Hier werden Boulevards gebaut, wodurch die Wilhelmstraße mit der Letzten Straße in Verbindung gesetzt wird. Hier wollen wir stillestehn und das Brandenburger Tor und die darauf stehende Viktoria betrachten. Ersteres wurde von Langhans nach den Propyläen zu Athen gebaut und besteht aus einer Kolonnade von zwölf großen dorischen Säulen. Die Göttin da oben wird Ihnen aus der neuesten Geschichte genugsam bekannt sein. Die gute Frau hat auch ihre Schicksale gehabt; man sieht's ihr nicht an, der mutigen Wagenlenkerin. Laßt uns durchs Tor gehen. Was Sie jetzt vor sich sehen, ist der berühmte Tiergarten, in der Mitte die breite Chaussee nach Charlottenburg. Auf beiden Seiten zwei kolossale Statuen, wovon die eine einen Apoll vorstellen möchte. Erzniederträchtige, verstümmelte Klötze. Man sollte sie herunterwerfen. Denn es hat sich gewiß schon manche schwangere Berlinerin dran versehen. Daher die vielen scheußlichen Gesichter, denen wir Unter den Linden begegnet. Die Polizei sollte sich dreinmischen.
Jetzt laßt uns umkehren, ich habe Appetit und sehne mich nach dem »Café Royal«. Wollen Sie fahren? Hier gleich am Tore stehen Droschken. So heißen unsere hiesigen Fiaker. Man zahlt vier Groschen Kurant für eine Person und sechs Gr. K. für zwei Personen, und der Kutscher fährt, wohin man will. Die Wagen sind alle gleich, und die Kutscher tragen alle graue Mäntel mit gelben Aufschlägen. Wenn man just pressiert ist oder wenn es entsetzlich regnet, so ist keine einzige von allen Droschken aufzutreiben. Doch wenn es schönes Wetter ist, wie heute, oder wenn man sie nicht sonderlich nötig hat, sieht man die Droschken haufenweis beisammenstehen. Laßt uns einsteigen. Schnell, Kutscher! Wie das Unter den Linden wogt! Wie mancher läuft da herum, der noch nicht weiß, wo er heut zu Mittag essen kann! Haben Sie die Idee eines Mittagessens begriffen, mein Lieber? Wer diese begriffen hat, der begreift auch das ganze Treiben der Menschen. Schnell, Kutscher. – Was halten Sie von der Unsterblichkeit der Seele? Wahrhaftig, es ist eine große Erfindung, eine weit größere als das Pulver. Was halten Sie von der Liebe? Schnell, Kutscher! Nicht wahr, es ist bloß das Gesetz der Attraktion. – Wie gefällt Ihnen Berlin? Finden Sie nicht, obschon die Stadt neu, schön und regelmäßig gebaut ist, so macht sie doch einen etwas nüchternen Eindruck. Die Frau von Staël bemerkt sehr scharfsinnig: »Berlin, cette ville toute moderne, quelque belle qu'elle soit, ne fait pas une impression assez sérieuse; on n'y apperçoit point l'empreinte de l'histoire du pays, ni du caractère des habitants, et ces magnifiques demeures nouvellement construites ne semblent destinées qu'aux rassemblements commodes des plaisirs et de l'industrie.« Herr von Pradt sagt noch etwas weit Pikanteres. – Aber Sie hören kein Wort wegen des Wagengerassels. Gut, wir sind am Ziel.
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