Von der Verbindung unseres Kronprinzen mit einer deutschen Fürstentochter verlautet nichts weiter. Großen Festlichkeiten sieht man hier entgegen bei Gelegenheit der Vermählung der Prinzessin Alexandrine.1 – Die Assembleen bei den Ministern sind jetzt geschlossen; die einzigen, die noch fortdauern, sind die, welche dienstags bei dem Fürsten Wittgenstein stattfinden. Unser Staatskanzler befindet sich jetzt ganz hergestellt und ist teils hier, teils in Glienicke. – Zur Ostermesse erscheinen: »Jahrbücher der königl. preuß. Universitäten«. Der Bibliothekar Spieker gibt das Festspiel »Lalla Rookh« heraus. – Der Riese, der auf der Königsstraße zu sehen war, ist jetzt auf der Pfaueninsel. – Devrient ist noch immer nicht ganz hergestellt. Boucher und seine Frau geben jetzt Konzerte in Wien. Maria von Webers neue Opern heißen »Euryanthe«, Text von Helmine von Chézy, und »Die beiden Pintos«, Text von Hofr. Winkler. Bernhard Romberg ist hier.

Ach Gott! es ist eine schlimme Sache mit Notizenschreiben. Die wichtigsten darf man oft nicht mitteilen, wenn man sie nicht verbürgen kann. Kleine Klatschereien darf man ebenfalls nicht schreiben; erstens, weil sie oft zu tief in Familienverhältnisse eingreifen, und zweitens und hauptsächlich, weil die, welche in Berlin am amüsantesten sind, oft in der Provinz langweilig und läppisch klingen. Um des lieben Himmels willen, was interessiert es die Damen in Dülmen, wenn ich erzähle, daß jene Tänzerin jetzt im Dualis sprechen könnte und jener Leutnant auffallend falsche Waden und Lenden trägt? Was kümmert's diese Damen, ob ich in jener Tänzerin eine oder zwei Personen annehme und ob ich jenen Leutnant aus zwei Drittel Watte und ein Drittel Fleisch oder aus zwei Drittel Fleisch und ein Drittel Watte bestehen lasse? Was soll man endlich Notizen über Menschen schreiben, von denen man gar keine Notiz nehmen sollte?

Wie man diesen Winter hier lebte, läßt sich von selbst erraten. Das bedarf keiner besondern Schilderung, da Winterunterhaltungen in jeder Residenz dieselben sind. Oper, Theater, Konzerte, Assembleen, Bälle, Tees (sowohl dansant als médisant), kleine Maskeraden, Liebhabereikomödien, große Redouten usw., das sind wohl unsere vorzüglichsten Abendunterhaltungen im Winter. Es ist hier ungemein viel geselliges Leben, aber es ist in lauter Fetzen zerrissen. Es ist ein Nebeneinander vieler kleinen Kreise, die sich immer mehr zusammenzuziehen als auszubreiten suchen. Man betrachte nur die verschiedenen Bälle hier; man sollte glauben, Berlin bestände aus lauter Innungen. Der Hof und die Minister, das diplomatische Korps, die Zivilbeamten, die Kaufleute, die Offiziere usw. usw., alle geben sie eigene Bälle, worauf nur ein zu ihrem Kreise gehöriges Personal erscheint. Bei einigen Ministern und Gesandten sind die Assembleen eigentlich große Tees, die an bestimmten Tagen in der Woche gegeben werden und woraus sich durch einen mehr oder minder großen Zusammenfluß von Gästen ein wirklicher Ball entwickelt. Alle Bälle der vornehmen Klasse streben, mit mehr oder minderm Glücke, den Hofbällen oder fürstlichen Bällen ähnlich zu sein. Auf letztern herrscht jetzt fast im ganzen gebildeten Europa derselbe Ton, oder vielmehr, sie sind den Pariser Bällen nachgebildet. Folglich haben unsere hiesigen Bälle nichts Charakteristisches; wie verwunderlich es auch oft aussehen mag, wenn vielleicht ein von seiner Gage lebender Sekondeleutnant und ein mit Läppchen und Geflitter mosaikartig aufgeputztes Kommißbrotfräulein sich auf solchen Bällen in entsetzlich vornehmen Formen bewegen und die rührend kümmerlichen Gesichter puppenspielmäßig kontrastieren mit dem angeschnallten, steifen Hofkothurn.

Einen einzigen, allen Ständen gemeinsamen Ball gibt es hier seit einiger Zeit, nämlich die Subskriptionsbälle oder die scherzhaft »unmaskierte Maskeraden« genannten Bälle im Konzertsaale des Neuen Schauspielhauses. Der König und der Hof beehren dieselben mit ihrer Gegenwart, letzterer eröffnet sie gewöhnlich, und für ein geringes Entree kann jeder anständige Mensch daran teilnehmen. Über diese Bälle und die Hoffestlichkeiten spricht sehr schön die geist- und gemütreiche Baronin Karoline Fouqué in ihren »Briefen über Berlin«, die ich wegen der Tiefe der Anschauung, die darin herrscht, Ihnen nicht genug empfehlen kann. Dieses Jahr fielen die Subskriptionsbälle nicht so glänzend aus wie voriges Jahr, da sie damals noch den Reiz der Neuheit hatten.