Wie er von dem Pferde gekommen war, hatte ich nicht gesehen, da ich später ankam; den Knall seiner Doppelpistolen hatte ich gehört, und wie ich auf dem Schauplatze erschien, glänzte sein Hirschfänger gegen die Wölfe, und er war zu Fuß. Drei - vier Sekunden mochte es gedauert haben, ich hatte blos Zeit, mein Jagdgewehr unter sie abzudrücken, und die unheimlichen Thiere waren in den Nebel zerstoben, als wären sie von ihm eingetrunken worden.
»Ladet,« schrie der Major, »sie werden gleich wieder hier sein.«
Er hatte die weggeschleuderten Pistolen aufgerafft, und stieß die Patronen hinein. Wir luden auch, und in dem Augenblicke, da wir ein wenig still waren, vernahmen wir den unheimlichen Trab um die Galgeneiche herum. Es war klar, die hungrigen geängsteten Thiere umkreisten uns, bis ihnen wieder etwa der Muth zum Angriffe gewachsen sein würde. Eigentlich sind diese Thiere, wenn sie nicht von dem Hunger gespornt werden, feig. Wir waren zu einer Wolfsjagd nicht gerüstet, der unselige Nebel lag dicht vor unsern Augen, daher schlugen wir den Weg zu dem Schlosse ein. Die Pferde schossen in Todesangst dahin, und da wir so ritten, sah ich es mehr als ein Mal wie einen jagenden Schatten neben mir, grau im grauen Nebel. In unsäglicher Geduld eilte die Heerde neben uns. Wir mußten in steter Bereitschaft sein. Von dem Major fiel einmal links ein Schuß, aber wir erkannten nichts, zum Reden war keine Zeit, und so langten wir an dem Parkgitter an, und wie wir hinein drangen, brachen die edlen, schönen, dahinter harrenden Doggen neben uns heraus, und in demselben Augenblicke scholl auch schon aus dem Nebel ihr wüthendes Heulen, hinter den Wölfen haidewärts schweifend.
»Sitzt alle auf,« rief der Major den entgegen eilenden Knechten zu, »laßt alle Wolfshunde los, daß meine armen Doggen nichts leiden. Biethet die Nachbarn auf, und jagt, so viel Tage ihr wollt. Ich gebe für jeden todten Wolf das doppelte Schußgeld, die ausgenommen, die an der Galgeneiche liegen; denn die haben wir selbst getödtet. An der Eiche liegt vielleicht auch eine der Pistolen, die ich voriges Jahr an Gustav geschenkt habe, denn ich sehe nur eine in seiner Hand, und das Sattelfach der andern ist leer; seht zu, ob es so ist.«
»Seit fünf Jahren,« sagte er zu mir gewendet, da wir im Parke weiter ritten, »hat sich kein Wolf so nahe zu uns gewagt, und es war sonst ganz sicher hier. Es muß einen harten Winter geben, und er muß in den nördlichen Ländern schon begonnen haben, daß sie sich bereits so weit herab drücken.«
Die Knechte hatten den Befehl des Herrn vernommen und in weniger Zeit, als es mir glaublich schien, war ein Haufen Jäger ausgerüstet, und das Geschlecht jener schönen zottigen Hunde war neben ihnen, das den ungarischen Haiden eigen und für sie so unentbehrlich ist. Man beredete sich wie man die Nachbarn abholen wolle, und dann gingen sie fort, um eine Jagd einzuleiten, von der sie erst in acht, vierzehn, oder noch mehreren Tagen zurückkehren würden.
Wir hatten alle drei, ohne von den Pferden zu steigen, dem größten Theil dieser Anstalten zugeschaut. Als wir uns aber von den Wirthschaftsgebäuden dem Schlosse zuwendeten, sahen wir, daß Gustav doch verwundet sei. Als wir nemlich unter dem Thorbogen anlangten, von wo wir in unsere Zimmer wollten, wandelte ihn eine Uebelkeit an, und er drohte von dem Pferde zu sinken. Einer von den Leuten fing ihn auf und hob ihn herunter, da sahen wir, daß die Lenden des Thieres von Blut gefärbt waren. Wir brachten ihn in eine Wohnung des Erdgeschoßes, die gegen den Garten hinaus ging, der Major befahl sogleich Feuer in den Kamin zu machen, und das Bett zu bereiten. Als indessen die schmerzende Stelle entblößt worden war, untersuchte er selber die Wunde. Es war ein leichter Biß im Schenkel, ohne Gefahr, nur der Blutverlust und die vorhergegangene Aufregung ließ jetzt den Jüngling mit Ohnmachten kämpfen. Er ward in das Bett gebracht, und sofort ein Bote an den Arzt und einer an Brigitta abgefertigt. Der Major blieb bei dem Bette und sorgte, daß keine der Ohnmachten überhand nehmen könne. Als der Arzt kam, gab er ein stärkendes Mittel, erklärte die Sache für durchaus ungefährlich, und sagte, daß der Blutverlust selber ein Heilmittel gewesen sei, da er die Heftigkeit der Entzündung mindere, die sonst solchen Bißwunden gerne folge. Das einzige Krankheitsübel sei die Gewalt der Gemüthsbewegung, und ein paar Tage Ruhe werde das Fieber und die Abspannung gänzlich heben. Man war beruhigt und erfreut, und der Arzt schied unter den Danksagungen aller; denn es war keiner, der den Knaben nicht liebte. Gegen Abend erschien Brigitta, und nach ihrer entschlossenen Art ruhte sie nicht eher, als bis sie den Körper ihres Sohnes Glied um Glied geprüft und sich überzeugt hatte, daß außer der Bißwunde nichts vorhanden sei, das ein Uebel drohen könnte. Als die Untersuchung vorüber war, blieb sie doch noch an dem Bette sitzen, und reichte nach der Vorschrift des Arztes die Arznei. Für die Nacht mußte ihr ein schnell zusammengerafftes Bette im Krankenzimmer gemacht werden. Am andern Morgen saß sie wieder neben dem Jünglinge, und horchte auf seinen Athem, da er schlief und so süß und erquickend schlief, als wolle er nie mehr erwachen.
1 comment