Das brachte viel Versäumniß und Ausgaben, wenig Gewinn und Vortheil. Folglich nahm in allen Häusern das Vermögen eher ab als zu. Und darum fluchte Einer wie der Andere über schlechte Zeiten, über Regierung und über die Leute im Dorf.
3. Was der verständige Müller erzählt.
Als Oswald in seinem Dorfe so viel Lasten und Sünden sah, ist ihm vor Zorn das Herz geschwollen. Er ging in die Mühle, wie er allemal that, wenn er voll Unmuths war. Und wenn ihn da die holdselige Elsbeth anlächelte, verschwand sein Verdruß, wie eine Nebelwolke an der Stirn des Berges vor dem Glanz der Sonne.
Oswald sprach zum Müller: »Nein, wie sind doch die Leute so gottlos und die Hütten so voll Jammers! Das ist vor Zeiten nicht so gewesen. Da war der Fleiß auf den Feldern, die Zierlichkeit im Dorfe, die Eintracht in den Häusern und der Reichthum in den Scheuern. Da wurden die Bauern hochgeehrt von den Städtern, und man nannte sie auch wohl die Herren Goldenthaler. Nun ist Alles umgekehrt, und die Armuth sitzt neben der Bosheit unter den Dächern. Wie hat der Krieg so viel Uebels angerichtet!«
Der Müller antwortete und sprach: »Unser Dorf hat vom Kriege viel gelitten, gleichwie andere Dörfer und Städte. Es lagerten sich fremde Völker bei uns ein und verzehrten unsere Vorräthe; wir mußten den Kriegsleuten dienen und liefern, was sie wollten; wir mußten der Obrigkeit Zins und Steuern zahlen; wir hatten schlechten Verdienst, denn Handel und Wandel standen still, alles Gewerb war Verderb, und schlechte Jahre und Witterungen kamen dazu, daß das Gras auf den Feldern, das Getreide auf den Aeckern, das Obst an den Bäumen und die Traube an den Reben umkam. Aber unser Unglück stammt nicht von Krieg und Theuerung her. Denn andere Städte und Dörfer haben gelitten, wie wir, und fangen doch wieder an, heiter aufzuschauen. Aber in unserm Dörflein wird es alle Tage schlimmer. Andere Städte waren in Trübsal und Armuth untergesunken, wie wir; doch heben sie sich wieder daraus mit Gottes Hülfe hervor. Aber, dem Himmel sei's geklagt, wir gehen nun darin unter.«
»Das wolle Gott verhüten!« rief Oswald: »Woher kommt das?«
Der Müller antwortete: »Das kommt daher: die Andern strengen ihre Kräfte an und schwimmen an das Ufer; wir überlassen uns dem Spiel der Unglückswogen und unsere Rettung dem Zufall. Ja diejenigen, welche uns helfen können, ziehen uns noch tiefer in den Wasserstrudel hinein.«
»Wer sind die?«
»Ich will es dir wohl im Vertrauen unter vier Augen offenbaren!« sagte der Müller. »Wenn es mit einer Gemeinde den Krebsgang geht, so kannst du dich darauf verlassen, hat sie schlechte Obrigkeit. Und das ist bei uns der Fall. Unsere Ortsvorgesetzten sind entweder eigennützige Menschen, oder einfältige, schwache Leute. Zwei von ihnen haben eigene Wirthshäuser, und der Schwiegersohn des dritten hat auch ein Trinkhaus. Da ist es ihnen eben recht, wenn die Leute lieber bei ihnen hinterm Tisch, als bei der Arbeit sind. Wird die Gemeinde versammelt, so ist es bald in diesem, bald im andern Wirthshaus, und da muß am Ende eins getrunken werden. Haben die Durstigen kein Geld, so wird ihnen geborgt. Können sie nicht zahlen, so kauft man ihnen ein wohlgelegenes Stück Land um das andere ab, oder nimmt es für die Schuld an; oder, was die Leute haben, wird öffentlich versteigert. Dann sind die Bettler fertig. Daher kommt nach und nach alles liegende Gut in die Hand einzelner reichen Leute. Wer Geld leihen will, geht zu ihnen und bekommt um doppelten und dreifachen Zins. So werden die Bedürftigen durch unchristlichen Wucher desto schneller zu Grunde gerichtet.«
»Ei, warum borgen die, welche Geld brauchen, nicht lieber das Geld an andern Orten, oder in der Stadt bei rechtschaffenen Leuten?« rief Oswald.
»Weil man unserer Gemeinde an andern Orten keinen Kreuzer mehr anvertraut!« erwiederte der Müller. »Denn weil die Gemeindevorgesetzten bisher die Geldaufbruchscheine für Bedürftige auf die lüderlichste und leichtsinnigste Weise ausgestellt haben, sind die, welche Geld darauf liehen, hintenach darum halb oder ganz betrogen worden.
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