»Je te connais, beau masque«, ruft hier eine Chauve-souris einem jungen Wüstlinge entgegen. »Si tu me connais, ma belle, tu n'es pas grande chose«, entgegnet der Bösewicht ganz laut, und die blamierte Donna verschwindet wie ein Wind.

Aber was ist daran gelegen, wer unter der Maske steckt? Man will sich freuen, und zur Freude bedarf man nur Menschen. Und der Mensch ist man erst recht auf dem Maskenballe, wo die wächserne Larve unsere gewöhnliche Fleischlarve bedeckt, wo das schlichte Du die urgesellschaftliche Vertraulichkeit herstellt, wo ein alle Ansprüche verhüllender Domino die schönste Gleichheit hervorbringt und wo die schönste Freiheit herrscht – Maskenfreiheit. Für mich hat eine Redoute immer etwas höchst Ergötzliches. Wenn die Pauken donnern und die Trompeten erschmettern und liebliche Flöten- und Geigenstimmen lockend dazwischen tönen, dann stürze ich mich wie ein toller Schwimmer in die tosende, bunt beleuchtete Menschenflut und tanze und renne und scherze und necke jeden und lache und schwatze, was mir in den Kopf kömmt. Auf der letzten Redoute war ich besonders freudig, ich hätte auf dem Kopfe gehen mögen, ein bacchantischer Geist hatte mein ganzes Wesen ergriffen, und wär mein Todfeind mir in den Weg gekommen, ich hätte ihm gesagt: »Morgen wollen wir uns schießen, aber heute will ich dich recht herzlich abküssen.« Die reinste Lustigkeit ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Gott ist die reinste Lustigkeit! »Tu es beau! tu es charmant! tu es l'objet de ma flamme! je t'adore, ma belle!« Das waren die Worte, die meine Lippen hundertmal unwillkürlich wiederholten. Und allen Leuten drückte ich die Hand und zog vor allen hübsch den Hut ab; und alle Menschen waren auch so höflich gegen mich. Nur ein deutscher Jüngling wurde grob und schimpfte über mein Nachäffen des welschen Babeltums und donnerte im urteutonischen Bierbaß: »Auf einer teutschen Mummerei soll der Teutsche Teutsch sprechen!« O deutscher Jüngling, wie finde ich dich und deine Worte sündlich und läppisch in solchen Momenten, wo meine Seele die ganze Welt mit Liebe umfaßt, wo ich Russen und Türken jauchzend umarmen würde und wo ich weinend hinsinken möchte an die Bruderbrust des gefesselten Afrikaners! Ich liebe Deutschland und die Deutschen; aber ich liebe nicht minder die Bewohner des übrigen Teils der Erde, deren Zahl vierzigmal größer ist als die der Deutschen. Die Liebe gibt dem Menschen seinen Wert. Gottlob! ich bin also vierzigmal mehr wert als jene, die sich nicht aus dem Sumpfe der Nationalselbstsucht hervorwinden können und die nur Deutschland und Deutsche lieben.

 

Dritter Brief

 

Berlin, den 7. Juni 1822

 

Ich habe eben meinen Galarock, schwarzseidene Hosen und dito Strümpfe angezogen und melde Ihnen allerfeierlichst:

 

die hohe Vermählung Ihrer königl. Hoheit der Prinzessin Alexandrine mit Sr. königl. Hoheit dem Erbgroßherzoge von Mecklenburg-Schwerin.

 

Die ausführliche Beschreibung der Hochzeitfeierlichkeiten selbst lasen Sie gewiß schon in der »Vossischen« oder »Haude- und Spenerschen Zeitung«, und was ich darüber zu sagen habe, wird also sehr wenig sein. Es hat aber auch noch einen andern wichtigen Grund, warum ich sehr wenig darüber sage, und das ist: weil ich wirklich wenig davon gesehen. Da ich oft mehr den Geist als die Notiz referiere, so hat das so sehr viel nicht zu bedeuten. Ich hatte mich auch nicht genug vorbereitet, sehr viele Notizen einzusammeln. Es war freilich schon sehr lange vorher bestimmt, daß am 25. die Vermählung jener hohen Personen stattfinden sollte. Aber man trug sich damit herum, daß solche noch etwas länger aufgeschoben werde, und wahrhaftig, Freitag (den 24.) wollte ich es noch nicht recht glauben, daß schon am andern Tage die Trauung stattfände. Es ging manchem so. Sonnabendmorgen war es nicht sehr lebhaft auf der Straße. Aber auf den Gesichtern lag Eilfertigkeit und geheimnisvolle Erwartung. Herumlaufende Bedienten, Friseure, Schachteln, Putzmacherinnen usw. Ein schöner Tag, nicht sehr schwül; aber die Menschen schwitzten. Gegen sechs Uhr begann das Wagengerassel.

Ich bin kein Adeliger, kein hoher Staatsbeamte und kein Offizier – folglich bin ich nicht courfähig und konnte den Vermählungsfeierlichkeiten auf dem Schlosse selbst nicht beiwohnen. Dennoch ging ich nach dem Schloßhof, um mir wenigstens das ganze courfähige Personal zu beschauen. Ich habe nie soviel prächtige Equipagen beisammen gesehen. Die Bedienten hatten ihre besten Livreen an, und in ihren schreiend hellfarbigen Röcken und kurzen Hosen mit weißen Strümpfen sahen sie aus wie holländische Tulpen. Mancher von ihnen trug mehr Gold und Silber am Leibe als das ganze Hauspersonal des Bürgermeisters von Nordamerika.