelb die langen Äste breiten.

 

Versunkne Schiffer hängen in den Zweigen.

Ihr langes Haar schwimmt auf der See wie Tang.

Die Sterne, die dem Grün der Nacht entsteigen,

Beginnen frierend ihren Wandergang.

 

Die Tote im Wasser

Die Masten ragen an dem grauen Wall

Wie ein verbrannter Wald ins frühe Rot,

So schwarz wie Schlacke. Wo das Wasser tot

Zu Speichern stiert, die morsch und im Verfall.

 

Dumpf tönt der Schall, da wiederkehrt die Flut,

Den Kai entlang. Der Stadtnacht Spülicht treibt

Wie eine weiße Haut im Strom und reibt

Sich an dem Dampfer, der im Docke ruht.

 

Staub, Obst, Papier, in einer dicken Schicht,

So treibt der Kot aus seinen Röhren ganz.

Ein weißes Tanzkleid kommt, in fettem Glanz

Ein nackter Hals und bleiweiß ein Gesicht.

 

Die Leiche wälzt sich ganz heraus. Es bläht

Das Kleid sich wie ein weißes Schiff im Wind.

Die toten Augen starren groß und blind

Zum Himmel, der voll rosa Wolken steht.

 

Das lila Wasser bebt von kleiner Welle.

– Der Wasserratten Fährte, die bemannen

Das weiße Schiff. Nun treibt es stolz von dannen,

Voll grauer Köpfe und voll schwarzer Felle.

 

Die Tote segelt froh hinaus, gerissen

Von Wind und Flut. Ihr dicker Bauch entragt

Dem Wasser groß, zerhöhlt und fast zernagt.

Wie eine Grotte dröhnt er von den Bissen.

 

Sie treibt ins Meer. Ihr salutiert Neptun

Von einem Wrack, da sie das Meer verschlingt,

Darinnen sie zur grünen Tiefe sinkt,

Im Arm der feisten Kraken auszuruhn.

 

 

Die Gefangenen 1

Sie trampeln um den Hof im engen Kreis.

Ihr Blick schweift hin und her im kahlen Raum.

Er sucht nach einem Feld, nach einem Baum,

Und prallt zurück von kahler Mauern Weiß.

 

Wie in den Mühlen dreht der Rädergang,

So dreht sich ihrer Schritte schwarze Spur.

Und wie ein Schädel mit der Mönchstonsur,

So liegt des Hofes Mitte kahl und blank.

 

Es regnet dünn auf ihren kurzen Rock.

Sie schaun betrübt die graue Wand empor,

Wo kleine Fenster sind, mit Kasten vor,

Wie schwarze Waben in dem Bienenstock.

 

Man treibt sie ein, wie Schafe zu der Schur.

Die grauen Rücken drängen in den Stall.

Und klappernd schallt heraus der Widerhall

Der Holzpantoffeln auf dem Treppenflur.

 

 

Nach der Schlacht

In Maiensaaten liegen eng die Leichen,

Im grünen Rain, auf Blumen, ihren Betten.

Verlorne Waffen, Räder ohne Speichen,

Und umgestürzt die eisernen Lafetten.

 

Aus vielen Pfützen dampft des Blutes Rauch,

Die schwarz und rot den braunen Feldweg decken.

Und weißlich quillt der toten Pferde Bauch,

Die ihre Beine in die Frühe strecken.

 

Im kühlen Winde friert noch das Gewimmer

Von Sterbenden, da in des Osten Tore

Ein blasser Glanz erscheint, ein grüner Schimmer,

Das dünne Band der flüchtigen Aurore.

 

 

Gruft 1

Die in der großen Gruft des Todes ruhen,

Wie schlafen sie so stumm im hohlen Sarg.

Des Todes Auge schaut auf stumme Truhen

Aus schwarzem Marmorhaupte hohl und karg.

 

Sein dunkler Mantel starrt von Staub und Spinnen.

Vor alters schlossen sie der Toten Gruft.

Vergessen wohnen sie. Die Jahre rinnen

Ein unbewegter Strom in dumpfer Luft.

 

Nach Weihrauch duftet es und morschen Kränzen,

Von trocknen Salben ist die Luft beschwert.

Und in geborstnen Särgen schwimmt das Glänzen

Der Totenkleider, dran Verwesung zehrt.

 

Aus einer Fuge hängt die schmale Hand

Von einem Kind, wie Wachs so weiß und kalt,

Die, balsamiert, sich um das Sammetband

Der schon in Staub zerfallnen Blumen krallt.

 

Durch kleine Fenster hoch im Dunkel oben

Verirrt sich gelb des Winterabends Schein.

Sein schmales Band, mit blassem Staub verwoben,

Ruht auf der Sarkophage grauem Stein.

 

Der Wind zerschlägt ein Fenster. Aus den Händen

Nimmt er der Toten dürre Kränze fort

Und treibt sie vor sich hin an hohen Wänden,

In ewigen Schatten weit und dunklen Ort.

 

 

Die Vorstadt

In ihrem Viertel, in dem Gassenkot,

Wo sich der große Mond durch Dünste drängt,

Und sinkend an dem niedern Himmel hängt,

Ein ungeheurer Schädel, weiß und tot,

 

Da sitzen sie die warme Sommernacht

Vor ihrer Höhlen schwarzer Unterwelt,

Im Lumpenzeuge, das vor Staub zerfällt

Und aufgeblähte Leiber sehen macht.

 

Hier klafft ein Maul, das zahnlos auf sich reißt.

Hier hebt sich zweier Arme schwarzer Stumpf.

Ein Irrer lallt die hohlen Lieder dumpf,

Wo hockt ein Greis, des Schädel Aussatz weißt.

 

Es spielen Kinder, denen früh man brach

Die Gliederchen. Sie springen an den Krücken

Wie Flöhe weit und humpeln voll Entzücken

Um einen Pfennig einem Fremden nach.

 

Aus einem Keller kommt ein Fischgeruch,

Wo Bettler starren auf die Gräten böse.

Sie füttern einen Blinden mit Gekröse.

Er speit es auf das schwarze Hemdentuch.

 

Bei alten Weibern löschen ihre Lust

Die Greise unten, trüb im Lampenschimmer,

Aus morschen Wiegen schallt das Schreien immer

Der magren Kinder nach der welken Brust.

 

Ein Blinder dreht auf schwarzem, großem Bette

Den Leierkasten zu der Carmagnole,

Die tanzt ein Lahmer mit verbundener Sohle.

Hell klappert in der Hand die Kastagnette.

 

Uraltes Volk schwankt aus den tiefen Löchern,

An ihre Stirn Laternen vorgebunden.

Bergmännern gleich, die alten Vagabunden.

Um einen Stock die Hände, dürr und knöchern.

 

Auf Morgen geht's. Die hellen Glöckchen wimmern

Zur Armesündermette durch die Nacht.

Ein Tor geht auf. In seinem Dunkel schimmern

Eunuchenköpfe, faltig und verwacht.

 

Vor steilen Stufen schwankt des Wirtes Fahne,

Ein Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen.

Man sieht die Schläfer ruhn, wo sie gebrochen

Um sich herum die höllischen Arkane.

 

Am Mauertor, in Krüppeleitelkeit

Bläht sich ein Zwerg in rotem Seidenrocke,

Er schaut hinauf zur grünen Himmelsglocke,

Wo lautlos ziehn die Meteore weit.

 

 

Der Abend

Versunken ist der Tag in Purpurrot,

Der Strom schwimmt weiß in ungeheurer Glätte.

Ein Segel kommt. Es hebt sich aus dem Boot

Am Steuer groß des Schiffers Silhouette.

 

Auf allen Inseln steigt des Herbstes Wald

Mit roten Häuptern in den Raum, den klaren.

Und aus der Schluchten dunkler Tiefe hallt

Der Waldung Ton, wie Rauschen der Kitharen.

 

Das Dunkel ist im Osten ausgegossen,

Wie blauer Wein kommt aus gestürzter Urne.

Und ferne steht, vom Mantel schwarz umflossen,

Die hohe Nacht auf schattigem Kothurne.

 

 

Herbst

Die Faune treten aus den Wäldern alle

Des Herbstes Chor. Ein ungeheurer Kranz.

Die Hände haltend, springen sie zum Schalle

Der Widderhörner froh zu Tal im Tanz.

 

Der Lenden Felle schüttern von dem Sturze,

Die weiß und schwarz wie Ziegenvlies gefleckt.

Der starke Nacken stößt empor das kurze

Gehörn, das sich aus rotem Weinlaub streckt.

 

Die Hufe schallen, die vom Horne starken.

Den Thyrsus haun sie auf die Felsen laut.

Der Paian tönt in die besonnten Marken,

Der Brustkorb bläht mit zottig schwarzer Haut

 

Des Waldes Tiere fliehen vor dem Lärme

In Scharen flüchtig her und langem Sprung.

Um ihre Stirnen fliegen Falterschwärme,

Berauscht von ihrer Kränze Duft und Trunk.

 

Sie nahn dem Bache der von Schilf umzogen

Durch Wiesen rauscht. Das Röhricht läßt sie ein.

Sie springen mit den Hufen in die Wogen

Und baden sich vom Schlamm der Wälder rein.

 

Das Schilfrohr tönt vom Munde der Dryaden,

Die auf den Weiden wohnen im Geäst.

Sie schaun herauf Ihr Rücken glänzt vom Baden

Wie Leder braun und wie von Öl genäßt.

 

Sie brüllen wild und langen nach den Zweigen.

Ihr Glied treibt auf, von ihrer Gier geschwellt.

Die Elfen fliegen fort, wo noch das Schweigen

Des Mittagstraums auf goldnen Höhen hält.

 

 

Der Tag

Palmyras Tempelstaub bläst auf der Wind,

Der durch die Hallen säuselt in der Zeit

Des leeren Mittags, wo die Sonne weit

Im Blauen rast.