Das Gold von Caxamalca

Inhalt:
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 1
Das Folgende wurde niedergeschrieben von dem Ritter und nachmaligen Mönch Domingo de Soria Luce in einem Kloster der Stadt Lima, wohin er sich, dreizehn Jahre nach der Eroberung des Landes Peru, zur Abkehr von der Welt begeben hatte.
Kapitel 2
Im November des Jahres 1532 zogen wir, dreihundert Ritter und etliches Fußvolk, unter der Führung des Generals Francesco Pizarro, Friede seinem Andenken, über das ungeheure Gebirge der Kordilleren. Ich will mich bei den Schwierigkeiten und Gefahren dieses Marsches nicht lange aufhalten. Es sei genug, wenn ich sage, daß wir manchmal glaubten, unsere letzte Stunde sei gekommen, und die Qualen des Hungers und Durstes noch gering anzuschlagen waren gegen die Schrecken der wilden Natur, die gähnenden Abgründe, die steilen Wege, die an vielen Stellen so schmal waren, daß wir von den Pferden absitzen und sie am Zügel hinter uns herziehen mußten. Auch von der greuelvollen Ödnis, der Kälte und den Schneestürmen will ich nicht reden, und daß einige unter uns den unseligen Entschluß verfluchten, der sie in dieses menschenmörderische Land geführt hatte.
Aber am siebenten Tage waren unsere Leiden zu Ende, und als es Abend wurde, betraten wir erschöpft und dennoch in unseren Gemütern erregt die Stadt Caxamalca. Das Wetter, das seit dem Morgen schön gewesen, ließ jetzt Sturm befürchten, bald auch begann Regen mit Hagel vermischt zu fallen, und es war kalt. Caxamalca heißt soviel wie Froststadt.
Es verwunderte uns sehr, daß wir die Stadt vollkommen verlassen fanden. Niemand trat aus den Häusern, uns zu begrüßen, wie wir es von den Gegenden an der Küste gewohnt waren. Wir ritten durch die Straßen, ohne einem lebendigen Wesen zu begegnen und ohne einen Laut zu hören außer den Hufschlägen der Pferde und ihrem Echo.
Bevor aber noch die Dunkelheit ganz einbrach, gewahrten wir längs der Berghänge, soweit das Auge reichte, eine unübersehbare Menge weißer Zelte, hingestreut wie Schneeflocken. Das war das Heer des Inka Atahuallpa, und der Anblick erfüllte selbst die Mutigsten unter uns mit Bestürzung.
Kapitel 3
Der General erachtete es für notwendig, eine Gesandtschaft an den Inka zu schicken. Er wählte dazu den jungen Ritter Hernando de Soto, mit dem mich eine aufrichtige Freundschaft verband, und fünfzehn Reiter. Im letzten Augenblick erwirkte de Soto vom General die Erlaubnis für mich, daß ich ihn begleiten durfte, und ich war dessen froh.
Wir brachen in der Morgenfrühe auf; das Gebirge bis in den Äther gegipfelt zur Rechten, die blühende Ebene vor uns und zur Linken, alles war so neu, daß ich nur schaute und staunte.
Nach einer Stunde gelangten wir an einen breiten Fluß, über den eine schöne hölzerne Brücke gebaut war. Dort wurden wir erwartet und in das Lager des Inka geführt. Alsbald standen wir in einem geräumigen Hof, um den eine Säulenhalle lief. Die Säulen hatten kunstreiche Goldverzierungen, die Mauern waren mit gelbem und kobaltblauem Mörtel bekleidet, in der Mitte befand sich ein kreisrundes Steinbecken, das aus kupfernen Leitungen mit warmem und kaltem Wasser gespeist wurde. Prunkvoll geschmückte Edelleute und Frauen umgaben den Fürsten, der ein scharlachrotes Gewand trug und um die Stirn, als Zeichen seiner Herrschaft, die rote Borla, deren Fransen ihm bis auf die Augen niederhingen.
Es hatte ein hübsches Gesicht mit seltsam kristallenem Ausdruck und mochte gegen dreißig Jahre alt sein. Die Gestalt war kräftig und ebenmäßig, sein Wesen gebieterisch, dabei von einer Feinheit, die uns überraschte. De Soto hatte den Dolmetscher Felipillo mitgenommen, einen unlängst getauften Eingeborenen, einen Menschen von tiefer Verschlagenheit, der in der Folge großes Unheil angerichtet hat, wie ich zu gegebener Zeit berichten werde. Ihn erfüllte ein Haß gegen seine Landsleute, dessen Art und Ursprung wir nie ganz ergründen konnten, und er war der einzige Rebell und Abtrünnige, den wir in Peru fanden.
Mit seiner Hilfe also wendete sich de Soto redend an den Inka. Er richtete die Grüße des Generals aus und lud Atahuallpa mit ehrfurchtsvollen Worten ein, er möge geruhen, unsern Führer zu besuchen.
Atahuallpa erwiderte nichts. Keine Miene und kein Blick ließ merken, daß er die Rede verstanden habe. Seine Lider waren gesenkt, und er schien angestrengt zu überlegen, was der Sinn der gehörten Worte sei. Nach einer Weile sagte einer der ihm zur Seite stehenden Edlen: "Es ist gut, Fremdling."
Dies setzte de Soto in Verlegenheit. Es war so unmöglich, den Gedanken des Fürsten und was er empfinden mochte, zu erraten, als hätten Berge zwischen ihm und uns gestanden. Welch eine fremde Welt! Welch ein fremder Schein und Geist! De Soto bat also den Inka auf eine höfliche, fast demütige Weise, ihm selbst mitzuteilen, was er beschlossen. Darauf glitt ein Lächeln über Atahuallpas Züge; ich habe dieses Lächeln späterhin noch oft wahrgenommen, und es hat mich jedesmal wunderlich ergriffen. Er erwiderte durch den Mund Felipillos: "Meldet eurem Führer, daß ich Fasttage halte, die heute zu Ende gehen. Morgen will ich ihn besuchen. Er möge bis zu meiner Ankunft die Gebäude am Platz bewohnen, aber keine anderen. Was nachher geschehen soll, werde ich befehlen."
Wieder entstand ein Stillschweigen. Wir waren nicht von den Pferden abgesessen, weil wir uns im Sattel sicherer fühlten und den Peruanern, wie wir aus Erfahrung wußten, mehr Furcht einflößten.
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