Er scherzte mit, und ließ sie meistens siegen. Eines Tages aber, als sie vor Erschöpfung athemlos, nur durch wiederholtes Haschen nach seinem Zügel andeuten konnte, daß sie wolle, daß er halten solle, und als sie beim Herabheben vom Pferde schmachtend geflüstert hatte, sie sei besiegt - damals, nachdem er ihren Steigbügelriemen, an dem etwas gebrochen war, wieder hergestellt hatte, und sie nun verglühend an einem Baumstamme stehen sah - riß er sie plötzlich an sich, preßte sie an sein Herz, und ehe er sehen konnte, ob sie zürne oder frohlocke, sprang er auf sein Pferd und jagte davon. - Es war Uebermuth gewesen, aber ein Taumel unbeschreiblichen Entzückens war in jenem Augenblicke in ihm, und vor seiner Seele, wie er heim ritt, hing das Bild der sanften Wange, des süßen Athems, und der spiegelnden Augen.
Sie hatten sich von da an nicht mehr gesucht, aber da sie sich einmal zufällig auf einen Augenblick in dem Saale eines Nachbars sahen, wurden beider Wangen von einem tiefen Scharlache übergossen.
Murai ging dann auf eine seiner ferneren Besitzungen, und änderte dort alle Verhältnisse um, die er vorfand.
Brigitta's Herz aber war zu Ende. Es war ein Weltball von Scham in ihrem Busen empor gewachsen, wie sie so schwieg, und wie eine schattende Wolke in den Räumen des Hauses herum ging. Aber endlich nahm sie das aufgequollne schreiende Herz gleichsam in ihre Hand, und zerdrückte es.
Als er von seinen Umänderungen auf dem entfernten Landgute zurück kam, ging sie in sein Zimmer, und trug ihm mit sanften Worten die Scheidung an. Da er heftig erschrak, da er sie bath, da er ihr Vorstellungen machte, sie aber immer dieselben Worte sagte: »Ich habe es dir gesagt, daß es dich reuen wird, ich habe es dir gesagt, daß es dich reuen wird,« - sprang er auf, nahm sie bei der Hand, und sagte mit inniger Stimme: »Weib, ich hasse dich unaussprechlich, ich hasse dich unaussprechlich!«
Sie sagte kein Wort, sondern sah ihn blos mit den trockenen, entzündeten Augen an - aber als er nach drei Tagen seine Reisekoffer gepackt und fortgeschickt hatte - als er nun selber in Reisekleidern gegen Abend fortgeritten war: so lag sie, wie einst, da sie die Dichtungen ihres Herzens den Büschen des Gartens zugerufen hatte, auch jetzt vor Schmerz auf dem Teppiche ihres Zimmerbodens, und so heiße Tropfen rannen aus ihren Augen, als müssen sie ihr Gewand, den Teppich und das Getäfel des Bodens durchbrennen - es waren die letzten, die sie dem noch immer Heißgeliebten nach sandte, dann keine mehr. Er ritt indessen auf der finstern Ebene, und hatte hundertmal im Sinne, sich mit der Sattelpistole das siedende Gehirn zu zerschmettern. Er war bei seinem Ritte, da es noch Tag war, an Gabrielen vorüber gekommen, sie stand auf dem Balkon ihres Schlosses, aber er hatte nicht hinauf gesehen und war weiter geritten.
Nach einem halben Jahre sandte er die Einwilligung zur Scheidung, und trat ihr auch den Knaben ab, war es nun, daß er ihn in ihren Händen besser aufgehoben meinte, war es noch die alte Liebe, die ihr nicht alles rauben wollte, ihr, die nun ganz allein sei, während ihm die weite Welt vor Augen lag. In Bezug auf das Vermögen hatte er für sie und den Knaben am günstigsten gesorgt, wie es nur immer möglich war. Er sandte die Papiere, die diese Sache enthielten, mit. Dies war das erste und letzte Zeichen, das Murai von seinem Dasein gegeben hatte, nachher kam keines mehr, und er erschien auch nicht wieder. Die Summen, die er brauchte, waren an ein Antwerpner Haus angewiesen. Dies sagte später sein Verwalter, mehr wußte der auch nicht.
Um diese Zeit waren kurz nacheinander Brigitta's Vater, ihre Mutter und die beiden Schwestern gestorben. Murai's Vater, der ohnedem schon sehr alt war, starb auch in kurzer Zeit darnach.
So war Brigitta im strengen Sinne des Wortes ganz allein mit ihrem Kinde.
Sie hatte sehr weit von der Hauptstadt ein Haus auf einer öden Haide, wo sie niemand kannte. Das Gut hieß Marosheli, woher auch der Name der Familie stammte. Nach der Scheidung nahm sie ihren ursprünglichen Namen Marosheli wieder an, und begab sich in das Haidehaus, um sich dort zu verbergen.
So wie sie einstens, wenn man ihr wohl aus Mitleiden eine schöne Puppe gegeben hatte, dieselbe nach kurzer Freude wieder weg warf, und schlechte Dinge in ihr Bettchen trug, als Steine, Hölzchen und dergleichen: so nahm sie jetzt auch ihr größtes Gut, das sie hatte, nach Marosheli mit, ihren Sohn, pflegte und hüthete ihn, und ihr Auge hing einzig und allein über dem Bettchen desselben.
Wie er größer wurde, und sein kleines Auge und sein Herz sich erweiterte, that es auch das ihre mit; sie begann die Haide um sich zu sehen, und ihr Geist fing an, die Oede rings um sich zu bearbeiten. Sie nahm Männerkleider, stieg wieder, wie einst in ihrer Jugend, zu Pferde, und erschien unter ihrem Gesinde. Wie der Knabe sich nur auf einem Pferde halten konnte, war er überall mit, und die thätige, schaffende, heischende Seele seiner Mutter floß allgemach in ihn. Diese Seele griff immer weiter um sich, der Himmel des Erschaffens senkte sich in sie; grüne Hügel schwellten sich, Quellen rannen, Reben flüsterten, und in das öde Steinfeld war ein kraftvoll weiterschreitend Heldenlied gedichtet. Und die Dichtung trug, wie sie thut, auch ihren Segen. Manche ahmten nach, es erhob sich der Verein, Entferntere wurden begeistert, und hie und da auf der öden blinden Haide schlug sich ein menschlich freies Walten, wie ein schönes Auge auf.
Nach fünfzehn Jahren, während welchen Brigitta auf Marosheli hauste, kam der Major, indem er seinen Landsitz Uwar, wo er sonst nie gewesen war, bezog. Von diesem Weibe lernte er, wie er mir selber sagte, Thätigkeit und Wirken - und zu diesem Weibe faßte er jene tiefe und verspätete Neigung, von der wir oben erzählt haben.
Nachdem nun, wie am Eingange des Abschnittes erwähnt wurde, dieser Theil aus Brigitta's früherem Leben erzählt ist, gehen wir wieder in der Entwicklung der Zustände weiter, wo wir sie gelassen.
4. Steppengegenwart.
Wir ritten nach Marosheli. Brigitta ist wirklich jenes reitende Weib gewesen, das mir die Pferde mitgegeben hatte. Sie erinnerte sich mit freundlichem Lächeln an unsere alte Bekanntschaft. Meine Wangen wurden roth, weil ich auf das Trinkgeld dachte. Es war niemand anderer zum Besuche da, als der Major und ich. Er stellte mich als einen Reisebekannten vor, mit dem er einmal viel zusammen gewesen sei, und von dem er sich schmeichle, daß er nun von einem Bekannten in einen Freund über zu gehen im Begriffe sei. Ich erlebte die Freude - und es war mir wirklich keine unbedeutende - daß sie fast alle Dinge wußte, die sich auf mein früheres Zusammensein mit ihm bezogen, daß er ihr also viel von mir erzählt haben mußte, daß er noch mit Vorliebe bei jenen Tagen verweile, und daß sie es der Mühe werth hielt, sich diese Sachen zu merken.
Sie sagte, sie wolle mich nicht in ihrem Schlosse und in ihren Feldern herum führen, ich werde das gelegentlich sehen, wenn wir spazieren gehen, und wenn ich oft genug von Uwar werde herüber gekommen sein, wozu sie mich höflich einlade.
Dem Major machte sie einen Vorwurf, warum er denn so lange nicht herüber gekommen sei. Er entschuldigte sich mit den vielen Geschäften, und hauptsächlich damit, daß er ohne mich nicht herüber reiten wollte, und daß er doch vorher erst sehen wollte, wie sehr oder wie wenig ich zu seiner Freundin passe.
Wir gingen in einen großen Saal, in dem wir ein wenig ausruhten.
1 comment