Crux steht geschrieben. Du, ein Gott unter deinen Landsleuten, hattest nicht nötig, dich erst mit deinen Augen zu überzeugen."

"Ich bin kein Gott. Was weißt du Heide von Gott!" warf Pizarro verächtlich grollend hin.

"Von eurem Gott weiß ich wenig, von meinem weiß ich viel", war die sanfte Erwiderung. "Euern Gott kann man nicht sehen, der meine wandelt über den Himmel und grüßt seine Kinder täglich."

Kopfschüttelnd und fast mitleidigen Tons entgegnete der General: "Nur Einen Gott, Unseliger, gibt es, und es wäre gut für dich, wenn du dein Gebet an ihn richten wolltest."

"Wie kannst du mit solcher Bestimmtheit sagen, daß dein Gott der wirkliche und einzige Gott ist?" fragte der Inka mit hoheitsvoller Ruhe, "und wie soll ich an ihn glauben, da er es doch zuläßt, daß ihr, die ihr stets von seiner Liebe und Barmherzigkeit redet, unschuldige Menschen mordet?"

Der General schwieg und wandte sich ab.

Kapitel 23

Es war eine Stunde vor Mitternacht, als der Ritter Garcia de Jerez in mein Zimmer trat und mir die Meldung machte, in der großen Halle bereite sich etwas Ungewöhnliches vor, und man müsse auf der Hut sein. Er wußte nicht recht, weshalb er mich warnen zu sollen glaubte; es war nur allgemeine Furcht oder Befangenheit, denn als ich ihn ausforschte, konnte er mir bloß sagen, der Inka sitze ganz allein an einer langen Tafel, an welcher vierundzwanzig leere Plätze seien.

Ich hatte mich den Tag über krank gefühlt und war zeitig zur Ruhe gegangen; nun stand ich auf, kleidete mich rasch an und ging hinaus.

Auf dem Platz brannten Pechpfannen, in deren düsterm Schein eine Anzahl unserer Leute den Scheiterhaufen errichteten. Die große Halle war von Fackeln erleuchtet, und ich sah wirklich, wie es Garcia geschildert hatte, den Inka in der Mitte einer dort aufgestellten Tafel sitzen, vollkommen unbeweglich, und rechts und links von ihm je zwölf goldne Teller. Hinter jedem der dadurch angedeuteten Plätze und auch hinter dem Stuhl des Inka stand ein Diener, der eine mit Speisen besetzte Schüssel trug, fünfundzwanzig an der Zahl, vollkommen unbeweglich, und hinter den Dienern wieder standen in derselben Starrheit, im selben Schweigen die Edelleute und jungen Frauen Atahuallpas.

Es war ein Anblick, auf den ich nicht gefaßt gewesen war. Man liest zuweilen in Märchen, daß eine ganze Versammlung von Menschen durch das Wort eines bösen Zauberers in Stein verwandelt wird; daran gemahnte mich das Bild, das ich vor mir sah. Dazu die unheimliche Stunde, der unheimliche Ort; Garcia und ich schauten uns betroffen an.

Inzwischen war Cristoval de Perralta, der den Befehl über die Wachen in der Stadt hatte und die sonderbare Veranstaltung des gefangenen Fürsten ebenfalls bemerkt hatte, zum General gegangen, um ihm Bericht zu geben. Pizarro hatte einige seiner Freunde zu einem Gastmahl geladen, und Cristoval fand sie beim Wein und in lärmender Munterkeit. Seine Erzählung wurde mit groben Scherzen aufgenommen, aber dann sagte der General, dessen Wachsamkeit nie schlummerte, man müsse hinübergehen und sehen, was es mit dem geschilderten Schauspiel für eine Bewandtnis habe.

Er brach auf, und es begleiteten ihn seine beiden Brüder, Don Almagro, Don Riquelme, della Torre, Alonso de Molina und Cristoval de Perralta. Von der andern Seite des Platzes kam fast zu gleicher Zeit langsam und in seinem Brevier lesend der Pater Valverde und blieb, während das Folgende geschah, wie ein stummer Wächter und Mahner zwischen dem Scheiterhaufen und den Treppenstufen der Säulenhalle stehen.

Kapitel 24

Die Ritter, zu denen auch Garcia und ich uns gesellt hatten, waren auf einer Seite der Halle zusammengedrängt, und ich glaube, daß selbst die Herzhaftesten einen Schauer verspürten, als sie die völlig versteinerten Peruaner erblickten.

Plötzlich erhob Atahuallpa die Augenlider und schien uns damit erst zu gewahren. Sein Blick war wie ein heißer Strahl, ich mußte die Augen in andere Richtung lenken, und sie blieben auf den geröteten fleischigen Ohren des Generals haften, der sich dicht vor mir befand. Atahuallpa stand auf, und in seinem Ebenmaß und seiner stolzen Würde war er unbeschreiblich schön anzusehen; das rote Licht der Fackeln umzuckte sein bräunliches Gesicht, und das scharlachne Kleid, das die schlanke Gestalt umschloß, verlieh der Erscheinung etwas Glühendes.

"Ihr Männer, sagt mir doch, wo kommt ihr her?" begann er leise und mit grüblerischem Ausdruck; "was ist es für ein Land, in dem eure Heimat ist? Sagt mir doch, wie es beschaffen ist und wie ihr es anstellt, darin zu leben: ohne Sonne?"

"Wie denn, ohne Sonne?" fragte Andrea della Torre verwundert; "meinst du denn, daß bei uns ewige Finsternis herrscht?"

"So muß ich annehmen, da ihr der Sonne den Krieg erklärt habt", antwortete Atahuallpa.

"Du und die Sonne, ihr seid also eins?" rief Don Almagro spottend.

"Seit vielen tausend Jahren", nickte der Inka; "meine Ahnen und ich, seit die Kornfrucht in diesem Lande wächst."

Es entstand eine Stille, in welcher wir den Pater Valverde draußen beten hörten.

"Meine Ahnen werden kommen", sagte Atahuallpa geheimnisvoll; "die nicht zu Staub zerfallen sind, werden kommen und mich begrüßen."

Alle schauten ihn erstaunt an.

"Aber ihr antwortet mir nicht", begann er wieder und blickte rundum; "warum schweigt ihr auf meine Frage? Scheint denn bei euch dieselbe Sonne? Ihr müßt euch täuschen, es muß eine andre sein. Ist sie denn nicht erzürnt, wenn ihr die Kleinodien zerstört, die der Fleiß eurer Handwerker geschaffen hat? Verfinstert sie sich nicht, wenn ihr die geheiligten Frauen anrührt? Was habt ihr für Gesetze, was habt ihr für Bräuche? Gibt es Gestalten bei euch, die unberührbar sind? Kennt ihr denn das Unberührbare, da eure Hand doch vor nichts zurückschreckt und alles berührt?"

Er streckte beide Hände mit an den Leib gedrückten Oberarmen flach aus wie zwei Schalen, als wolle er die Antwort darin empfangen. Aber es kam keine Antwort. Es war ein so atemloses Schweigen eingetreten, daß es beinahe gespenstig wirkte.

"Ich wollte ergründen, was euch so stark macht", fuhr er sinnend und mit gesenkter Stirn fort, "und ich glaube, ich habe es ergründet. Es muß das Gold sein. Das Gold verleiht euch den Mut, alle Dinge zu berühren und euch alle Dinge anzueignen. Und indem ihr die Dinge gewinnt, zerstört ihr jedes Dinges Form. Das Gold verwandelt eure Seele, das Gold ist euer Gott, euer Erlöser, wie ihr es nennt, und wer ein Stück davon besitzt, der ist gefeit, der meint die Sonne zu besitzen, weil er eine andere Sonne nicht kennt. Ich verstehe es nun genau, und ihr dauert mich, ihr Sonnenlosen."

Der General drehte sich zornig um; Don Almagro erhob drohend den Arm; die Ritter murmelten unwillig. Draußen befahl Pater Valverde den Soldaten, daß sie den Scheiterhaufen anzünden sollten. Da geschah es, was zeit meiner Tage nicht mehr aus meinem Innern weichen wird, das grausig Geisterhafte.

Kapitel 25

Am östlichen Himmel zeigte sich eben die erste matte Röte, da sahen wir einen ausgedehnten Zug von Peruanern von der Landstraße nach Caxamalca schreiten und sich dem großen Platz nähern. Inmitten des Zugs und über ihn erhoben gewahrten wir vierundzwanzig regungslose Gestalten auf ebenso vielen Stühlen, und jeder der Stühle, die, wie wir bald erkannten, aus Gold waren gleich dem Inkathron, wurde von acht Kriegern gleich dem Inkathron auf den Schultern getragen. Und jede der Gestalten war in die allerkostbarsten Gewänder gehüllt, und es waren zwölf Männer und zwölf Frauen, lauter Tote.

Sie kamen aus den Grabstätten, wo die einen seit einem Menschenalter, die andern länger, jahrhundertelang, geruht hatten, die Vorfahren Atahuallpas.

Die Männer waren mit der Borla und den Coraquenquefedern geschmückt, die Frauen hatten sternbestickte weiße Schleier, die sie von den Hüften abwärts umhüllten.

Als der feierliche und fast lautlose Zug bis dicht an die drei Treppenstufen der Vorhalle gelangt war, lösten sich die Träger der Toten von ihm los, schritten mit den Thronen in die Halle und an die Tafel und stellten sie an die vorbereiteten Plätze, die Männer zur Rechten des Inka, die Frauen zur Linken.

Am oberen Ende der Tafel aber stellten sie eine ungeheure goldne Sonne auf, die im Feuer der Fackeln und Pechpfannen und im schon beginnenden Brand des riesigen Scheiterhaufens einen verwirrenden Glanz verbreitete.

Atahuallpa begann nun von den Speisen zu essen, zum Scheine nur, und jeder Mumie wurde eine Speise auf den goldnen Teller gelegt, auch dies zum Schein. In ihrem fürstlichen Staat, die Köpfe ein wenig gesenkt, die Haare von rabenschwarzer oder silberweißer Farbe, je nach dem Alter, in dem sie gestorben waren, machten die Leichname einen täuschenden Eindruck des Lebens, der durch die grelle Beleuchtung der vielfachen Flammen und alsbald auch durch das Licht der höher steigenden Morgenröte verstärkt wurde.

Zuerst zeigten die Gesichter meiner Gefährten eine schauerliche Ehrfurcht, aber der Anblick der goldnen Throne und goldnen Kleider, der Juwelen und Spangen und vor allem der goldnen Sonne erweckten in ihren Gemütern die unverlöschliche Begierde neu, den nie zu stillenden Hunger, und trieb ihn bis ins Glutfieber hinein, denn eine solche Ansammlung von Schätzen ging über ihre Fassung und raubte ihnen die Vernunft. Die Wachen strömten herbei, die Soldaten strömten herbei, Lust und Grauen in den Augen, Gier und Furcht; ich selbst fühlte noch ein Aufflackern des wesenlos quälenden Verlangens, dann aber zersprengte mir dies gräßliche Zweierlei, Wollust und Grauen, Gier und Furcht, Anblick des Goldes und Anblick des Todes das Bewußtsein.

Ich sah noch, wie sich ein Teil der Soldaten auf die goldnen Throne stürzte und von den Rittern zurückgerissen wurde, sah noch, wie der Inka sich vor seinen Ahnen tief verneigte und die Edlen seinem Beispiel folgten und wie er dann im Erfunkeln des ersten Sonnenstrahls nach einem leidvoll-erstaunten Blick auf die Stätte des Kampfes mit heiterem Lächeln zum Richtplatz schritt; hörte noch die dumpfen Ermahnungen des Mönchs und die verloren hingeleierten Credos der um den Scheiterhaufen versammelten Ritter, dann umfing mich eine wohltätige Dunkelheit, die erst nach vielen Tagen meine Sinne wieder verließ.

Kapitel 26

Aber zur Einkehr und demütigen Betrachtung der menschlichen Dinge dauerte es noch lange. Was noch an Jammer und Niedersturz an meinem Auge vorübergezogen ist und an welchen unguten Taten ich fernerhin mit widerstrebendem Geist noch teilnahm, fühle ich mich zu berichten nicht versucht.

Verfinstert sein und nach der Helligkeit lechzen, ist ein Zustand der Seele, der sie peinigt, aber auch zum Fließen bringt. Zwischen Ahnung und Wissen gibt es einen Weiser, zwischen Trägheit und Sehnsucht einen Ruf.

Als ich einst über die Trümmer einer verkohlten Stadt wanderte und in die gebrochenen Augen von Menschenbrüdern blickte, befahl mir eine Stimme zu schweigen und zu warten.

Als ich ein anderes Mal im Gebirge der Kordilleren auf eine Schar von sterbenden Kindern stieß, die der Hunger und die Angst aus den verödeten Dörfern hinaus in das wüste Pajonal getrieben hatte, weinte ich über das, was der Mensch ist und was er versäumt zu sein.

Ich sah den Tod in jeglicher Gestalt, die er auf Erden annimmt; ich sah die Freunde hingehn und die Führer fallen und die Völker enden und die Unbeständigkeit jedes Glücks und den Betrug jeder Hoffnung und schmeckte den bittern Bodensatz in jedem Trunk und das heimliche Gift in jeder Speise und litt an der Zwietracht der Gemeinden und an der Torheit selbst der Erleuchteten und an dem grausam gleichmütigen Rollen der Zeit über diese schmerzbeladene Erde und erkannte die Nichtigkeit alles Habens und die Ewigkeit alles Seins, und mich erfüllte das Verlangen nach einem besseren Stern, den die herrliche Sonne reiner durchglüht und edler beseelt hat.

Dieser, auf dem ich lebe, ist vielleicht von Gott verstoßen.

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