Sogar der Morgen war welk.

IV

Ringsherum gab es Kinder. Kinder gab es ringsherum. Der Wachtmeister der Gendarmerie Wenzel Slama hatte sogar zweimal hintereinander, innerhalb von zwanzig Monaten, Zwillinge bekommen. Es wimmelte ringsherum von Kindern. Überall, wo Eibenschütz hinblickte, sah er Kinder. Sie spielten im Rinnstein mit dem schmutzigen Wasser. Sie spielten Murmeln im Trockenen. Sie spielten auf den alten Bänken des kümmerlichen Parks in Zlotogrod, ein schwindsüchtiger Park, ein Park, im Sterben begriffen. Sie spielten im Regen und im Sturm. Sie spielten Ball und Reifen und Kegel. Überall, wo der Eichmeister Eibenschütz hinblickte, sah er Kinder, lauter Kinder. Die Gegend war fruchtbar, es war kein Zweifel.

Wenn der Eichmeister Eibenschütz Kinder gehabt hätte! Es wäre alles anders gewesen: Ihm zumindest schien es so.

Sehr einsam war er, und er fühlte sich fremd und heimatlos in der ungewohnten Zivilkleidung, nachdem er zwölf Jahre in seiner dunkelbraunen Artillerie-Uniform gehaust hatte. Seine Frau: was war sie ihm! – Zum erstenmal fragte er sich, warum und wozu er sie geheiratet hatte. Darüber erschrak er gewaltig. Er erschrak darüber gewaltig, weil er sich selbst niemals zugetraut hätte, daß er überhaupt erschrecken könnte. Es kam ihm vor, daß er, wie man sagt, aus der Bahn geworfen sei – und dabei hatte er doch immer wieder und ständig seinen rechten Weg eingehalten! Aber immerhin, soldatischer Disziplin getreu und aus Furcht vor der Furcht, ergab er sich seinem Dienst und seinen Pflichten. Niemals vorher hatte man einen dem Staat, dem Gesetz, dem Gewicht und dem Maß so ergebenen Eichmeister gesehen in dieser Gegend.

Er entdeckte plötzlich, daß er seine Frau nicht liebte. Denn nun, da er allein und einsam war, in der Stadt, im Bezirk, im Amt, unter den Menschen, verlangte er Liebe und Zutraulichkeit zu Hause, und da sah er, daß nichts davon vorhanden war. Manchmal in der Nacht richtete er sich im Bett auf und betrachtete seine Frau. Im gelblichen Schimmer des Nachtlämpchens, das oben auf dem Kleiderkasten stand und nicht nur die Finsternis nicht vertrieb, sondern sogar an eine Art leuchtenden Kerns der Nacht im Zimmer erinnerte, erschien die schlafende Frau Regina dem Eichmeister Eibenschütz wie eine trockene Frucht. Er richtete sich im Bett auf und betrachtete sie ausführlich. Je länger er sie ansah, desto einsamer fühlte er sich. Es war, als ob ihr Anblick allein ihm Einsamkeit bereitete. Zu ihm, zu Anselm Eibenschütz, gehörte sie gar nicht, so, wie sie dalag, mit schönen Brüsten, mit dem ruhigen Kindergesicht und den kühn geschwungenen Augenbrauen und dem lieben, halboffenen Mund und dem kleinen, leichten Schimmer der Zähne zwischen den dunkelroten Lippen. Keine Begierde mehr trieb ihn zu ihr wie einst in früheren Nächten. Liebte er sie noch? Begehrte er sie noch?

Er war sehr einsam, der Eichmeister Anselm Eibenschütz. Bei Tag und bei Nacht war er einsam.

V

Nachdem er vier Wochen im Bezirk Zlotogrod verbracht hatte, schlug ihm der Wachtmeister Wenzel Slama vor, dem Sparverein der älteren Staatsbeamten beizutreten. Diesem Verein gehörten Sequester, Konzipisten und sogar Gerichtsadjunkte an. Alle spielten Tarock und Bakkarat. Zweimal in der Woche versammelten sie sich im Café Bristol, dem einzigen Kaffeehaus im Städtchen Zlotogrod.