Und wieder droht und schweigt

 

Verhängnis dieses Tags. Ein weißer Ball,

Die erste der Granaten. Und es steigt

Der Sturm herauf des zweiten Prairial.

 

 

Das Fieberspital

1.

Die bleiche Leinwand in den vielen Betten

Verschwimmt in kahler Wand im Krankensaal.

Die Krankheiten alle, dünne Marionetten,

Spazieren in den Gängen. Eine Zahl

 

Hat jeder Kranke. Und mit weißer Kreide

Sind seine Qualen sauber aufnotiert.

Das Fieber donnert. Ihre Eingeweide

Brennen wie Berge. Und ihr Auge stiert

 

Zur Decke auf, wo ein paar große Spinnen

Aus ihrem Bauche lange Fäden ziehn.

Sie sitzen auf in ihrem kalten Linnen

Und ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.

 

Sie beißen auf die Nägel ihrer Hand.

Die Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht,

Sind wie ein graugefurchtes Ackerland,

Auf dem des Todes großes Frührot blüht.

 

Sie strecken ihre weißen Arme vor,

Vor Kälte zitternd und vor Grauen stumm.

Schon wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr

In ungeheurem Wirbel schnell herum.

 

Dann gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,

Und aus der weißgetünchten Mauerwand

Streckt sich ein Arm. Um ihre Kehle ballt

Sich langsam eine harte Knochenhand.

2.

 

Des Abends Trauer sinkt. Sie hocken stumpf

In ihrer Kissen Schatten. Und herein

Kriecht Wassernebel kalt. Sie hören dumpf

Durch ihren Saal der Qualen Litanein.

 

Das Fieber kriecht in ihren Lagern um,

Langsam, ein großer, gelblicher Polyp.

Sie schaun ihm zu, von dem Entsetzen stumm.

Und ihre Augen werden weiß und trüb.

 

Die Sonne quält sich auf dem Rand der Nacht.

Sie blähn die Nasen. Es wird furchtbar heiß.

Ein großes Feuer hat sie angefacht,

Wie eine Blase schwankt ihr roter Kreis.

 

Auf ihrem Dache sitzt ein Mann im Stuhl

Und droht den Kranken mit dem Eisenstab.

Darunter schaufeln in dem heißen Pfuhl

Die Nigger schon ihr tiefes, weißes Grab.

 

Die Leichenträger gehen durch die Reihen

Und reißen schnell die Toten aus dem Bett.

Die andern drehn sich nach der Wand mit Schreien

Der Angst, der Toten gräßlichem Valet.

 

Moskitos summen. Und die Luft beginnt

Vor Glut zu schmelzen. Wie ein roter Kropf

Schwillt auf ihr Hals, darinnen Lava rinnt.

Und wie ein Ball von Feuer dröhnt ihr Kopf.

 

Sie machen sich von ihren Hemden los

Und ihren Decken, die sie naß umziehn.

Ihr magrer Leib, bis auf den Nabel bloß,

Wiegt hin und her im Takt der Phantasien.

 

Das Floß des Todes steuert durch die Nacht

Heran durch Meere Schlamms und dunkles Moor.

Sie hören bang, wie seine Stange kracht

Lauthallend unten am Barackentor.

 

Zu einem Bette kommt das Sakrament.

Der Priester salbt dem Kranken Stirn und Mund.

Der Gaumen, der wie rotes Feuer brennt,

Würgt mühsam die Oblate in den Schlund.

 

Die Kranken horchen auf der Lagerstatt

Wie Kröten, von dem Lichte rot gefleckt.

Die Betten sind wie eine große Stadt,

Die eines schwarzen Himmels Rätsel deckt.

 

Der Priester singt. In grauser Parodie

Krähn sie die Worte nach in dem Gebet.

Sie lachen laut, die Freude schüttelt sie.

Sie halten sich den Bauch, den Lachen bläht.

 

Der Priester kniet sich an der Bettstatt Rand.

In das Brevier taucht er die Schultern ein.

Der Kranke setzt sich auf. In seiner Hand

Dreht er im Kreise einen spitzen Stein.

 

Er schwingt ihn hoch, haut zu. Ein breiter Riß

Klafft auf des Priesters Kopf, der rückwärts fällt.

Und es erfriert sein Schrei auf dem Gebiß,

Das er im Tode weit noch offen hält.

 

Die Schläfer

Jakob van Hoddis gewidmet

 

Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,

Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal

Am schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos

Die Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,

 

Mit grünem Fittich auf der dunklen Flut

Flattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,

Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,

Den Kopf von einem Greise gelb und tot.

 

Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau.

Die Träume wandern wie ein lila Hauch

Um seine Schwinge, wie ein blasser Tau.

In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.

 

Die großen Bäume wandern durch die Nacht

Mit langem Schatten, der hinüber läuft

Ins weiße Herz der Schläfer, die bewacht

Der kalte Mond, der seine Gifte träuft

 

Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.

Sie liegen fremd einander, stumm, im Haß

Der dunklen Träume, in verborgner Wut.

Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.

 

Der Baum von Schatten klammert um ihr Herz

Und senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor

Und saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.

Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor

 

Der blinden Stille. In die Zweige fliegt

Der Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift

Die schwere Nacht, die auf den Schläfern liegt

Und ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.

 

Er singt. Ein Ton von krankem Violett

Stößt an den Raum. Der Tod geht. Manches Haar

Streicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,

So malt er seine Frucht im welken Jahr.

 

 

Die Dämonen der Städte

Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,

Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.

Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn

Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.

 

Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer

Und löscht der Straßen Lichterreihen aus.

Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer

Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus.

 

Den einen Fuß auf einen Platz gestellt,

Den anderen gekniet auf einen Turm,

Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt,

Panspfeifen blasend in den Wolkensturm.

 

Um ihre Füße kreist das Ritornell

Des Städtemeers mit trauriger Musik,

Ein großes Sterbelied. Bald dumpf, bald grell

Wechselt der Ton, der in das Dunkel stieg.

 

Sie wandern an dem Strom, der schwarz und breit

Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt

Von den Laternen, in die Dunkelheit

Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt.

 

Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand

Und stecken ihre Hände in den Schwarm

Der Menschen aus, wie Faune, die am Rand

Der Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm.

 

Einer steht auf. Dem weißen Monde hängt

Er eine schwarze Larve vor. Die Nacht,

Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt,

Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht.

 

Der Städte Schultern knacken. Und es birst

Ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt.

Breitbeinig sitzen sie auf seinem First

Und schrein wie Katzen auf zum Firmament.

 

In einer Stube voll von Finsternissen

Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn.

Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen,

Um den herum die großen Teufel stehn.

 

Sie hält sich zitternd an der Wehebank.

Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei,

Da kommt die Frucht.