Ich darfs außdrücklich sagen;
Ich! der jhn selbst gehört die Königin beklagen.
Wie? oder meint man nicht daß er was Bund versteh?
Daß sein versprechen jhm nicht zu Gemütte geh?
Nein sicher! es lest sich mit Printzen so nicht schertzen.
Die Fürstin ist entleibt! vnd zwar durch herbe Schmertzen!
Ist denn der Mörder frey? ists bey euch vnerhört[115]
Daß (Trotz deß Czaren Wort) die heisse Rach versehrt.
Die / den der Reussen Haubt liß volle Freyheit geben?
Selbst die er neben sich hiß in Palästen leben
Fil offt der Frevel an! man fragt nicht obs gescheh;
Nur ob man / wenns geschehn / auch durch die Finger seh!
Wil der Gesandt' jhm diß für eine Schmach anzihen;
Wil er / nun man schon siht / den güldnen Friden blühen
Vmbstossen was man schloß; so richte Gott vnd Welt /
Ob Vrsach / daß auffs New das Leichen-volle Feld
Vns all' in Eisen seh. Wo Chach das Recht lest schlaffen;
Vnd nicht diß Mordstück eilt nach würden abzustraffen;
So schreit die Wolcken an / so reist den Bund entzwey /
Vnd ziht die Sebel aus. Doch steht euch beydes frey!
Denckt nur ob man hirdurch die Todte werd' erwecken /
Vilmehr gehts vber die / die noch im Kercker stecken.
Sie / war ein frembdes Weib. Eur eigen Nutz ist groß.
Man gibt für eine Fraw vil tausend Reussen loß!
Auch / daß er ja was wir gesonnen / könne spüren;
Läst jhn Chach Abas die mit sich auß Persen führen
So noch von Gurgistan vnd Tefflis vbrig sind.
Schlagt nicht eur eigen Glück so ruchloß in den Wind!
GESANDTE.
Die Sach ist überlegt! was wir vor Nutz zu hoffen;
Steht euch so vil als vns. Sind eure Länder offen:
Die vnsern sind euch frey! eur Kercker ist nicht ler;
Die vnsern sind gefüllt. Ist eure Wage schwer;
Der Reussen ist nicht leicht. Wer schuldig / muß es fühlen.
Wo Abas disen Brand nicht wil mit Blut abkühlen;
So sind die Wort vmbsonst.
SEINELCAN.
Noch heute sols geschehn;
Daß er deß Mörders Kopff sol auff der Taffel sehn.
[116] Chach Abas. Catharina.
Der Schau Platz verändert sich in den Königl. Saal.
CHACH.
Ist Catharina Tod vnd Chach ist noch bey Leben!
Vnd wil der Himmel nicht /
Gewaffnet mit der Glut von Schwefel-hellem Licht
Feuer nach dem Kopffe geben?
Hat Chach / Princessin! sich / hat Chach sich so vergriffen?
Vnd sein selbst eigen Hertz durch deine Qual zurissen?
Was hilffts daß Thränen vns von disen Wangen flissen
Als die gefärbten Ström' auß deinen Wunden liffen!
Princessin räche dich! entzünde diß Gemütte
Mit jmmer-neuer Rew vnd Schmertzen!
Trägt Abas Marmer in dem Hertzen?
O Zarte! könte nicht deine mit Thränen gesellete Bitte/
Die rasend tolle Flamm deß Eyfers zwingen?
Warumb doch können wir nicht durch den Abgrund dringen.
Vnd dich auß dem harten Kercker deß ergrimmten Todes reissen /
Ach wir selbst! wir sinds! Princessin! die den Tod dich kerckern heissen.
Du Wunder der Natur! du Ehre deiner Zeit!
Ward dein freundlich Angesichte[117]
In der heissen Glut zu nichte!
Verging im Rauch die schöne Libligkeit?
Princessin / nicht die grimme Glut /
Hat deiner Glider Schnee so ungeheuer auffgezehret;
Nur dise Flamme die den Mutt
Mit ewig-heisser Rew beschweret.
Der süssen Liebe Fackel hat nie dises harte Hertz berühret!
Die Rach in ihrem Schein hat vns verführet /
Auch Rache nicht / die Scharen auß der Hellen
Gehäret mit Schlangen / gerüstet mit Plagen /
Die haben Holtz zu diser Glut getragen /
Vnd vns gesucht ins Grab durch deinen Tod zu fällen!
O Greuel! O! was trit vns für Gesichte!
Bist du es / vorhin dises Hertzens Lust?
Wie schrecklich hängt die abgezwickte Brust!
Tagen deine bluttige Thränen den Himmel auff vns zu Gerichte!
Rauff doch! rauff doch nicht ab
Die versengten Hare
Wir wündtschen vnser Grab /
Vnd lauffen nach der Bare /
Schauet wie sie die entblösseten Arme zu dem gestrengen Richter streck' /
Höret doch wie sie die schlaffende Rache mit vnablößlichem ruffen erweck'.
Schauet! schaut! der Himmel bricht!
Die Wolckenfeste reist entzwey /
Das rechte Recht steht ihrer Sachen bey!
Das Recht ists selbst das vns das endlich Vrtheil spricht.
Princessin Ach! wir sehn sie vor vns stehn!
Nicht mehr mit eigner Röt deß keuschen Bluts gefärbet/
Sie hat ein höher Reich ererbet /
Als dises das mit vns muß vntergehn.
Ihr liblich-zornig Antlitz wird verkehrt in eine lichte Sonne/[118]
Ihr Hertz vergist der rauhen Schmertzen vnd wundert sich ob neuer Wonne
Sie ist mit schönerm Fleisch vmbgeben /
Der zarten Glider edles Leben
Trotzt alle Schönheit die die grosse Welt /
In jhren Schrancken helt.
Sie prangt in Kleidern / darfür Schnee kein Schnee!
Ihr wird ein Thron gesetzt in der besternten Höh.
Sagt ferner nichts von Schütternden Gesteinen /
Die Cron / die Vnschuld jhr auff die beperlten Hare setzet /
Geht allem vor was Phrat vnd Tagus schätzet.
Princessin Ach! wer wil dein Glück beweynen?
Als Chach! auff welchen sich dein Grimm erhitzt /
Der vmb vnd vmb mit lichten Flammen blitzt /
Princessin Ach! Princessin! Ach wir brennen!
Feuer! Feuer! Feuer! Feuer! Feuer kracht in disem Hertzen!
Wir verlodern / wir verschmeltzen angesteckt durch Schwefel-Kertzen!
Princessin schau! Princessin wir bekennen
Entzeptert! auff dem Kny! vnd mit gewundnen Händen /
Daß wir vnrechtmässig dich betrübet /
Daß wir ein Stück an dir verübet /
Welches aller zeiten Zeit wird grausam nennen.
Princessin heische Rach!
Ach! Ach! Ach!
Laufft! bringt die Mörder vmb / die Hand an sie geleget!
Weg Zepter weg! Chach hat hir selber Schuld!
Vnd trägt der Himmel noch mit vns Geduld!
Start dise Faust die West vnd Ost beweget?
Komm komm mein Schwerdt! wir haben Macht vns selbst zu straffen!
Was hir! geht Schiras ein! wo knirschen dise Waffen?
Was für gerase der Trompeten?[119]
Wer zückt die Sebel vns zu tödten?
Der Erden Grund brüllt vnd erzittert!
Was ist das hinter vns sich wüttert
Wie? oder schreckt vns eitle Fantasy!
Princessin! Ach wir sincken auff die Kny
Wir vor dem sich gantz Osten niderbeuget!
Vergib dem welcher seine Rew mit ewig-bitterm Kummer zeiget!
CATHARINA.
Tyrann! der Himmel ists! der dein Verterben sucht/
Gott läst unschuldig Blut nicht ruffen sonder Frucht.
Dein Lorberkrantz verwelckt! dein sigen hat ein Ende.
Dein hoher Ruhm verschwindt! der Tod streckt schon die Hände
Nach dem verdamten Kopff. Doch eh'r du wirst vergehn;
Must du dein Persen sehn in Kriges Flammen stehn /
Dein Hauß durch schwartze Gifft der Zweytracht angestecket/
Biß du durch Kinder-Mord vnd Nächstes Blut beflecket
Feind / Freunden vnd dir selbst vnträglich / wirst das Leben
Nach grauser Seuchen Angst dem Richter vbergeben.
CHACH.
Recht so! Princessin! recht! greif vnsern Sigkrantz an.
Bekrige Persens Ruh! reiß was vns schützen kan /
Mit starcker Faust hinweg. Laß nun du schon erblichen
Den wackern Hohmut auß / dem Abas offt gewichen.
Laß auff dem Brand Altar / dem Schauplatz deiner Pein
Zu lindern deinen Grimm vns selbst ein Opffer seyn /
Doch ist wol herber Rach' vnd die mehr kan betrüben
Als daß Wir / Feindin / dich auch Tod stets müssen liben.
Ende.[120]
Biographie
1616
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2. Oktober: Andreas Gryphius (eigentlich Greif) wird im protestantischen Glogau als Sohn eines evangelischen Archidiakons geboren.
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1621
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Der Vater Paul stirbt.
Gryphius besucht das Glogauer Gymnasium.
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1631
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Wechsel auf das Gymnasium in Görlitz.
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1632
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3. Juni: Gryphius wechselt erneut die Schule und besucht das Gymnasium von Fraustadt. Durch Schulreden und als Schauspieler auf der Schulbühne macht er auf sich aufmerksam.
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1633
|
Seine erste lateinische Dichtung entsteht.
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1634
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Er schreibt sich am Akademischen Gymnasium in Danzig ein.
Gryphius' Mäzen Georg von Schönborn verleiht ihm Adelstitel und Magisterwürde und krönt ihn zum Poeten.
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1636
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Gryphius wird Hauslehrer beim Hofpfalzgrafen Georg Schönborner in Schönborn bei Freistadt.
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1638–1644
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Gryphius hält an der Universität Leiden Vorlesungen und lernt im Hochschulbetrieb herausragende Gelehrte wie etwa den Philologen und Juristen Salmasius kennen.
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1649
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Januar: Er heiratet Rosina Deutschländer.
Berufungen als Professor nach Frankfurt/Oder, Uppsala und Heidelberg lehnt er ab.
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1650
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Gryphius wird Jurist bei den Glogauer Ständen. In Glogau entstehen auch die meisten seiner Trauer- und »Freuden«-Spiele. Zudem überarbeitet er seine dichterischen Texte für Sammelausgaben.
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1662
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Gryphius wird mit dem Beinamen »Der Unsterbliche« in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.
1664
16. Juli: Gryphius stirbt in Glogau.
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Bibliographische Angaben
Andreas Gryphius: Catharina von Georgien
Vollständiger, durchgesehener Neusatz mit einer Biographie des Autors bearbeitet und eingerichtet von Michael Holzinger.
ISBN 978-3-8430-2269-9
Historische Angaben
Entstanden 1647. Erstdruck in »Andreas Gryphius: Deutscher Gedichte Erster Theil«, zweiter Band, Breslau (Lischke), 1657. Uraufführung 1651, Köln durch die Truppe des Joris Jollifous.
Textgrundlage
Andreas Gryphius: Catharina von Georgien. Herausgegeben von Alois M. Haas, Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1975 [Universal-Bibliothek Nr. 9751].
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