Sein Lustspiel »Quintus Messis« wird nächste Woche gegeben. Heinrich von Kleists »Prinz von Homburg« wird nicht gegeben werden. An Grillparzer ist das Manuskript seiner Trilogie »Die Argonauten«, welches er unserer Intendanz geschickt hatte, wieder zurückgesandt worden. Markeur, ein Glas Wasser! Nicht wahr, der Kammermusikus, der weiß Neuigkeiten! An den wollen wir uns halten. Er soll Westfalen mit Neuigkeiten versorgen, und was er nicht weiß, das braucht auch Westfalen nicht zu wissen. Er gehört zu keiner Partei, zu keiner Schule, ist weder ein Liberale noch ein Romantiker, und wenn er etwas Medisantes sagt, so ist er so unschuldig dabei wie das unglückselige Rohr, dem der Wind die Worte entlockte: »König Midas hat Eselsohren!«
Zweiter Brief
Berlin, den 16. März 1822
Ihr sehr wertes Schreiben vom 2. Februar habe ich richtig erhalten und ersah daraus mit Vergnügen, daß mein erster Brief Ihren Beifall hat. Ihr leise angedeuteter Wunsch, bestimmte Persönlichkeiten nicht zu sehr hervortreten zu lassen, soll in etwa erfüllt werden. Es ist wahr, man kann mich leicht mißverstehen. Die Leute betrachten nicht das Gemälde, das ich leicht hinskizziere, sondern die Figürchen, die ich hineingezeichnet, um es zu beleben, und glauben vielleicht gar, daß es mir um diese Figürchen besonders zu tun war. Aber man kann auch Gemälde ohne Figuren malen, so wie man Suppe ohne Salz essen kann. Man kann verblümt sprechen, wie unsere Zeitungsschreiber. Wenn sie von einer großen norddeutschen Macht reden, so weiß jeder, daß sie Preußen meinen. Das finde ich lächerlich. Es kommt mir vor, als wenn die Masken im Redoutensaale ohne Gesichtslarven herumgingen. Wenn ich von einem großen norddeutschen Juristen spreche, der das schwarze Haar so lang als möglich von der Schulter herabwallen läßt, mit frommen Liebesaugen gen Himmel schaut, einem Christusbilde ähnlich sehen möchte, übrigens einen französischen Namen trägt, von französischer Abstammung ist und doch gar gewaltig deutsch tut, so wissen die Leute, wen ich meine. Ich werde alles bei seinem Namen nennen; ich denke darüber wie Boileau. Ich werde auch manche Persönlichkeit schildern; ich kümmre mich wenig um den Tadel jener Leutchen, die sich im Lehnstuhl der Konvenienzkorrespondenz behaglich schaukeln und jederzeit liebreich ermahnen: »Lobt uns, aber sagt nicht, wie wir aussehn.«
Ich habe es längst gewußt, daß eine Stadt wie ein junges Mädchen ist und ihr holdes Angesicht gern wiedersieht im Spiegel fremder Korrespondenz. Aber nie hätte ich gedacht, daß Berlin bei einem solchen Bespiegeln sich wie ein altes Weib, wie eine echte Klatschliese, gebärden würde. Ich machte bei dieser Gelegenheit die Bemerkung: »Berlin ist ein großes Krähwinkel.«
Ich bin heute sehr verdrießlich, mürrisch, ärgerlich, reizbar; der Mißmut hat der Phantasie den Hemmschuh angelegt, und sämtliche Witze tragen schwarze Trauerflöre. Glauben Sie nicht, daß etwa eine Weiberuntreue die Ursache sei. Ich liebe die Weiber noch immer; als ich in Göttingen von allem weiblichen Umgange abgeschlossen war, schaffte ich mir wenigstens eine Katze an; aber weibliche Untreue könnte nur noch auf meine Lachmuskeln wirken. Glauben Sie nicht, daß etwa meine Eitelkeit schmerzlich beleidigt worden sei; die Zeit ist vorbei, wo ich des Abends meine Haare mühsam in Papilloten zu drehen pflegte, einen Spiegel beständig in der Tasche trug und mich fünfundzwanzig Stunden des Tages mit dem Knüpfen der Halsbinde beschäftigte. Denken Sie auch nicht, daß vielleicht Glaubensskrupel mein zartes Gemüt quälend beunruhigten; ich glaube jetzt nur noch an den pythagoreischen Lehrsatz und ans königl. preuß. Landrecht. Nein, eine weit vernünftigere Ursache bewirkt meine Betrübnis: mein köstlichster Freund, der Liebenswürdigste der Sterblichen, Eugen v. B., ist vorgestern abgereist! Das war der einzigste Mensch, in dessen Gesellschaft ich mich nicht langweilte, der einzige, dessen originelle Witze mich zur Lebenslustigkeit aufzuheitern vermochten und in dessen süßen, edeln Gesichtszügen ich deutlich sehen konnte, wie einst meine Seele aussah, als ich noch ein schönes reines Blumenleben führte und mich noch nicht befleckt hatte mit dem Haß und mit der Lüge.
Doch Schmerz beiseite; ich muß jetzt davon sprechen, was die Leute singen und sagen bei uns an der Spree. Was sie klingeln und was sie züngeln, was sie kichern und was sie klatschen, alles sollen Sie hören, mein Lieber.
Boucher, der längst sein aller-, aller-, allerletztes Konzert gegeben und jetzt vielleicht Warschau oder Petersburg mit seinen Kunststücken auf der Violine entzückt, hat wirklich recht, wenn er Berlin la capitale de la musique nennt.
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