Ausgewählte Gedichte

Jacobi, Johann Georg

Ausgewählte Gedichte

 

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Johann Georg Jacobi

Ausgewählte Gedichte

 

An Gleim

Du winkest mir vom Helikon,

Von jenen schattenreichen Höhen,

Die deinen Freund Anakreon,

Und dich im ew'gen Lorber sehn?

Du willst, ich soll auf Wegen gehen,

Noch deutschen Sängern nicht bekannt,

Die ungesucht Chapelle fand?

In seinen Hain soll ich mich wagen?

Wo Liebesgötter schalkhaft ihn

Umhüpfen, sich einander jagen,

Ihm mit possierlichem Bemühn

Erfrischend Eis zum Weine tragen,

Und selbst von seinem Weine glühn;

Wo Lauben, welche nie verblühn,

Ein ihm getreues Chor empfingen;

Wo den vertrauten Bachaumont,

Wo ihren Liebling Pavillon,

Die Scherze Hand in Hand umringen,

Und bey der Huldgöttin Bouillon

La Fare noch und Chaulieu singen?

O heil'ger, schauervoller Hain,

Verehrungswerthe, große Namen!

Ich, Freund, ich soll ihr Schüler seyn?

Umsonst wünsch' ich, sie nachzuahmen,

Sie, die von Vorurtheilen frey,

Der einzigen Natur getreu,

Zu Lust und Liedern sich verbanden,

Im Epikur den Weisen fanden,

Und, geitzig auf die schnelle Zeit,

Im Tempel halbe Tage zechten,

Und lachend, ohne Bitterkeit,

Sich an dem Schwarm der Thoren rächten;

Die, durch Geschäfte nie gestört,

In ihrer frohen Muße blieben,

Mehr liebenswürdig, als gelehrt,

Für Mädchen nur und Freunde schrieben;

Und, wenn sie gleich nicht Wochen lang

Bey dem, was ihre Muse sang,

Von künft'gem Ruhme voll, verweilten,

Und jedes Liedchen mühsam feilten,

Doch in der Dichter erstem Rang,

Bey schimmernder Pokale Klang,

Der Ewigkeit entgegen eilten.

 

Freund, ihrer Lieder Harmonie

Soll immer meinen Geist entzücken,

In trüben Tagen mich beglücken,

Mich Weisheit lehren sollen sie.

Wenn Gresset, statt der Lorberblätter,

Mit Rosen seine Schläfe ziert1,

Im Wagen kleiner Liebesgötter

Die Tugend uns entgegen führt2,

Und fern von weiten Marmorgängen,

Wo Schmeichler sich mit Thoren drängen,

Den Ton der Hoheit3, den Pallast,

Und schwere goldne Ketten haßt:

Dann folg' ich unter seine Linden

Dem Sänger, dort das Glück zu finden,

Das auf dem sichern Rasen thront,

Selbst herrscht, und keinem Fürsten frohnt.

 

Allein, o Freund! ihm nachzusingen,

Tief in das Heiligthum zu dringen,

Wo Priester mit geweihter Hand

Den Grazien ihr Opfer bringen,

Dieß hat kein Gott mir zuerkannt!

Ich will, von dir allein genannt,

Im Thal des Helikons mich freuen,

Und da geheimen Weihrauch streuen,

Und da der Freundschaft Glück erhöhn.

O! schöner ist kein Glück auf Erden,

Als das, von Gleim geliebt zu werden:

Der Nachruhm selbst ist nicht so schön!

Fußnoten

 

1 – les roses sont lauriers.

 

2 – la verlu dans le char des amours.

 

3 Loin – – des hauts tons de la grandeur.

Cresset.

 

 

Gleim an Jacobi

In meinem kleinen Sans Souci,

O liebster Freund, besuche mich!

In seinem großen Sans Souci

Ist unser Cäsar Friederich,

Mit seiner reichen Politik,

Mit seiner lieblichen Musik,

Mit seiner gründlichen Kritik

Und Taktik und Metaphysik,

So glücklich lange nicht, als ich

Mit meiner armen Poesie

In meinem kleinen Sans Souci.

 

Klein ist es, größer könnt' es seyn.

Auch meine Kämmerchen sind klein;

Zwey Musen, Amor, ich und Du,

Mehr, wahrlich! gehen nicht hinein;

Doch, sehn wir uns darin allein,

So schließen wir die Thüren zu,

Und lassen keinen mehr hinein!

Wozu sollt' es denn größer seyn?

Das große Sans Souci gönn' ich

Von Herzen meinem Friederich.

Ihm folgen allenthalben Haufen

Von königlichen Sorgen nach;

Ins Kabinet, ins Schlafgemach

Wird nachgeritten, nachgelaufen;

Geruhig unter seinem Dach

Läßt Eichel1 ihn nicht Einen Tag;

Couriere kommen angeflogen,

Er liest, ein großes Wetter dräut,

Beweise geben zwanzig Bogen

Voll schändlicher Treulosigkeit.

 

Verbunden wider einen Weisen

Sieht er um sich die ganze Welt;

Er sinnt, beschließet, ist ein Held;

Die Götter und die Menschen preisen

Den Philosophen und den Held,

Und wer ihn stürzen wollte, fällt.

 

Allein, was hat er von der Ehre,

Daß er ein Fels im Meere war?

Daß er die rasende Megäre

Zurück in ihre Hölle zwang,

Und sie mit Ketten feste band,

Und sein geliebtes Vaterland

Errettete vom Untergang?

Was hat der Held von dieser Ehre,

Von dieser täglichen Gefahr?

Im fünften und im sechsten Jahr

Von diesen zwanzig großen Siegen?

 

O, liebster Freund! ich schwör' es Dir:

Bist Du mit Deiner Muse hier

In meinem Sans Souci bey mir;

Von meinem täglichen Vergnügen

Geb' ich ihm keinen Tag dafür!

Fußnoten

 

1 Geheimer Kabinetsrath des Königs.

 

 

Antwort

Ja, Freund! in Deinem Sans Souci,

Wo, bey der Musen Harmonie,

Die finstere Philosophie,

An Lied und Scherz und Kuß gewöhnet,

Mit Huldgöttinnen sich versöhnet,

Wo neben Dir Dein Amor sitzt,

Und spielend einen Plato schnitzt1,

Da lassen Dich erhabne Freuden

Kein fürstlich Sans Souci beneiden;

Da ruft den ungetäuschten Blick

Von der Paläste stolzen Mauern

Die Weisheit freundschaftlich zurück,

Und lehrt Dich, Könige bedauern.

Sie scherzen nicht mit uns im Hain,

Sie ladet nicht der Rasen ein;

Kaum sehen sie das Veilchen blühen,

Die Sonne hinter Bergen glühen,

Den Hügel, den Aurora malt,

Und wie der Mond auf Teiche stralt.

Kein Vogel singt für sie Gesänge;

Die kleine Philomele schweigt,

Wenn sich in rauschendem Gepränge

Der Herr von ihren Wäldern zeigt.

Mit unterbrochnen Tönen steigt

Die Lerche, wo der Frohsinn weicht,

Und bang, mit leisem Murmeln schleicht

Der ungegrüßte Bach vorüber.

Der Echo sagt erschrocken nach,

Was ein Monarch im Purpur sprach,

Und hört des Hirten Stimme lieber.

 

Uns, bester Gleim, uns liebt das Thal;

Dort, wo wir seine Rosen pflücken,

Und den gefüllten Becher schmücken,

Verachten wir Lucullus Mahl.

Es trank aus goldenem Pokale

Nur selten die Zufriedenheit;

Nur selten wohnt im Marmorsaale

Das Glück der wahren Zärtlichkeit.

Ihr Fürsten! sah man, unter Küssen,

Von euern Wangen Thränen fließen?

Für uns als Götter aufgestellt,

Vom Diadem das Haupt umwunden,

Was hilft euch eine ganze Welt,

In der ihr keinen Freund gefunden?

 

Nur dann, wenn am verlaßnen Herd

Die Unschuld ihre Hände ringet,

Bis zum Palast die Stimme dringet,

Euch Väter nennt und Schutz begehrt:

Dann seyd ihr uns des Neides werth.

Doch nein! von unzählbaren Schätzen

Den Raub der Bosheit zu ersetzen,

Ist das ein himmlisches Ergötzen,

Ist das der Tugend höchster Ruhm?

Was wir, o Freund! der Armuth geben

Von unserm kleinen Eigenthum,

Muß über Fürsten uns erheben!

 

Wenn einst die goldnen Wände beben,

Der Styx in banger Nähe schreckt,

Und dicke Nacht den Thron bedeckt:

Dann sieht, in wilden Phantasien,

Auf seinem Lager noch der Held

Ein grauses, leichenvolles Feld;

Sieht überwundne Feinde knien,

Und Angstgeschrey, das Gnade! ruft,

Ertönet laut um seine Gruft.

 

Und wir? Bekränzt kommt er hernieder

Von Grazien, der letzte Tag;

Umarmet singen wir ihm Lieder,

Ein zärtlich Mädchen singt sie nach.

Fußnoten

 

1 Auf einer Gemme in Lipperts Daktiliothek ist es der Kopf des Sokrates; allein Plato war gewiß der Lieblingsphilosoph der Liebesgötter.

 

 

An Gleim

Im December.

 

Freund, der Du am Kamine,

Zu Dir, mit Chloens Miene,

Im leichten Hermeline

Die Weisheit kommen siehst;

Und um Dich her durch Lieder

Für sie des Amors Brüder

Zu kleinen Weisen ziehst!

Bestrafe doch die Thoren,

Die, nicht für sie geboren,

Die sanfte Huldgöttin,

Im schulgelehrten Tone,

Zur mürrischen Matrone,

Zur strengen Richterin

Unschuld'ger Freude machen;

Doch nein! sie nur belachen,

Und singen wollen wir.

 

O Freund! es sagten mir

Die mit den Charitinnen

Vertrauten Pierinnen,

Was wahre Weisheit sey,

Von trockner Schulgesetze

Verworrenem Geschwätze,

Von leeren Formeln frey.

Sie gleichet Deiner Leyer,

Ist lauter Harmonie,

Glüht oft von edelm Feuer,

Oft aber scherzet sie.

Sie weiß in kleinen Bildern

Uns lächelnd das zu schildern,

Was hundert Thoren quält;

Sie lehrt uns, wenn wir klagen,

Daß selbst den trüben Tagen

Nicht alle Freude fehlt.

 

Soll ich Dir wieder sagen,

Wie auf dem alten Wagen

Von Stürmen hergetragen,

Sie mir den Winter zeigt?

An seinen Stab gebeugt,

Lappländisch wild behangen

Mit Häuten mancher Art,

Steht er; um seine Wangen

Starrt ein gefrorner Bart.

Wie scheußlich! dennoch hüpfen

Die Scherze ganz vertraut

Um ihn herum, und schlüpfen

In eine Bärenhaut.

Da liegen sie, und schielen,

Wenn Hirt und Schäferin

Am Herde traulich spielen,

Muthwillig lächelnd hin;

Gesammelt werden Pfänder;

Das flatternde Gewand

Der Mädchen, Haar und Bänder

Verrathen bald die Hand

Der allzu dreisten Knaben,

Die nicht ein jedes Pfand

Um Einen Kuß nur gaben.

 

Schon sind die Felder weiß,

Und ein Palast von Eis

Beherbergt die Najaden;

Sie trösten sich, und laden,

Um dennoch froh zu seyn,

Zu bunten Maskeraden

Den alten Flußgott ein.

Des Faunus Kinder schleichen

Vergebens durch den Wald,

Dort sind die festen Eichen

Der Dryas Aufenthalt!

Die losen Spötter machen

Ein Mädchen sich von Schnee,

Umtanzen es, und lachen,

Und schreyen: Evoe!

Die älteren Satyren

Sieht der gefrorne Rhein

Den wohlverwahrten Wein

In ihre Höhle führen.

Da jauchzet Vater Pan;

Da trotzen sie den Winden;

Bey vollen Bechern zünden

Sie leere Fässer an;

Indeß auf goldnem Schlitten

Der Psyche kleiner Mann,

Mit Pelzen angethan,

Voll Schalkheit zu den Hütten

Verlaßner Nymphchen eilt,

Wo, wenn der Nordwind heult,

Und sie den Amor bitten,

Er gern in langer Nacht

Ihr ödes Haus bewacht.

 

Sieh' doch, in holder Tracht,

Vom Winter angelacht,

Der Cypris Kammermädchen!

In ihrem Hain gestört,

Besuchen sie das Städtchen,

Wo Gleim die Liebe lehrt,

Und oft den jungen Schönen,

Die Amor zu ihm winkt,

In seelenvollen Tönen

Von seinem Freunde singt.

An Ebendenselben

 

Freund, den mit jungem Rebenlaube

Die schönste Mänas einst geschmückt,

Dem noch ein Amor selbst die Traube

In den bekränzten Becher drückt;

Den Lust und Lenz in Haine rief,

Dem überall Dryaden lachten,

Dem sie ein Blumenlager machten

An Quellen, wo er sorglos schlief;

Du willst, entfernt von unsern Chören,

Kein sprödes Mädchen mehr bekehren

Und deine Lieder singen hören?

Getilgt ist jeder Freude Spur;

Die Aue dorrt, es stirbt die Flur,

Wo Bosheit gift'gen Samen streut?

Mit dem Verrathe geht der Neid;

Ihm schweigt der West an stummen Bächen;

Das Blumenbeet zertritt sein Fuß,

Und Saitenklang, und reinen Kuß

Der Freundschaft macht er zum Verbrechen?

Mehr, als die Wüste, schauerlich

Sind dir, o Gleim! die Lustgefilde

Der Jugend? Fern in seine wilde

Verborgne Höhle ruft zu sich

Der finstre Menschenhasser dich? –

O folge nie! denn Tugend wohnt,

Gesehen noch und ungesehen,

In Thälern und auf Alpenhöhen;

Oft hat das frömmste Werk den Mond

Zum Zeugen nur, und Liebe lohnt

Der Treue noch mit Seligkeiten

Aus längst verschwundnen goldnen Zeiten.

Wen lockte sonst der Wiese Grün?

Wem sollten jene Veilchen blühn?

Dem Frevel nur? Ihm tönten wieder

Aus blauer Luft die Lerchenlieder;

Und jenes Nachtigallenchor

Erfüllte des Verbrechers Ohr?

O nein! geflochten von dem Lenze

Sind diese tausendfachen Kränze

Für schwarze Höllenthaten nicht.

Da, wo die Weisheit Rosen flicht,

Will Zephyr gern das Thal erfrischen,

Da bildet, in vertrauten Büschen,

Die stille Grotte sich für sie;

Da lehrt der Vögel Harmonie

Den frommen Dichter, sich erfreuen,

Der Bosheit lachen, und verzeihen.

Hier, o mein Bester! wo, bedeckt

Mit Moos, die Hütte sich versteckt,

Hier tanzet, bey des Landmanns Festen,

Mit Daphnis und mit Galathee

Die Redlichkeit auf jungem Klee;

Und dort, in schimmernden Palästen,

Baut oft die Großmuth ihren Sitz;

Herab vom Throne fährt der Blitz

Auf das empörte Laster nieder,

Und Fürsten rächen ihre Brüder.

 

O mein Geliebter! unsern Hain

Mag böse Schmähsucht überfallen;

Wenn nur den Göttern wir gefallen,

So laß uns unerschrocken seyn;

Zwey Freunde stehen an Altären,

Wo sie den Eid der Treue schwören,

Dir, Tugend! und, o Weisheit, dir!

Hört uns, ihr späten Enkel ihr!

Entweiht man unsers Grabes Nacht,

Will man zu Thoren uns erniedern,

So müsse giftigem Verdacht

Ein sanfter Menschenfreund erwiedern:

Ihr Lied war Freude, war Natur,

Und Unschuld war ihr Leben nur!

Lalage an Gliphästion1, über seinen jüngern Freund Jacobi

 

Berlin, 1768.

 

Wann seh' auch ich mit forschbegier'gen Blicken

Den jungen wunderbaren Mann,

Der Lieder singt, den Musen zum Entzücken;

Der dich bezaubern kann?

 

So ganz bezaubern, daß du von Vergnügen

Berauschet bist, und mich jüngsthin

Vergessen hast, und lange mir geschwiegen,

Mir, deiner Schäferin!

 

Die Suada muß ihn auferzogen haben;

Ach! reden muß er, wie Merkur,

Der ehedem, gleich einem Schäferknaben,

Von dem Olympus fuhr,

 

Und vor dem immer wachenden Bemerker

Der armen Inachide, süß

Und kläglich schön, und stark, und immer stärker

Die Flöte tönen ließ,

 

Und nach dem Spiel ihn mit Geschwätz ergötzte,

Das lieblich von den Lippen floß,

Bis im Entzückungsschlummer sich das letzte

Der hundert Augen schloß!

Fußnoten

 

1 oder: Die Karschinn an Gleim.

 

 

An die Karschinn1

Mich sehen willst Du, Lalage,

Des Phöbus hoch begeisterte!

Mich kleinen Sänger kleiner Lieder?

Weil Dein Gliphästion mich liebt

Und, als den jüngsten seiner Brüder,

Zum Preise für die kleinen Lieder

Mir unverdiente Kränze giebt?

Ach! zu bezauberndem Gesang

Ist Feuer nicht in meinem Busen;

Nur die gefälligste der Musen

Hört dieser Flöte leichten Klang,

Der nie zu Götterohren drang.

Wenn Könige die Welt bekriegen,

Dann forsch' ich nicht nach ihren Siegen;

Dann, ungestört in meiner Ruh,

Seh' ich den holden Knaben zu,

Die, ohne Länder zu verwüsten,

Sich mit dem Silberbogen rüsten,

Und ihnen stimm' ich Lieder an.

Hier zeichnen sie; die schlauen Götter,

Auf Rosen- und auf Myrthenblätter

Zu ihren Schlachten sich den Plan;

Dort hör' ich aus verschwiegnen Büschen

Die unsichtbaren Pfeile zischen:

Getroffen sinkt die Schäferin

Auf den beblümten Rasen hin.

Die Suada, die das Ungeheuer

Mit Recht und Menschlichkeit versöhnt,

Die, süß wie Deine goldne Leyer,

Von angenehmen Lippen tönt,

O hätt' ein Gott sie mir verliehen!

Dann lebten, weit um mich herum,

Nur Bürger aus Elysium,

Und jede Bosheit müßte fliehen.

Ein überredender Merkur,

Wollt' ich die sanftre Weisheit lehren,

Gezeugt im Schooße der Natur,

Gebildet in der Freundschaft Chören?

Mir aber gab der Himmel nur

Ein Herz voll zärtlicher Gefühle,

Dem auch die allerkleinsten Spiele

Der jungen Freunde heilig sind,

Das nie Gesang und Jubel störet,

Der Tugend leisre Stimme höret,

Und gute Seelen leicht gewinnt.

Nur sie kann dieses Herz beglücken:

Dein Schäfer widerstand ihm nicht;

Er kennt im Freundes-Angesicht

Die reine Wonne, das Entzücken,

Das, ohne Wort, aus treuen Blicken

Oft mächtiger als ein Gedicht,

Und süßer als die Suada, spricht.

 

Dich, Lalage, Dich sah' ich schon

Im Tempel, den Gliphästion

Der Tugend und den Musen weihte;

Wo, voller Ehrfurcht, diese Hand,

Die nie den Thoren Weisheit streute,

Mit Lorbern den Altar umwand.

Als ich bewundernd vor Dir stand,

Da blicktest Du auf mich hernieder;

Dein Blick war Feuer, Dein Gewand

War ganz Natur, wie Deine Lieder.

Ich sah' in Dir die Sängerin,

Die, wenn sie über Saaten hin

Die schwarze Wetterwolke breitet,

Den Donner mit Gesang begleitet;

Ich sah die frohe Lalage,

Die unter Rosen lächelte;

Und nun, mit aufgelösten Haaren,

Im Auge tödtende Gefahren,

Ein Weib; ihr Busen war durchwühlt

Von Flammen, die kein Zephyr kühlt,

Und die nur eine Sappho fühlt!

 

So zeigte Dich dein Bildniß mir:

Vielleicht, wenn sich das Jahr verjünget,

Und mit Dir Philomele singet,

Seh' ich die Freundin auch in Dir.

Fußnoten

 

1 Die Dichterin pflegte sich in ihren Liedern, besonders in den scherzhaften, Lalage, in den Oden aber Sappho zu nennen.

 

 

An den Geheimenrath Klotz, als er eine Geschichte des Cupido in einer seiner Schriften entworfen, und eine Geschichte der Hölle angekündigt hatte

Dort, wo der May hernieder blickt,

In jenem Thale, das, entzückt,

Sich mit den ersten Blumen schmückt,

Sah' ich ein Chor von Liebesgöttern

Vertieft in den Geschichten blättern,

Die eine Muse Dir erzählt:

Wie Grazien den Amor wiegten,

Und ihn durch manches Spiel vergnügten;

Wie er mit Psychen sich vermählt;

Wie seine goldnen Waffen kriegten

Und über alle Götter siegten;

Wie, bey der Leyer Harmonie,

Den stärksten Löwen er bezwungen,

Und dann die Keule sich errungen,

Die bis zum Tartarus gedrungen,

Dieß, Freund! dieß alles lasen sie.

Da sprach ein Amor zu dem andern:

Uns will, der dieses schrieb, entfliehn;

Des Pluto Reich will er durchwandern;

Allein wir selbst begleiten ihn.

Ixions Rad muß er nicht hören,

Ihn darf der Zerberus nicht stören,

Ihm rauschet nicht der Höllenfluß;

Nicht sehen wird ihn Tantalus,

Und nicht der müde Sisyphus.

Nur auf besonnten stillen Höhen,

Soll er mit Liebesgöttern gehen.

Im blühenden Elysium

Versammeln wir um ihn herum

Corinnen, Lesbien, Helenen,

Mit allen einst gepriesnen Schönen.

Umarmen soll ihn einst Tibull;

Ein neues Lied singt ihm Catull,

Der dort in seines Mädchens Hand

Den muntern Sperling wieder fand.

Es sollen artige Satyren

Den besten Wein zur Hölle führen,

Und da, wo sonst kein Becher winkt,

Wo man nur Lethens Wasser trinkt,

Soll er, wir wollen ihn belauschen,

Sich mit Anakreon berauschen.

An Madame Hensel1

 

Die Muse, die zu blut'gen Leichen

Den Geist des Sophokles geführt;

Um ihre Stirn das Laub von Eichen,

Von Cedern, die der Blitz gerührt;

Sie zeigte Dir den nahen Ruhm

Mit ewig dauerhaften Kränzen;

Du gingst, in Deinen ersten Lenzen,

Mit ihr vertraut ins Heiligthum:

Da wälzten Donnerwolken sich;

Du sahst den Dolch, der Bosheit Rächer,

Du sahst den giftgefüllten Becher,

Und Ketten rasselten um Dich;

Du sahst die bebende Natur,

Voll Laster und voll Ungeheuer:

Mit nie gefühltem Schauder fuhr

In Dich ein allgewaltig Feuer,

Das, von dem Himmel angefacht,

Zur Göttin eine Clairon macht.

Nun aber sank der finstre Schleyer,

Und Dir erschien Melpomene,

Gleich einer hohen Grazie,

Mit jungem Lorberreis geschmückt;

Kaum hatte sie Dich angeblickt,

So lerntest Du die schönen Thränen,

Den süßen Ton, das leise Sehnen

Der Liebe, die voll Unschuld fleht;

Und jene stille Majestät,

Womit am Throne der Tyrannen,

Die das Verdienst in Kerker bannen,

Die unbesiegte Tugend steht.

 

Schon leitet Dich, mit stolzen Schritten,

Unsterblichkeit an ihrer Hand.

O wenn einst Oldfield2 unter Britten,

Ihr Grabmaal bey Monarchen fand,

Und unser kaltes Vaterland,

Das im Palast ein Ordensband,

Mehr, als den großen Geist in Hütten,

Mehr, als erhabne Werke, schätzt,

Nicht Säulen Dir von Marmor setzt;

So denk: es lebet noch Dein Name,

Wenn um die bald vergeßne Dame,

Die Dir ein gnädig Lächeln giebt,

Kein später Enkel sich betrübt.

 

Ihr, die der Musen Chor geliebt,

Ihr ruht in schönen Lorberhainen,

Wo Götter euren Tod beweinen,

Und heilig, wie ein Tempel, ist

Das stille Grab, das euch umschließt.

Fußnoten

 

1 In der Folge, Madame Seiler. Eine Schauspielerin, die wir Deutschen eben so wenig vergessen sollten, als Frankreich seine Clairon.

 

2 Eine berühmte englische Schauspielerin, die zu Westminster neben den Königen begraben wurde.

 

 

An meinen Bruder

Halle, im May.

 

Im Schatten jener Bäume, Freund,

Die uns der beste Vater pflanzte,

Dort, wo, mit Zärtlichkeit vereint,

In unsern Reihen Freude tanzte,

Wo wir als Kinder einst gespielt,

Im Jünglingsalter einst gefühlt,

In den getreuen Finsternissen,

Auf jenes Moos, an jenem Bach,

Wo, unter brüderlichen Küssen,

Mein Herz mit deinem Herzen sprach;

Dort lagre Dich zum jungen Lenze,

Dort schleichet meine Muse nach,

Und windet Dir die ersten Kränze.

 

Soll, o mein Liebster! soll sie Dir

Die ländlich frohe Wohnung schildern,

In welcher ihre Lieder mir

Den Kummer vieler Tage mildern?

Willst Du den kleinen Garten hier,

Willst Du die angenehmen Höhen

In ihrer stillen Einfalt sehen?

 

O Freund! hier redet die Natur

Im fernen Wald, auf naher Flur,

In ungekünstelten Alleen,

An meinem Hügel hier, im Klee,

Wo sanft, wie meine Galathee,

Die Lämmer unter Blumen gehen.

Belauschet von der Hirten Chor,

Sing ich hier oft, mit Deshoulieren1

Den Schäfchen meine Klagen vor,

Die keine Wünsche sich verwehren,

Und nicht des süßen Glücks entbehren,

Auf ihren Triften frey zu seyn.

Hier führt zu blumigten Altären

Die Wollust mich in ihren Hain;

In ihrem Tempel muß ich schwören,

Ihn nie durch Laster zu entweihn.

Es fließt um sie der keusche Schleyer;

Ein Veilchen schmückt der Göttin Haar,

Und selbst die Weisheit bringt das Feuer

Zum unschuldvollen Opfer dar.

Hier locket keine freche Leyer

Der Nymphen buhlerische Schar,

Kein roher Faun, kein Ungeheuer

Entheiligt reiner Liebe Kuß,

Und keines Satyrs wilder Fuß

Tritt hier die besten Rosen nieder.

Die Tugend singt der Freude Lieder;

Es blickt die junge Schäferin

Nach dem Geliebten schüchtern hin;

Umsonst will sie dem Busen wehren,

Sich still verlangend zu empören,

Umsonst die ersten Küsse fliehn!

 

Hörst Du das Rauschen, liebster Freund!

Womit ein Fluß2 die Wiese theilet,

Und vor der Stadt vorübereilet,

In der kein zärtlich Mädchen weint?

Dort, wo die Sonne heller scheint

Auf niedrige, berauchte Hütten3,

Dort wohnen alte deutsche Sitten

Mit Tapferkeit und Treue noch;

Dort, unter nervigten Haloren,

Fühlt sich der Jüngling frey geboren,

Und ehret die Gesetze doch.

Verweile nicht bey jenen Trümmern4:

Was gehen uns die Felsen an,

Die einst den Springer Ludwig sahn?

Es mag um den verwegnen Mann

Der Chronikschreiber sich bekümmern!

Wär', in der Liebe süßem Wahn,

Er einem Mädchen nachgesprungen,

Ich hätte längst von ihm gesungen.

Nur zeig ich noch im Thale Dir

Der öden Burg verheerte Mauern5,

Die mitten unter Blumen trauern.

Ein ernster Sänger hätte hier,

Umringt von hingesunknen Säulen,

Wenn in der Einsamkeit die Eulen

Zum Liede kleiner Vögel heulen,

Gedanken, schwarz wie eine Nacht,

Erhabnen Britten nachgedacht.

Mir aber scheint er nicht zu klagen,

Minervens Vogel; sein Geschrey

Will, mit verliebter Schwärmerey,

Dem Eulenmädchen zärtlich sagen,

Daß sie für ihn die schönste sey;

Und die Geliebte sagt ihm frey,

Daß seine Lieder mehr gefallen,

Als der Gesang der Nachtigallen.

Mir, bester Freund! gefallen sie

Mehr, als die bange Harmonie

Der Dichter, die nur Unglück fühlen,

In lauter Dissonanzen wühlen,

Und da, wo leichte Weste spielen,

Um eine Sommernacht zu kühlen,

Nach alten Leichensteinen schielen.

 

O mein Geliebter, eile Du

Dem brüderlichen Hügel zu!

Will uns in unsrer sanften Ruh

Vielleicht ein trüber Weiser stören,

So wollen wir ihn bald bekehren;

Nur Gleims Gesänge soll er hören,

Und selbst die Menschen Freude lehren.

Fußnoten

 

1 S. ihre Idylle über die Lämmer.

 

2 Die Saale.

 

3 Die königlichen Salzkothen.

 

4 Der Thurm von Gibichstein.

 

5 Die Morizburg, ehemalige Wohnung der Bischöfe.

 

 

An zwey Täubchen

Ihr Täubchen, welche beyde

Mein Amor einst gepaart,

Als ihr, auf jener Weide,

Des Knaben beste Freude,

Das Spiel der Nymphen war't!

O grüßt, mit jedem Morgen,

Den frommen Dichter hier:

Euch zärtlich zu versorgen

Befahl Cythere mir.

 

Seh' ich, zu meinen Füßen,

Euch froh und sicher küssen,

Ihr Unschuldvollen ihr!

Dann denk' ich an Belinden;

Sie ließ in diesen Gründen

Mich auch die Liebe finden.

Allein, bedauert mich;

Weit glücklicher, als ich,

Seyd ihr, geliebte Täubchen,

Wenn ihr im Haine girrt,

Und das getreue Weibchen

Um seinen Gatten irrt.

Wie ruhig könnt ihr spielen,

Wie ruhig, dort im Kühlen,

In wollustreicher Nacht,

Wo keine Mutter wacht,

Wo neben eurem Bettchen

Bekränzte Freyheit lacht,

Und kein bewegtes Blättchen

Die Liebe schüchtern macht!

Hier, unter öden Bäumen,

Hier, auf verlaßner Flur,

Von ihrem Kusse träumen,

Ihr Täubchen, darf ich nur:

Denn ach! Belinde fliehet

Das Thal, den Wasserfall,

Die Grotte selbst, und siehet

Verräther überall.

 

O glaubte nur Belinde

Dem guten Götterkinde,

Der Liebe treuem Ruf,

Die sie, mit sanftem Herzen,

Zu Küssen und zu Scherzen,

Wie euch, ihr Täubchen, schuf!

Der Faun

 

Eine Beylage zu dem darauf folgenden Briefe.

 

In wonneleere Mauern

Verschlossen, rings umwacht,

Soll dort ein Mädchen trauern,

Dem Lenz und Jugend lacht?

 

Schnell öffne jene Riegel

Der Amoretten Heer,

Und führ' auf diesen Hügel

Zu mir Belinden her!

 

Ach! aber in Gesträuchen

Seh' ich von ferne schon

Den alten Satyr schleichen;

Ihr Nymphen! sprecht ihm Hohn.

 

Er stört mir jede Freude,

Der Unhold! jeden Kuß

Zählt er mit bitterm Neide,

Den ich entbehren muß.

 

Wenn er sich birgt, und lauschet,

O dann verrathet ihn,

Ihr Myrthenbüsche! rauschet,

Laßt eilend uns entfliehn!

 

Euch wird die Liebe strafen,

Gebt ihr uns nicht Gehör:

Und keine Mädchen schlafen

In euren Schatten mehr.

 

Lyäus hängt den Becher,

Um den er Rosen flicht,

Cupido seinen Köcher

An eure Zweige nicht.

 

Es flüchtet jede Taube

Hinweg von dieser Flur,

Und in dem falchen Laube

Verweilt die Krähe nur.

An ...

 

Was sagen Sie, mein Liebster, zu diesem Liede, das ich dem Mädchen mit den schönen Augen sang? Sollten die Liebesgötter Belinden nicht zu mir führen können, dann biet' ich ihr ganzes Kriegsheer auf, das Haus zu bestürmen.

 

O ihr, der Huldgöttinnen Rächer,

Ihr Krieger mit dem goldnen Köcher,

Ihr setztet Troja einst in Brand;

Jetzt waffnet euch geschwinde,

Die Losung sey: Belinde!

Kommt mit der Fackel in der Hand!

Bestürmet, ach! ich bitte,

Bestürmet jene Hütte;

Schießt tausend Pfeile stumpf,

Und führet im Triumph

Den alten Faun gebunden.

Von junger Nymphen Schaar

Wird euer blondes Haar

Mit Lorbern dann umwunden.

Der böse Satyr muß

Dort, wo die Rosen stehen,

Uns zärtlich küssen sehen,

Und darf nicht mehr den Kuß

Der Mutter wieder sagen.

 

Wenn meines Amors Wagen,

Gefleckte Tiger ziehn,

Dann spannen mit Gelächter

Der Venus lose Töchter

Auch an den Wagen ihn!

An Belindens Bett

 

Du kleines Lager, wo vergnügt

Die Schönheit mit der Unschuld liegt!

Beglücktes Heiligthum der Liebe,

Bey dem, gewöhnt an frechen Raub,

Ein roher Satyr schüchtern bliebe!

Dir will ich noch das letzte Laub

Der längst gestorbnen Rose streuen;

Dich soll ein Dichter nicht entweihen,

Der gerne mit dem Amor spielt,

Und doch den Werth der Weisheit fühlt.

 

Geheimer Schauder! Stille Lust!

Bemächtigt euch des Jünglings Brust.

Du Schlummerstätte meiner Schönen!

O zeige mir Belindens Bild;

Hier siehst du jeden Reiz enthüllt;

Hier sagt sie dir mit halben Tönen

Vielleicht, was ihren Wünschen fehlt,

Was sie noch selber sich verhehlt.

 

Dein Vorhang rauscht, und Träume schlüpfen

Durch ihn: ein allerliebstes Heer!

Schön, wie der Venus Kinder, hüpfen

Sie um das fromme Mädchen her.

Belinde zürnt: auf ihren Wangen

Ist Keuschheit, Jugend, und Verlangen.

 

Wenn sie nun zärtlicher erwacht;

Wenn sie, nach ungenoßnen Freuden,

Der Morgensonn' entgegen lacht,

Und in verrätherische Tracht

Behende Grazien sie kleiden:

Dann, o dann muß ich dich beneiden!

 

Doch ungestüme Wünsche nicht

Soll dieser kleine Tempel hören;

Nur Seufzer darf ich mir gewähren,

Bescheiden, wie ein Amor spricht

In einem Wäldchen mit Cytheren.

 

Ihr, die, von wilder Gluth entbrannt,

Der Gott der Liebe nie gekannt,

Zerreißet mit verwegner Hand

Der Schönheit heiliges Gewand,

Das Huldgöttinnen ihr gewebet,

Indeß ein sanfter Hirt erbebet,

Wenn er Belindens Lager sieht,

Voll Ehrfurcht ihre Zelle flieht;

Und auf verschwiegnen grünen Heiden,

Wo Götter mit dem Mädchen weiden,

Auf Blumen es verfolgt und küßt,

Und ohne Reu beglückter ist,

Als ihr im Taumel eurer Freuden.

An Philaiden

 

Eine Beylage zu dem darauf folgenden Briefe.

 

Erhaben ist der innre Friede

Des Weisen, göttlich seine Ruh!

Groß ist der Mann, o Philaide!

Doch glücklicher vielleicht bist Du.

 

Im schweren Kampfe bracht er Schmerzen

Und Furcht und Sorgen unter sich;

Sie fortzuküssen, fortzuscherzen,

Dieß lehrten Huldgöttinnen dich.

 

So hängt, wo sich das Thal geschmücket,

Mit wildem Drohn ein Fels herab;

Die Hirtin sieht ihn nicht, und pflücket

An seinem Fuße Blümchen ab.

 

O laß, beym Klange süßer Lieder,

Uns lächelnd durch das Leben gehn,

Und, sinkt die lange Nacht hernieder,

Mit diesem Lächeln stille stehn.

Venus im Bade

 

Schüchtern fliehn die Jungen Hirten?

Wen verbergen diese Myrthen,

In geheimnißvoller Nacht,

Unter ihren leisen Blättern?

O von tausend Liebesgöttern

Wird der ganze Hain bewacht!

 

Täubchen lassen sich hernieder,

Huldgöttinnen singen Lieder:

Ist es Venus? will sie hier

In dem Silberteiche baden?

Ihr gefälligen Dryaden,

Einen Blick gewähret mir.

 

Wollt ihr unter euern Zweigen

Mich beschützen, mir sie zeigen?

Ewig dank ich euch mein Glück,

Ewig soll mein Lied euch ehren;

Zeigt, ach! zeiget mir Cytheren:

O ihr Nymphen, einen Blick!

 

Die Gebüsche, die sie decken,

Hören mich. O süßes Schrecken,

Eine Göttin unverhüllt?

Wag' ich es nach der zu blicken,

Die mit Liebe, mit Entzücken

Eine ganze Welt erfüllt?

 

Darf ein Sterblicher? Es glühet

Mars, wenn er die Reize siehet,

Wenn ihr Busen sich empört,

Und er nicht den Lärm des Krieges,

Nicht den wilden Ruf des Sieges,

Nur ein zärtlich Seufzen hört.

 

O ihr Myrthen! o umschließet

Sie vor mir. Der Gürtel fließet

Nun auf heil'gen Rasen hin.

Nieder steigt sie schon zur Quelle!

Schon berührt der Fuß die Welle,

Dem in Wüsten Rosen blühn.

 

Nie wird euch ein Sturm entehren,

Ihr Gebüsche, wo Cytheren

Der verliebte Frühling fand.

Kömmt ein Mädchen sich zu kühlen,

An den Teich, so wird es fühlen,

Was kein Mädchen noch empfand.

An die Liebesgötter

 

Entflieht ihr kleinen Heere

Der lächelnden Cythere!

Das Thal ist freudenleer;

Bereift sind eure Flügel;

Dem nackten, öden Hügel

Tönt keine Leyer mehr.

 

Seht! wilde Jäger würgen

Auf hallenden Gebürgen,

Sie spotten eurer Macht;

Von spröden Amazonen,

Die nur in Wäldern wohnen,

Wird Paphia verlacht.

 

Wollt ihr vielleicht beym Jagen

Die Mordgewehre tragen,

Der Netze Hüter seyn;

Gedungen von Centauren,

Auf hohen Aesten lauren,

Zum Klang der Hörner schreyn?

 

Und wenn die Stürme wehen,

Soll dann auf kalten Höhen,

Wo Sonnenstrahl gebricht,

Euch eure Fackel wärmen?

Dem Wilde nachzuschwärmen,

Gab sie Cythere nicht.

 

Das Laub, dem Hain entrissen,

Stirbt unter euren Füßen:

Flieht! alles ist verheert.

O tragt die dürren Blätter,

Ihr artigsten der Götter,

Auf eines Dichters Herd!

Das Täubchen

 

In diesen dunkeln Hainen

Ging ich den losen Kleinen,

Die Köcher tragen, nach;

Hier, Chloe, hier im Grünen

War Amor unter ihnen;

Ich hörte, was er sprach.

 

O wenn in diesen Schlingen

Wir nun das Täubchen fingen,

Das mir die Mutter wies!

O lockt es! singt, ihr Brüder;

Ihr wißt, daß sich durch Lieder

Schon manches täuschen ließ.

 

»Komm, Täubchen, komm! Den Wagen

Der Venus, sanft getragen

Vom Zephyr, sollst du ziehn;

Sollst unter Blüthen wallen,

Wenn in des Adlers Krallen

Die Donnerkeile glühn.

 

Er muß den Zevs begleiten,

Und gegen Riesen streiten,

Und mit ins Treffen gehn;

Du kannst in kleinen Kriegen

Uns nur zur Seite fliegen,

Und überwinden sehn.

 

O komm! In wenig Tagen

Wirst du verlassen klagen,

Dein Liebling eilt von hier:

Getreuer sind die Gatten

In Paphos sichern Schatten;

Kein Falke raubt sie dir.

 

Du sollst mit Amoretten

Dich auf den Gürtel betten,

Der unsre Göttin ziert;

Geschmeichelt von Najaden,

Soll dich die Quelle baden,

Die Venus nur berührt.«

 

So sangen sie, die Brüder!

O süße Macht der Lieder!

O zauberischer Wahn!

Das Täubchen kommt geflogen,

Setzt sich auf Amors Bogen,

Und sieht den Knaben an.

Das Gewitter

 

Chloe und Damon.

 

Chloe.

 

Siehst du die schnellen Wolken ziehn?

Schon donnerts hinter jenen Wäldern,

Schon wird es Nacht auf unsern Feldern:

Komm, liebster Damon, laß uns fliehn.

 

Damon.

 

Der Donner schweigt, wenn Chloe spricht.

Wir wollen jede Furcht verbannen;

Der Himmel droht nur den Tyrannen,

Auf unsre Küsse zürnt er nicht.

 

Chloe.

 

Ihr Götter! rührt auf dieser Flur

Euch noch die Unschuld armer Hirten:

Schont, o verschonet jene Myrthen,

Sie hörten meines Damons Schwur.

 

Damon.

 

Ich schwur ihr Liebe bis ins Grab:

Ihr Blitze hörts, um sie zu rächen;

Und könnt' ich je die Schwüre brechen,

So fahrt auf dieses Haupt herab!

 

Chloe.

 

Ihr fürchterlichen Blitze, nein!

Sollt' ihn der Liebe Schwur gereuen,

Ach! so verzeiht dem Ungetreuen,

Und lasset mich das Opfer seyn.

Der Kuß

 

Lalage, die kleine Spröde,

Floh den jungen Lycidas;

Bittrer Spott war ihre Rede,

Und die Blicke lauter Haß.

 

In das Thal, zu jener Quelle

Lockte sie Dianens Schein;

Fernher murmelte die Welle,

Leise lispelte der Hain.

 

Sanfter wurden ihre Triebe,

Friede ward ihr Herz und Ruh,

Denn ein kleines Wort von Liebe

Rief ihr jedes Büschchen zu.

 

Liebe sprach die junge Rose,

Sprach der Quelle grüner Rand –

Als das Mädchen auf dem Moose

Schlafend einen Knaben fand.

 

Von dem Monde halb bestralet,

Halb in Schatten eingehüllt,

Lag er im Gebüsch. Es malet

Nur Albano dieses Bild.

 

Seine Miene sagt im Traume,

Was die Liebe wachend denkt.

An dem nächsten Myrthenbaume

Ist ein Köcher aufgehängt.

 

Ihm zur Seite glänzt ein Bogen;

Näher geht das Mädchen hin,

Und allmählig ihm gewogen

Wird die gute Schäferin.

 

Siehst Du nicht auf jenem Hügel,

Lalage! die ganze Schaar?

Allerliebste kleine Flügel

Haben sie, und goldnes Haar.

 

Schnell bewegen sie die Schwingen;

An der Quelle sind sie schon,

Tanzen um das Kind, und singen

Lieder von Anakreon.

 

Aufgewecket durch die Lieder,

Sieht der kleine Gott umher;

Mischt sich unter seine Brüder,

Und der Hirtin lächelt er.

 

Tausend neue Blümchen sprießen,

Wo sie tanzen, aus dem Klee;

Mitten in den Reihen schließen

Sie die schöne Lalage.

 

Langsam steigt ihr Busen; leise

Wünschet sie, und weiß nicht was.

Seht doch, neben ihr im Kreise

Steht der junge Lycidas.

 

Ihm entfliehen will die Spröde,

Ihn verachten soll ihr Blick;

Doch der Jüngling, nicht mehr blöde,

Hält die Schäferin zurück.

 

Fliehen kann sie nicht; es haben

Ihren Bogen, aufgespannt,

Rings um sie die Götterknaben

In der rächerischen Hand.

 

Küssen muß sie nun den Hirten,

Und ein wollustvolles Ach!

Unter sanftbewegten Myrthen

Seufzet Philomele nach.

 

Im Triumphe weggeflogen

Sind die Götter, ohne Streit.

Mächtiger als Amors Bogen

Ist ein Kuß der Zärtlichkeit.

Bey Uebersendung einiger Blumenstöcke im März

 

Eine Göttin sollt ihr zieren.

Eilt, ihr Blumen, sagt Themiren,

Daß ich zärtlich euch geliebt,

Daß ich mühsam euch erzogen;

Und dann seht, ob sie gewogen

Einen holden Blick euch giebt.

 

Myrthen schmücken die Altäre

Der allwaltenden Cythere;

Aber glücklicher seyd ihr!

Wenn Themire selbst euch pfleget,

Euch an ihrem Busen heget,

Dann, ihr Blumen, danket mir.

 

Seht nur: junge Liebesgötter

Färben eure zarten Blätter,

Eh' der Lenz euch angeblickt.

Euer Schmuck wird einst verderben,

Aber schön ist es, zu sterben,

Von Themirens Hand gepflückt.

 

Wenn die Göttin euch bedauert,

Um die kleine Leiche trauert,

Euch umsonst ins Leben ruft:

O wer wird euch nicht beneiden,

O wer stürbe nicht mit Freuden,

Klagte sie bey seiner Gruft!

An Belinden

 

Es hörte diese Zelle

Noch nie der Liebe Gruß,

Und die geweihte Schwelle

Betrat kein schöner Fuß.

 

An öden Mauern gehen

Gespenster, blaß und stumm,

In sich gehüllt, und sehen

Nach mir sich warnend um.

 

Ach, aber ach! Belinde,

Dein Bildniß folgt mir nach,

Dein Bildniß, welche Sünde!

Ins fromme Schlafgemach.

 

Statt heiliger Gesänge,

Statt Hymnen, tönet hier

Durch lange dunkle Gänge

Nur deine Stimme mir.

 

An jene Finsternisse

Denk' ich in dieser Nacht,

Als unsre letzten Küsse

Die Liebe selbst bewacht.

 

Der du den Tempel schützest,

Mit Bischöflichem Stab

Hoch auf Altären sitzen,

Komm, Heiliger! herab1,

 

Und strafe das Verbrechen

Getreuer Zärtlichkeit,

Wenn einen Kuß zu rächen

Dir Lieba nicht verbeut2.

 

O denke, welch ein Feuer

Im Busen dir gebrannt,

Als mit dem keuschen Schleyer

Die Nonne vor dir stand;

 

Als du den Schleyer küßtest,

Und an zu seufzen fingst,

Und für die Sünde büßtest,

Und wieder sie begingst!

 

Wie war sie deinen Blicken,

O wie so himmlisch schön,

Du wolltest, voll Entzücken,

Nach ihr noch sterbend sehn;

 

Mit ihr zugleich verwesen,

An ihrer Seite ruhn3;

Was Lieba dir gewesen,

Ist mir Belinde nun.

Fußnoten

 

1 Bonifacius ist eigentlich Stiftspatron: Mauritius nur der Heilige der Kirche, die sonst nicht zum Stifte gehörte.

 

2 Mit andern Frauenspersonen ließ Bonifacius sie aus England kommen, um den Frauenklöstern vorzustehen. Man beschuldigt ihn einer allzugroßen Vertraulichkeit mit ihr.

 

3 Er äußerte wirklich diesen Wunsch. S. den Wilibaldus in vita Bonifacii, c. 8.

 

 

Das Lied der Grazien

An Gleims Geburtstage, den 2. April 1770.

 

Wenn ein Mädchen unter seinen Schwestern,

Als die Schönste geht, ihr Busen sanfter schlägt;

Wenn sie hohe Freuden in dem Blicke trägt,

Und die Frevler, welche Tugend lästern,

Durch ein Lächeln widerlegt;

Wenn ein Dichter eine Welt bekehret,

Und die Menschen süßen Frieden lehret,

Süß, wie seiner Leyer Ton;

O dann hat dem Mädchen und dem Dichter schon,

In des Lebens ersten Dämmerungen,

Eine Grazie gesungen;

Eine Grazie, die bey der Wiege stand,

Als die zarte Seele, kaum geboren,

Sich zu suchen schien, und noch verloren

In dem ersten, tiefen Traume sich nicht fand.

Da die zarte Seele schon zu bilden,

Schuf die Göttin, nach und nach,

Wo das holde Kind im Schlummer lag,

Eine kleine Welt von blühenden Gefilden.

Durch die Silberwolken brach,

Sanft gemäßiget, der Tag;

Schöne Träume folgten schönen Träumen;

Lämmer spielten unter Myrthenbäumen;

Bey den Lämmern wohnte stille Ruh:

Fernher sang ihr Lied die Grazie dazu.

 

Dunkel zwar dem Mädchen und dem Dichter

Sind der Kindheit erste Traumgesichter,

Unverständlich ist das Lied für sie;

Aber dennoch ihre Seele bilden,

In der kleinen Welt von blühenden Gefilden,

Muß des Liedes Harmonie.

 

Einst auf Blumen wird das Mädchen liegen,

Einst auf Blumen, wo im jungen May

Nachtigallen über ihr sich wiegen;

Und des Hirten Feldschalmey

Ruft der Freuden beßres Chor herbey;

Jedes Blättchen sagt im jungen May

Lispelnd ihr, wie schön die Unschuld sey.

 

Zwischen Hirten, welche Kränze winden,

Wird der Dichter einst die Weisheit finden;

Voller Einfalt, so wie die Natur,

Wie der Himmel, rein, und lachend, wie die Flur.

 

Deines Lebens erste Dämmerungen

Sahen auch, die Grazien, o Freund!

Und dir haben sie, vereint,

Voll Unsterblichkeit ein Lied gesungen.

 

»Nymphen in den Hainen, in den Flüssen!

Kleine Nymphen, wachset auf mit ihm;

Spielet um ihn her, und lehrt ihn küssen:

Denn es wird der Bosheit Ungestüm

Sich, sobald er singt, zu seinen Füßen

Unter Blumenketten schmiegen müßen;

Denn er wird der Tugend Leid versüßen;

O ihr Nymphen in den Flüssen,

In den Hainen! lehrt ihn küssen;

Kleine Nymphen! wachset auf mit ihm.

 

Wachset auf mit ihm, und blüht geschwinder,

Junge Rosen! wachset auf.

Alle Weste wehen hier gelinder,

Und gelinder ist der Bäche Lauf.

Hier besuchen Götterkinder

Ihren Liebling: O geschwinder

Blüht, ihr jungen Rosen! auf.

 

Blüht geschwinder, ihr Gebüsche!

Denn, im fröhlichsten Gemische

Gehen, unter Musen, hier

Mit dem schönen Knaben wir.

Glanz erfüllet die Gebüsche:

Seht! im fröhlichsten Gemische,

Seht! im Glanze steiget er empor

Zu der Götter Chor.«

Lied des Orpheus, als er in die Hölle ging

 

Wälze dich hinweg, du wildes Feuer!

Diese Saiten hat ein Gott gekrönt;

Er, mit welchem jedes Ungeheuer,

Und vielleicht die Hölle sich versöhnt.

 

Meine Saiten stimmte seine Rechte:

Fürchterliche Schatten, flieht!

Und ihr winselnden Bewohner dieser Nächte,

Horchet auf mein Lied!

 

Von der Erde, wo die Sonne leuchtet,

Und der stille Mond;

Wo der Thau das junge Moos befeuchtet,

Wo Gesang im grünen Felde wohnt;

 

Aus der Menschen süßem Vaterlande,

Wo der Himmel euch so frohe Blicke gab,

Ziehen mich die schönsten Bande,

Ziehet mich die Liebe selbst herab.

 

Meine Klage tönt in eure Klage;

Weit von hier geflohen ist das Glück;

Aber denkt an jene Tage,

Schaut in jene Welt zurück!

 

Wenn ihr da nur einen Leidenden umarmtet,

O so fühlt die Wollust noch einmal;

Und der Augenblick, in dem ihr euch erbarmtet,

Lindre diese lange Qual!

 

O ich sehe Thränen fließen!

Durch die Finsternisse bricht

Nun ein Strahl von Hoffnung; ewig büßen

Lassen euch die guten Götter nicht!

 

Götter, die für euch die Erde schufen,

Werden aus der tiefen Nacht

Euch in selige Gefilde rufen,

Wo die Tugend unter Rosen lacht.

An Lenetten

 

Ueber ein im Oktober von ihr gefundenes Veilchen.

 

Ein fröhlicher Sylphe,

Der, wenn die Lerche sich hebt,

Mit ihr in blauen Luften schwebt;

Des Frühlings treuer Gehülfe,

Der ihm das Füllhorn reicht,

Und über zarte Knospen schleicht,

Den Knospen Wohlgerüche giebt,

Und jede Blume des Grases liebt;

Ein Gott voll Unschuld, wie die Blüthe

Der Linden im Thal,

Und voll bescheidner Güte,

Wie nächtlicher Thau, bey Mondesstrahl;

Der sah im letzten May, von seinem Rasenbette;

Wo neben ihm ein Sylphenmädchen schlief,

Dich Freuden athmende Lenette!

Wie Geister sehen, sah er tief

In deine liebliche Seele,

So lieblich, wie die grüne Höhle,

In deren Innersten ein Kind, das nie gewacht,

Das keine böse That gedacht,

Ein kaum gebohrner Amor lacht.

Der fröhliche Sylphe,

Der Gott voll Unschuld, wünschte sich, dein,

Und nicht des Frühlings Gehülfe,

Nicht seiner Sylphide Liebling zu seyn.

Er eilte durch den Hain,

Mit frischen Kränzen schön behangen,

Und küßte dich.

Jedoch auf deinen sterblichen Wangen

Verloren seine Küsse sich

In einen Rosenduft, in eines Windes Wehen.

Nun stand der Gott, vom Lenz' allein gesehen,

Und weinte bitterlich;

Denn alle Küsse verloren sich.

Allein, wo seine Thränen fielen,

Da sproß ein Veilchen empor,

Und eine von seinen Gespielen,

Aus der Nymphen Chor,

Lispelt ihm ins Ohr:

Deine Küsse fühlen

Kann das Erdenmädchen nie;

Aber, du Glücklicher, sieh

Deinen Thränen dieses Veilchen entblühn!

Liebe will es auferziehn,

Und es lebt noch, wenn die Farben

Jedes Blumenbeets erstarben;

Dann, des Herbstes auch sich freuend, irrt

Deine Schöne hier, wo rauhe Winde schwärmen,

Bricht das Veilchen, und es wird

Sich an ihrem Busen wärmen.

An Elisens künftigen Geliebten

 

Welche Mutter hat, mit stillen Thränen,

An den Busen dich gelegt,

Und das erste zärtliche Sehnen

Deiner Kindheit eingeprägt;

 

Und dir die süße Sorge gepriesen,

Mit der du fremden Kummer stillst?

Wer bist du, Jüngling! der du mir Elisen,

Die schönste der Grazien, rauben willst?

 

Hat ihren leichten Scherz Aglaja dir gegeben,

Hat sich ihr Lächeln tief in deine Seele gedrückt?

Haben die Tugenden dein Leben

Mit jedem hohen Reize geschmückt?

 

Gefiel, im heiligen Schleyer,

Die Keuschheit, am Arme der Jugend, dir,

Und fühltest du der Büsche Feyer

Unter dem ruhigen Monde mit mir?

 

Hast du das Gräschen auf der Wiese

Mit Freude gesehen, wie es grünt?

So komm, du Glücklicher! O komm, hier ist Elise!

Du hast der Grazien schönste verdient.

 

Mich wird kein Lenz hinfort in seinen Thälern finden:

Umarme, beßter Jüngling, mich,

Und laß mich um dein Haar die Mirthe der Liebe winden:

Mein letzter Segen ist für dich.

An Elisen

 

Stammte der Geist, Elise!

Den ein Gedanke der Liebe schuf,

Nicht vom Himmel, wären Paradiese

Nicht sein künftiger Beruf:

 

Sollt' ihm keine neue Sonne glänzen;

Hielt' ein niedriges Geschick

Ihn auf ewig in den Grenzen

Dieser Sterblichkeit zurück;

 

Müßt' er durch die weite Schöpfung wandeln,

Die Natur beleben überall;

Jetzt im Weisen, wie die Götter, handeln;

Jetzt ein Liedchen singen in der Nachtigall;

 

Um die grüne Quelle schweben,

In der hohen Linde blühn,

Oder aus gestorbnen Reben

In den Keim der Veilchen ziehn.

 

Ach! Elise, wäre dann ein Schimmer

Süßer Angedenken mein;

In der weiten Schöpfung sollte nimmer

Dein Geist für mich verlohren seyn.

 

Ich wollte neben dir im Rosenhaine sprießen,

Als Mirthe dir zur Seite stehn,

Im Bache dir entgegen fließen,

Mit dir im leisen Weste wehn.

 

Und holde Mädchen giengen

Im Rosenhaine dann;

Elise! wir empfiengen

Den müden Wandersmann,

 

Beschatteten gelinde

Sein armes, kleines Mahl,

Und lispelten im Winde

Durch ein beblümtes Thal,

 

Wo Hirtenknaben spielten;

Verdoppelten den Flug

Zum Schnitter hin, und kühlten

Ihm seinen Wasserkrug.

 

Wir eilten in dem Flusse,

Verkündigten den May,

Und murmelten sanfter bey dem Kusse

Zärtlicher Bräute vorbey.

 

Aber o! ich fühl es: Paradiese

Warten auf uns; göttlich ist unser Beruf:

Dein Lächeln sagt es mir, Elise!

Daß uns die Liebe schuf.

 

Dein Lächeln soll, in schönern Welten,

Zur Seligkeit die Geister weihn,

Und Engeln Tugenden vergelten,

Und mir ein Lohn der Unschuld seyn.

Die Auferstehung

 

Horch, Elise! da rollen Gesänge

Goldner Harfen her;

Ueber hohe Felsengänge

Rollen sie, wie der Donner, schwer.

 

Barden singen von der Welten

Vater, der als Richter kömmt;

Singen, wie vor seinem Schelten

Meere fliehen, und der Strom sich hemmt;

 

Singen vom allmächtigen Erstaunen,

Das die Sonne faßt in ihrer Bahn,

Und von Gräbern, aufgethan

Bey dem Rufe der Posaunen;

 

Von der Erden Untergang,

Welche sich in Feuerflammen wälzen,

Und von Sternen, welche schmelzen,

Bey der Todesengel Gesang.

 

Deine Seele bebt, Elise!

Wie das fromme Lämmchen bebt,

Wenn sich über seiner Wiese

Schnell ein hohler Sturm erhebt?

 

Zittre nicht! Ein Gott will richten,

Richten will er jede That;

Aber kann er diese Welt zernichten,

Diesen Boden den Elise betrat?

 

Schaffende Liebe winket einst der Erde,

Daß ein neuer Frühling werde;

Zeichnet neuen Sonnen ihre Bahn;

Und ein besserer Tag bricht an.

 

Friede zieht in jede Höhle;

Still und lieblich soll der Hain,

Und so schön, wie deine Seele,

Soll die ganze Schöpfung seyn.

 

Ueberall Frühlingsluft:

Ueberall ein ruhiges Wehen.

Blumen werden auferstehen

Dann um deine Gruft;

 

Blumen, welche deinem Schatten

Mädchenhände gestreuet hatten

Hin auf jene Gefilde der Ruh;

Blumen, längst gestorben, wie du.

 

Wie sie blühend auferstehen,

So erwachen, bey dem Wehen

Einer stilleren Luft,

Nachtigallen rings um deine Gruft.

 

Neben ihr hatten sie gesungen

Durch die Gefilde der Ruh,

Neben ihr in Abenddämmerungen:

Und sie starben längst, wie du.

 

Komm, Elise! Gerüche wallen

Von verjüngten Bäumen herab:

O, beym Gruße der Nachtigallen,

Oeffnet sich dein Grab.

 

Komm, Elise! Schon umringen,

Wie Gespielen einer Braut,

Selige Geister dich, und singen

Deines Lebens stille Thaten laut.

 

Und du gehst an ihrer Seite

Nun mit sanfter Majestät,

Wie die Tugend, im Geleite

Neugebohrner Engel, geht.

 

Einen Zweig von deinem Kranze

Bietest du mir lächelnd an;

Und ein Strahl von deinem Glanze

Fällt auf meine Leyer dann.

 

Welch ein Strahl! Dem Paradiese

Nenn ich dich; und bin verklärt,

Bin ein Engel, und, Elise!

Deiner Liebe werth.

An Antoinetten

 

Als sie, am Feste des heiligen Nikolaus, einen neuen Schleyer bekam.1

 

Frommes Mädchen! nimm den Schleyer,

Den ein Heiliger dir giebt;

Und dann höre meine Leyer:

Mädchen hat sie nie getrübt.

 

Fromm, wie du, sind ihre Saiten:

Aber ach! was sing' ich dir?

Ernste Todtenglocken läuten;

Opferkerzen schimmern hier.

 

Sing' ich, wie der Engel beßter

Deine Schönheit sich bekennt,

Und dich seufzend seine Schwester,

In dem Chor der Engel, nennt?

 

Wie am jungfräulichen Bette,

Wo er sorgsam dich bewacht,

Holder ihm, als Antoinette,

Kein geweihtes Mädchen lacht?

 

Wie, bevor die Morgensonne

Hinter Bergen sich entdeckt,

Er vertraulich seine Nonne

Mit dem goldnen Flügel weckt;

 

Jedes Aemtchen treu verwaltet,

Emsig um den Nachttisch irrt,

Und den Schleyer selbst entfaltet,

Welcher dich verschönern wird?

 

Wie die kleinsten Seraphinen,

Wenn du dich zum Feste schmückst,

Um die Wette dich bedienen,

Und du alle sie entzückst?

 

Oder, wenn in deine Zelle,

Bey gestorbner Lampe, still,

Von den Geisterchen der Hölle

Sich der Kühnste wagen will;

 

Wie er nach dem rothen Kreuze

Deines Schleyers ängstlich sieht;

Aber schneller vor dem Reize

Deines sanften Auges flieht?

 

Soll ich singen, wie die Seelen

Der Verklärten, unsichtbar,

Mit dem Himmel dich vermählen,

Am erleuchteten Altar?

 

Wie die jauchzenden Gerechten

Dort, im Paradiese, schon

Mirthen dir zum Kranze flechten,

Bey der Hymne lautem Ton;

 

Und, für diese dunkle Zelle,

Schon die jüngste Himmelsbraut

Dir, an ewig grüner Quelle,

Frische Rosenhütten baut?

 

Wie du, glänzender und freyer,

Einst in Sonnentempeln stehst,

Und den Engeln, ohne Schleyer,

Freudiger entgegen gehst?

 

Wie – doch nein, geliebtes Mädchen!

Meine Lieder bringen nur

Diesem oder jenem Städtchen

Die Befehle der Natur.

 

Lerne denn von meiner Leyer,

Daß der Liebe Lächeln nicht

Deinem Kreuze, deinem Schleyer,

Deiner Zelle widerspricht.

 

Du bedrohst mich, Antoinette?

Blickst hinweg, und athmest schwer,

Als bewegten ihre Ketten

Schwarze Geister um dich her?

 

Schrecken dich, an jenen Wänden,

Stumme Bilderchen von Stein,

Mit emporgehobnen Händen,

Und mit einem goldnen Schein?

 

Weil sich Heilige betrübten,

Kniest du einsam hin, und weinst?

Gutes Mädchen! O sie liebten –

Glaube mir, sie liebten einst.

 

Um die Höhle, wo sie lagen,

Standen Liebesgötter da;

Unter manchen leisen Klagen

Sang ihr Lied Cäcilia.

 

Nur ein Irrthum jener Zeiten

Schuf den Bannstrahl für die Lust;

Wollte süße Zärtlichkeiten

Tilgen in der jungen Brust;

 

Ließ, die Freude zu entfernen,

Arme Mädchen Buße thun;

Aber, wandelnd über Sternen,

Folgen sie der Liebe nun.

 

Und noch zärtlicher, als diese,

Küssen Engelchöre sich:

O wie könnten Paradiese

Blühen, wo die Liebe wich?

Fußnoten

 

1 Dieses Lied wurde zwar durch eine junge artige Klosterfrau veranlaßt, ihr selbst aber niemals gezeigt: es ist folglich als bloße Dichterphantasie anzusehen.

 

 

Auf Adelaides Fächer

Der Fächer:

 

Zephyr! du Menschenfreund!

Komm aus deinen Gebüschen,

Komm, wir wollen vereint

Adelaiden erfrischen.

 

Zephyr.

 

Vereint mit dir?

Ich, dessen rosigte Schwingen

Die ganze Natur verjüngen?

Es winken mir

Lilien und Narcissen;

Es rufen mich zu Tänzen und Küssen

Im fröhlichen May

Götter und Nymphen herbey.

Dich aber schuf, mein Säuseln nachzuahmen,

Die Mode-Tändeley

Am Putztisch eitler Damen,

Ein kleines Spielwerk ohne Namen,

Verdammt zu ew'ger Sklaverey.

So wehe denn mit deinem gebrechlichen Flügel,

Du thörichtes Ding!

Und ich erwart', am Sonnenhügel,

Den goldnen Schmetterling.

 

Der Fächer.

 

Achte mich immer gering,

Du, mit deinem schönen Flügel,

Welchen der Himmel bethaut!

Ich, mit Adelaiden vertraut,

Und von ihrer Hand getragen,

Lasse dir, in Frühlingstagen,

Deine Götter und Nymphen, sonder Neid;

Denn, von diesen Sterblichen getragen,

Eil' ich manche leise Klagen,

Manches Lächeln zu verstecken,

Und der Wangen Röthe zu decken,

Still besorgt, daß ihre Lieblichkeit

Dieser ungeheiligten Erde

Nur im Schleyer sichtbar werde.

Der neue Pygmalion

 

»Mich nun verlassen? Cynthio!

Mich nun auf ewig? Liebst du so

Die zärtliche Rosette?

Belohnst sie mit Verrätherey,

Und achtest nicht ihr Klaggeschrey

Am naßgeweinten Bette?

 

Verschmähst getreuer Liebe Gunst,

Da sie, behülflich deiner Kunst

Den Marmor zu beleben,

Zu deinen Venusbildern dir,

Was schön und artig war an ihr,

In Unschuld Preis gegeben?

 

Wohlan, Verräther! so vergiß,

Wer diese Hülle mir entriß

Mit seinen Schmeicheleyen.

Und ach! mit Küssen ohne Zahl,

Wer durfte mir zum ersten Mahl

Die junge Brust entweihen?

 

Du fliehst Rosettens Angesicht?

O Cynthio! so sprachst du nicht,

Als ich, von deinem Flehen

Erweicht, die Hülle faßte, gieng,

Und meine Heiligen behieng,

Aus Furcht, sie möchten sehen;

 

Als noch mein unverstellter Blick

Zu manchem hohen Meisterstück

Am Morgen dich entzückte;

Als ich, so bald der Abend kam,

Das Werkzeug deinen Händen nahm,

Und dich mein Kuß beglückte.«

 

»Verzeih, Geliebteste! verzeih;

Mein Ruf ist eine Wüsteney,

Verborgen deinen Küssen;

In Wäldern muß ich, fromm und wild,

Für jedes allzuschöne Bild,

Nach dir geformet, büßen.

 

Im Himmel, o du gutes Kind!

Bekenn' es nur, im Himmel sind

Nicht Heben und Dianen:

Da treffen wir uns wieder an:

Ich will indeß, so gut ich kann,

Für uns die Wege bahnen.«

 

Das treue Mädchen weinte Blut;

Und dennoch wandelte, voll Muth,

Der Heilige von dannen,

Bereits im Haar den goldnen Schein,

Im Kopfe nichts als Engelein,

Agnesen und Susannen.

 

Nach einer kurzen Reise kroch

Er in ein dunkles Felsenloch,

Und baute seine Zelle.

Zusammen trug er in den Wald

Sich Steine dann, die wurden bald

Zur artigen Kapelle.

 

In tiefer Reue schnitzt' er nun,

Vom Beten dann und wann zu ruhn,

Sich eine Magdalene,

Mit blonden Locken, dünner Tracht,

In allen Theilen wohl gemacht,

Bis auf die kleinste Thräne.

 

Sie lag am Felsen jämmerlich,

So schön, daß auch ein Türke sich

Mit ihr betrübet hätte.

Und wißt ihr, wem sie ähnlich war?

An Auge, Busen, Mund und Haar,

Der weinenden Rosette.

 

»Was seh' ich? Welche Prüfung? O!

Der Himmel will, des bin ich froh,

Die stolze Brust zermalmen.

Ich folge williglich.« Er bringt

Das Bild in sein Kappellchen, singt

Ihm lauter Klage-Psalmen;

 

Und pflegt es mit geweihter Hand,

Und schenkt ihm täglich allerhand

An Blumen und an Kerzen;

Er seufzet, kniet ohn' Unterlaß;

Jedoch auf einmal schreckt ihn was

In seinem bangen Herzen.

 

Er geht, mit Zweifeln angefüllt,

Und sucht, und flieht das schöne Bild,

Verändert ihm die Stelle;

Berührt es, jammert, bebt zurück,

Und schließet jeden Augenblick,

Und öffnet die Kapelle.

 

Berühmt im ganzen Lande ward

Herr Cynthio mit seinem Bart,

Und seiner Magdalene.

Da kamen Pilger weit und breit,

Matronen voller Heiligkeit,

Und manche junge Schöne.

 

Die opferten. Was hilft es ihm?

Und was dem innern Ungestüm

Sein Beten und Casteyen?

Er schmachtet, er verzehrt sich ganz;

Kein Festtag und kein Rosenkranz

Vermag ihn zu befreyen.

 

An einem kühlen Morgen schlug

Sein Herz ihn wach, der Arme trug

Ein Lämpchen in die Mette:

O Bild! so reizend warst du nie!

Sein Geist verirrte sich, er schrie:

Ach heilige Rosette!

 

Und alsobald erwärmte sich

Der Marmor; seine Blässe wich,

Der Busen schien zu beben;

Die Augen glänzten allgemach;

Da lächelte das Bild, und sprach:

O Cynthio, mein Leben!

 

Rosette war es. Sie vergaß

Den Liebling nicht. Rosette saß

Bey seiner Magdalene.

Vergönne, daß, in frommer Ruh,

Ich mit den Heiligen, wie du,

Geliebter! mich versöhne.

 

Zu deinen Bildern hielt ich still,

Wenn du sie formtest; und ich will

Zur Buße mich bequemen;

Du magst zu einer Ursula,

Walpurgis und Cäcilia,

Von mir die Züge nehmen.

 

Das that er; und im ganzen Land,

Auf Märkten und an Wegen, stand,

Von allen um die Wette

Bekränzt, in Weihrauch eingehüllt,

Mit einer Glorie, das Bild

Der lachenden Rosette.

Freye Nachahmung des französischen Liedes:

Que ne suis – je la fougére1

 

Wenn im leichten Hirtenkleide

Mein geliebtes Mädchen geht,

Wenn um sie die junge Freude

Sich im süßen Taumel dreht,

Unter Rosen, zwischen Reben,

In dem Hain und an dem Bach,

Folgt ihr dann mit stillem Beben

Meine ganze Seele nach.

 

Wär' ich auf der Frühlingsaue

Nur das Lüftchen, das sie fühlt,

Nur ein Tropfen von dem Thaue

Der um sie die Blume kühlt;

Nur das Bäumchen an der Quelle,

Das sie schützet und ergötzt,

Und die kleine Silberwelle,

Die den schönsten Fuß benetzt!

 

Wären meine Klagetöne

Der Gesang der Nachtigall,

Hörte mich die sanfte Schöne

Zärtlich in dem Wiederhall!

Lispelt' ich an Rosenwänden

Als ein Abendwind herab,

Oder wär' in ihren Händen

Der beblümte Hirtenstab!

 

Könnt' ich ihr als Veilchen dienen,

Wenn sie neue Kränze flicht;

Könnt' ich in der Laube grünen,

Wo mit ihr ein Engel spricht!

Böt' ich in vertrauten Schatten

Ihrem Schlummer sanftes Moos,

Oder, wo sich Täubchen gatten,

Meinen blumenreichen Schooß!

 

Mach', o Liebe! dort im Stillen,

Unter jenem Mirthenbaum,

Wo sie ruht, um ihretwillen

Mich zum leichten Morgentraum!

Mit verschämtem holden Lachen

Sehe sie mein Schattenbild –

Und, o Liebe, beym Erwachen

Werd' ihr Morgentraum erfüllt!

 

Fußnoten

 

1 Anthologie françoise T. II. p. 261.

 

 

Der zärtliche Liebhaber1

Ein junger reicher Lord,

Der mehr als eine Welt sein treues Julchen liebte,

Und, auf ein halbgesagtes Wort,

Den kleinsten Wunsch von ihr sich zu errathen übte,

Gieng einst in einer Sommernacht,

Vom heiterm Himmel angelacht,

Mit ihr, für deren Glück er alles hingegeben.

»O sieh doch«, rief das Mädchen schnell,

»O sieh doch, welch ein Stern, wie spielend und wie hell!

Der schönste, den ich sah in meinem ganzen Leben!«

Sie fühlt des Lieblings Hand in ihren Händen beben;

Er sieht den Stern, mit traurigem Gesicht,

Und dann sein Mädchen an, und spricht:

»Ach! Julchen, ach! verlang ihn nicht,

Ich kann ihn dir nicht geben!«

Fußnoten

 

1 Eine wahre Geschichte, nach einer mündlichen Erzählung.

 

 

Nach dem Arabischen

Laß immer sie, die punten Papageyen,

Sich ihres kurzen Lebens freuen,

Sich stolz im Federschmucke blähen,

Und lauter um den Hügel schmähen,

Worauf der Phönix lebt,

Der zwischen Palmenbäumen,

Erwacht von schönen Träumen,

Ein Himmelskind, den goldnen Fittig hebt

Und in der Sonne da, wo sie dem Meer entflieht,

Sein künftig Auferstehen sieht.

Es werden nicht sein Auferstehen

Die bunt gemahlten Vögel sehen.

Wenn um den Sterbenden gelinde Lüfte wehen,

Des Phönix Asche raucht

Und Wohlgerüche von sich haucht,

Wenn er im Palmen-Hain verjüngt

Sich herrlicher zur Morgenröthe schwingt –

O dann vermoderten die Leichen

Der Papageyen längst in düsteren Gesträuchen;

Sie moderten, mit ihren Schmäheliedern,

Vergifteten der Staude Balsamduft,

Ein Scheusal ihren eignen Brüdern,

In angesteckter Luft.

Gesäubert ist in jenen Tagen

Die Stätte, wo sie lagen,

Hinweg gekehrt ihr Staub von allen Winden:

Vergangen schon das düstere Gesträuch,

Und selbst in der Verwesung Reich

Ist ihre Spur nicht mehr zu finden.

Womus

 

Als neulich Vater Jupiter

Sein müdes Haupt, von Sorgen schwer,

Auf seine Götterrechte stützte,

Und mit der Linken mächtig blitzte;

Die großen Augen hin und her

Gedreht, im Lehnstuhl überdachte,

Was nun sein Erdenvölkchen machte:

Da kam zum hohen Jupiter,

Mit einem Kasten auf dem Rücken,

Freund Momus, unter vielem Bücken,

Und grüßte den Olymp, und bat

Den ganzen göttlichen Senat,

Zu seinen schönen Raritäten

Ein wenig näher hin zu treten.

Man sah, und sah die weite Welt

Von Sonn' und Monden überschimmert,

Im Kleinen trefflich nachgezimmert;

Und Erde, Feuer, Luft und See,

Und alles, was darinnen je

Gewesen: Leopard und Wurm,

Und Nachtigall, und Krieg und Sturm

Und Wäldchen, reich an Melodieen,

Und Berge, welche Flammen spieen:

Das erste Paradies; den Thurm

Zu Babel, neben einer Grotte

Bewohnt vom jüngsten Liebesgotte;

Der Ninon stilles Cabinett,

Und Magdalenens hartes Bett,

Umtanzt mit höllischem Gewimmel,

Und Heilige, schon halb im Himmel;

Des jungen Peleiden Zorn,

Des Epikur gerühmten Frieden;

Und hier Egyptens Pyramiden,

Und dort ein Lied von Hagedorn.

Nicht minder künstlich war zu sehn

In seinem Fasse Diogen,

Und auf der Bühne Carl der Zwölfte;

Petrarch mit seiner lieben Hälfte;

Semiramis und Helena;

Musarion und Pamela;

Mein Bayle zwischen seinen Zweifeln,

Und Doktor Faust mit seinen Teufeln,

Und Robinson auf seiner Fahrt;

Am schattenvollen Traubenhügel

Anakreons gesalbter Bart:

Candide, Solon, Eulenspiegel,

Confucius und Aretin,

Und Schwedenborg und Harlekin

Aus einem Ey hervorgekrochen;

Der Eremit bey Todtenknochen;

Armida bey Rinaldens Kuß;

Und endlich machten den Beschluß

Chymisten, Critiker, Propheten,

Druiden, Zauberer, Poeten,

Nebst Sittensprüchen, Wunderlehr',

Und tausend andern schönen Sachen.

Da blitzte Jupiter nicht mehr,

Und alle Götter mußten lachen.

Die Nachtigall

 

Eine Fabel

 

Die zartgebaute Nachtigall

Verbarg sich vor dem großen Schall

Der noch entfernten Donnerschläge;

Nicht weit von ihr, am offnen Wege,

Saß ungeschützt, mit seiner Brut,

Ein schwarzer Rabe, voller Muth,

Und hörte kaum die Donnerschläge.

 

Da sah die bange Sängerinn

Nach ihrem kühnen Nachbar hin.

»Warum«, so klagte sie bescheiden,

»Muß diesen Räuber ich beneiden?

Mich nennen Wiese, Busch und Flur,

Den kleinen Günstling der Natur;

Und doppelt fühl' ich jedes Leiden.«

 

Ein Schäfer, der vorübergieng,

Vernahm den Klageton, und fieng

Den Frühlingsbothen an zu fragen:

»Ob nicht die Luft, an heitern Tagen,

Ob nicht das erste Grün, im May,

Den Nachtigallen schöner sey,

Als denen, welche nimmer klagen«?

 

Der weise Schäfer hatte Recht.

Es giebt ein nervichtes Geschlecht

Von unerschrocknen Männerseelen;

Jedoch aus ihren heisern Kehlen

Geht keine Göttermelodie,

Und Rabenkinder werden nie

Zu still behorchten Philomelen.

Der Bach

 

Es ließ ein Hirt auf grünen Rasen

Die weissen Lämmer grasen,

Und sang dem nahen Bach

Ein Lied in seine Thäler nach.

 

»Du Führer kleiner Bäche,

Den jede Staude gern in ihren Schatten nimmt,

Auf dessen Silberfläche

Das Bild der Sonne schwimmt!

Da wandelst du, gepriesen

Von jeder Nachtigall,

Und tränkest auf den Wiesen

Die Blumen überall;

Da kömmt in dir zu baden,

Mit süßem Raub beladen,

Die Honigträgerinn;

Da fliegt ein Taubenpaar zu deinem Ufer hin;

Die junge Schäferinn'

Entkleidet sich im Stillen;

Es werfen dir, um ihretwillen,

Die Götter Küsse zu.

Beglückter Bach! In dieser Ruh,

Bey diesen Küssen,

Wie kann es dich verdrießen,

Wenn dir ein Faun, mit seinen Ziegenfüßen,

Die kleinste Welle trübt?

Du wirst, nicht weniger geliebt,

Du wirst, nicht minder hell,

Von jenem hohen Felsenquell,

Bey lautem Maygesang, in ferne Meere fließen.«

An Betty

 

Im Namen einer Gesellschaft.

 

Weißt du, liebes Schwesterchen, daß du seit einigen Tagen nicht mehr dieselbige bist; nicht mehr die fröhliche Betty, welche jede kleine Grille sogleich durch ein lachendes Gesicht verscheucht, und für jedes allzu ernsthafte Nachdenken einen launichten Einfall in Bereitschaft hat? Dein vorgestriges Stillschweigen, dein gestriger Gruß, und dein heutiges Billet machen uns deinetwegen so bekümmert, daß wir mit klingendem Spiele zu dir kommen, und wider deinen Willen dich aufheitern müßen. Zuletzt möchtest du noch Erscheinungen haben:

 

Und lauter Gräber um dich sehn,

Und zwischen Knochenhäusern gehn,

Einher auf Leichensteinen kriechen,

Und ihre Todtendüfte riechen.

Es möchten sich zu dir Gespenster wagen,

Den Kopf in blassen Händen tragen,

Und fürchterlich, im Mondenschein,

Mit ihrer stumpfen Stimme schreyn.

Es möchten Teufelchen, in schwarzgemahlten Kappen,

Um dich herum die Zähne klappen;

Du sähst, auf raschen Fledermäusen,

Sie prächtig durch die Lüfte reisen:

Du sähest Hexenmeister, Hexen,

Im Phaeton, bespannt mit Sechsen,

Den Donnerwolken sich befehlen,

Zum Kutscher einen Kobolt wählen,

Und Feuermänner, als Heyducken,

Aus großen Flammenaugen gucken;

Und endlich nickten dir, zur angenehmen Ruh,

Die halb entschlafnen Eulen zu.

 

Welch eine Litaney von schrecklichen Prophezeyungen! Armes Schwesterchen! Eile, so sehr du kannst, in unsern Zirkel zurück, und laß unsere Phantasie für das übrige sorgen.

 

Du sollst in Rosenlauben gehen,

Und lachende Gefilde sehen,

Und dich, im stillen Mondenschein,

Den Grazien zur Schwester weihn;

Und nur vom Spiel der Amoretten träumen,

Die, unter ihren Mirthenbäumen,

Sich goldne Schmetterlinge zäumen,

Dann über schöne Wiesen reiten,

Um Schäferinnen zu begleiten;

Dann, in Violen und Narcissen,

Verwandelte Najaden küssen.

Du sollst in ihrem Lieblingshain,

Der losen Knaben Zeuge seyn,

Wenn sie, zum Scherze, sich verkappen,

Ein armes Mädchen zu ertappen,

Das auf der Weide Blumen pflückt,

Und voller Unschuld sie an seinen Busen drückt.

 

Bist du mit uns zufrieden, liebste Betty! Sag' es uns geschwind; denn wir alle sind voll Ungeduld, und werfen schon die zärtlichsten Küsse deiner Antwort entgegen.

 

Der Hirt und der Förster

 

Liebe Nachtigall!

Schöner Blüthenregen!

Wie die Knospen all'

Unter Lerchen-Schlägen

An der Quelle sich bewegen!

O wie lieblich Alles ist!

Aber wenig Freude

Für den Mann im grünen Kleide,

Welcher dort gekommen ist,

Nur die Bäume zählt und mißt,

Und das frische Laub zu sehen,

Und die Lerche zu verstehen,

Und den Blüthenkranz am Silberquell vergißt!

Der Heher

 

Daß unter tausend, tausend Liedern,

Wenn jede Muse singt, wenn, voller Seligkeit,

Die Völker den Gesang erwiedern –

Daß unter tausend, tausend Liedern,

Hervor aus seiner Dunkelheit,

Des Neides hohle Stimme schreyt –

O Chloe! soll uns dies in unserm Glücke stören?

Gedenke nur an jenen Hain,

An jenen Frühlings-Sonnenschein!

Da giengen wir, von Nachtigallen-Chören

Das erste Maylied anzuhören;

Und o wie lieblich sangen sie –

Als plötzlich unter ihren Chören,

Versteckt im Holz, ein heisrer Heher schrie!

Wir aber ließen uns nicht stören:

Die rauhen Vögel selbst gehören

Zur großen Waldes-Harmonie!

Der Maulwurf

 

Nur geschwind es hingerichtet!

Quälen sollst du mir

Nicht das arme Thier,

Ob es gleich das Blumenbeet zernichtet;

Denn von allen Farben hier,

Welche durch einander funkeln,

Hat es keinerley Genuß.

Wühlt es doch im Dunkeln,

Wo es einmal wühlen muß!

Und daneben fehlt ihm das Gesicht:

Unsre Blumen kennt es nicht.

An die Deutschen

 

Ein kluges Volk, bekannt mit allem Schönen,

Ließ, in Athen, den weisen Sokrates

Auf öffentlicher Bühne höhnen –

Doch nur von Aristophanes,

Dem Liebling scherzender Camönen;

Und als der weise Mann die Bühne selbst bestieg,

Da – neigte sich das Volk, und schwieg.

Gleichniß

 

Dem rohen Susarat

Ein Teiisch Lied in unsre Laute singen?

Das hieß', auf einem Rebenblatt,

Dem Menschenfresser Honig bringen.

An die Götter

 

Ihr guten Götter, unsern Dank

Für eurer Weisheit ernste Lehren,

Die wir zum Trost im späten Alter hören!

Ihr Götter! unsern Lobgesang

Für jeden süßen Wahn der frohen Jugendzeiten,

Wo sich in tausend Lieblichkeiten

Der Geist verirrt, und Alles Küsse giebt,

Und jedes Sonnenstäubchen liebt!

Die Sternschnuppe

 

Wenn, vom gestirnten Himmel weit,

Sich ungefähr zur Abendzeit,

In grober Luft ein kleiner Dunst entzündet,

Und alsobald verschwindet,

Dann sieht der Astronom auf seiner Warte kaum

Der Dünste Spiel im niedern Raum;

Er blickt in Gegenden von ewig reinem Licht;

Dies Flackerwerk gehört an seinen Himmel nicht;

Allein der Pöbel glaubt auf Erden,

Es putze sich ein Stern, um glänzender zu werden.

An die Rose

 

Rose, komm! der Frühling schwindet;

Veilchen haben dich verkündet,

Mayenblumen starben hin:

Oeffne dich beym Lust-Getöne

Dieser Fluren; komm, o schöne,

Holde Blumen-Königinn!

 

Als du kamst im ersten Lenze,

Hingen tausendfache Kränze

Schon um Anger, Berg und Thal;

Ufer lockten, Wälder blühten,

Pomeranzen-Haine glühten

Weit umher im Sonnenstrahl.

 

Libanons umwölkte Gipfel

Hoben ihre Cedern-Wipfel

Duftend in den Morgenschein;

Doch auf dehmuthsvollem Throne

Solltest du der Schöpfung Krone,

Der Geschaffnen Wonne seyn.

 

Und du gingst mit leisem Beben

Aus der zarten Knosp' ins Leben;

Erd' und Himmel neigten sich;

Und es huldigten die Wiesen;

Nachtigallen-Chöre priesen,

Alle Nymphen liebten dich.

 

Goldne Schmetterlinge schlugen

Froh die Flügel; Winde trugen,

Wo die Luft in Jubel war,

Deinen Balsam; Herzen pochten

Dir entgegen; Mädchen flochten

Unter Perlen dich ins Haar.

 

Die von Weiber-Armuth sangen,

Mahlten sie mit Rosen-Wangen;

Jede Seele, gut und mild,

Arglos, unschuldvoll, bescheiden,

War in ihren höchsten Freuden

Dein getreues Ebenbild.

 

Und der Schönheit und der Jugend

Wächterinnen, Schaam und Tugend,

Zu den Knospen hingebückt,

Hüllten unter deinem Nahmen

Ihr Geheimniß; Bräute kamen

Nicht umsonst mit dir geschmückt.

 

Da begann der rohe Zecher,

Den von dir umblümten Becher

Keuschen Grazien zu weihn.

Allen Helden, allen Göttern

Ging das Volk mit deinen Blättern

Weg und Tempel zu bestreun.

 

Mit verjüngtem Herzen schlichen

Greise zu den Wohlgerüchen

Deines vollen Kelchs herbey;

Lehrten segnend ihre Söhne:

Daß hienieden alles Schöne,

Selbst die Rose sterblich sey.

 

An des Freundes heil'gem Grabe

Wurdest du zur letzten Gabe

Seinem Schatten dargebracht;

Solltest ihm den Pfad umschlingen,

Thränen ihm und Küsse bringen

In die leere Todes-Nacht.

 

Fromme singen an zu loben,

Sahn gen Himmel, ließen droben,

Zwischen Palmen ewig grün,

In des Paradieses Hallen,

Wo die reinen Geister wallen,

Dich zum Sieges-Kranze blühn.

 

Rose, komm! In stiller Feyer,

Unter jungfräulichem Schleyer,

Warfen Lilien auf dich;

Und für deine Schönheit offen,

Steht mein Herz in süßem Hoffen,

Liebes-Hauch umsäuselt mich.

 

O wie friedlich, o wie lauter

Diese Liebe! Wirst mich, trauter

Als der Morgensterne Pracht,

Von der Weisheit unterrichten,

Die so stolz der Berge Fichten,

Dich so klein und schön gemacht,

 

Daß in deinem holden Wesen

Wir der Seelen Unschuld lesen,

Uns die Brust von Ahndung schlägt;

Daß der Geist der niedern Blume

Unsern Geist zum Heiligthume

Schöner Gottes-Engel trägt.

An ein sterbendes Kind

 

So wandle denn, von Thränen und von Küssen

Begleitet, deine Bahn!

Ein kleiner Engel wird voran

Dir gehn, und leuchten dir in deinen Finsternissen.

Des Engels Haupt ist sanftes Abendroth;

Aus seinen Händen nimmt der Tod

Den Becher, den er dir zum letzten Schlummer beut;

Und tief im Becher ist des Himmels Süßigkeit.

Schon warten dein mit rosenfarbnen Flügeln,

Auf ewig grünen Hügeln,

Die Kinder-Seelen dort, im bessern Sonnenglanz,

Und zeigen sich einander deinen Kranz.

O wie so brüderlich, mit seligem Vertrauen,

Du neuer Engel! wirst du nun

An ihrer Brust, als ihr Gespiele, ruhn;

Mit ihnen Palmen-Hütten bauen,

Und zwischen Lilien den Gott der Wonne schauen,

Den du, vom Winde leicht gekühlt,

Hienieden schon gefühlt,

Als wir in deinen Schooß die ersten Blumen warfen.

So wandle denn zum Klang der Silberharfen;

Und wenn dein Blick herab von hohen Sternen fällt,

O dann gedenk' an diese Schatten-Welt,

An diesen Erden-Tag,

An diesen Labetrunk, in liebevollen Armen,

Das einzige, was irdisches Erbarmen

Dem Sterbenden zu reichen noch vermag.

Gedenk' an uns, in deinem Siege!

Mir aber segnen oft die kleinen, holden Züge,

In denen uns das Paradies

Ein Bild von seiner Unschuld wies.

An Caroline **

 

Halberstadt, den 22ten Februar 1775.

 

Freuen Sie sich, liebste Caroline! Sie bekommen hier ein Lied unsers Gleims, von ihm selber für Sie abgeschrieben; und zwar eins der schönsten, die er in seinem Leben gemacht hat. Es ist nicht bloße Dichtung. Wirklich war er, vor einigen Tagen, in seinem Garten, und sah das frühe Veilchen, und sah es, wie ein Mann, dessen Herz an den Schicksalen alles dessen, was athmet, einen warmen Antheil nimmt; der in der ganzen Schöpfung Gespielen sich aufsucht, um sich zu ihnen zu gesellen, mit ihnen zu fühlen; auch sie zu dem Guten, das ihm der Schöpfer gab, hin zu rufen. Ihm ist es ein süßer Gedanke, daß von dem, was einmal da war, nichts umkomme; daß in der Pflanze, die verwest, ein Saamen-Körnchen, oder mehrere, zu neuen Pflanzen liegen; daß nichts sterbe, sondern alles sich nur verwandle; daß auch in den geringsten Blumen ein Geist wohne; thätig, wie der unsrige, denn er haucht Gerüche von sich, die den Vorübergehenden laben; und unsterblich, wie der unsrige, denn er ist mit dem vollkommensten Geiste verwandt. Sollten wir nicht hoffen, daß dieser vollkommenste Geist, welcher Blumen und Engel schuf, das Niedrige, nach und nach, von einer Stufe zur andern, immer höher steigen lasse? Vielleicht fährt der Geist des Veilchens, wenn es verwelkt, in eine Lerche, fliegt in ihr zu den Wolken und singt – bis er eine freundliche Mädchenseele, wie die Seele meiner Caroline, wird, und aus ihr ein Engel!

 

Sagen Sie, meine Beste! sind die Blumenfelder und die Gesänge der Vögel, bey solchen Gedanken, Ihnen nicht angenehmer? Ist es nicht Trost, wenn die schönste Blume verdorrt, und die Jungen der Nachtigall, mit dem zerrißnen Nest, unter dem Baum vermodern, auf welchem ihre Mutter sie beklagt, dann zu glauben: Dieß Leben verstäubt nicht in der Luft? Die Asche dessen, was zu vergehen scheint, wird treulich gesammelt und aufgehoben!

 

Die Rose also, die Nachtigall kommt wieder, in einer bessern Gestalt. Dies Leben kann einst verherrlicht da stehen um den Thron Gottes.

 

Mit Ihnen, liebste Caroline, darf ich so reden, das weiß ich. Es sind keine dunkle Träume für Sie, wie denn selten uns etwas dunkel bleibt, woran dem Herzen gelegen ist, es zu verstehen.

 

Ein Wort in dem Gleimischen Liede wird Sie befremden; ob Sie gleich öfter es gehört, und sogar in Dichtern gelesen haben. Uz, in dem Gesang eines lächerlichen Schulgelehrten, der seine Schulweisheit bis in die Liebe überträgt, läßt diesen zu seinem Mädchen sagen:

 

»Die Monas, die in mir gedenkt,

Vermag, in deinen Reiz versenkt,

Die rohen Sinnlichkeiten

Nicht länger zu bestreiten.«

 

Ferner bittet eben derselbe Dichter in seinem trefflichen Nachtwächter-Liede:

 

»Das Wasser, alter Weisen Trank,

Gieb unsern jungen Weisen;

Und jage den Monaden-Zank

Von freudenvollen Schmäusen.«

 

Ohne Zweifel kennen Sie auch die Jungfer Marionette von Zachariä:

 

»Sie neigt sich artig, und steht da;

Und sagt aufs Höchste: Was und Ja!

Ach! sie ist noch Monade:

Wahrhaftig das ist Schade!«

 

Billig, meine Freundinn, sollte ich das Wort Ihnen erklären; aber in Wahrheit, obgleich Monas oder Monade unter allen kleinen Dingen das allerkleinste ist, so brauchten Sie doch ein ganzes Jahr wenigstens, um es recht zu wissen; und am Ende wären Sie ein Bischen gelehrter, aber, ich wette, nicht so liebenswürdig, als jetzt. Anstatt mit Ihrer Nadel artige Mädchen-Arbeit zu machen, säßen Sie, und dächten, wie viele Monaden wohl in ein Nadel-Oehr gingen, und ob die Monade, woraus der Faden zusammengesetzt wäre, sich von ihrer Arbeit einige Vorstellung machen könnte. – Denn kurz, wenn sie den feinsten Faden auseinander rissen, dergestalt, daß Sie die Theilchen davon kaum noch sähen – diese Theilchen zergiengen in noch kleinere, die man nicht anders, als durch ein Vergrößerungsglas, gewahr würde – so müßten diese wiederrum getheilt werden, so lange, bis auch der künstlichste Geist, mit seinen zartesten Instrumenten, und wären sie seiner, als der Athem der Milbe, nichts weiter davon zu theilen vermöchte. Nun erst hätten wir eine Monade. Natürlicher Weise bestehen alle Körper aus solchen Dingerchen, die sich, man weiß nicht wie, aneinander klammern. Ob sie, als eine Art von Geisterchen, denken oder träumen, darüber haben die Gelehrten lange gestritten.