»Reden S' im Ernst?« fragte er ihn.
»Ach was!« entgegnete Rebay grob, »was wollen Sie denn? Soll ich mich umbringen, ich? ... Warum denn? – Meiner Seel, ich hab Unglück genug gehabt auf der Welt! – Oder meinen Sie, das ist ein Leben, Herr von Breiteneder, wenn man einmal Theaterstück geschrieben hat, wie ich als junger Mensch, und man ist mit achtundsechzig schließlich so weit, daß man auf einem elenden Klimperkasten für schäbige paar Kreuzer die heisern Ludern begleiten muß, und ihnen die Couplets schreiben ... Wissen S', was ich für ein Couplet krieg'? ... Sie möchten sich wundern, Herr von Breiteneder!«
»Aber man spielt sie auf dem Werkel,« sagte Jedek, der jetzt ganz ernst und manierlich, ja elegant neben ihnen herging.
»Was wollen denn Sie von mir?« sagte Breiteneder. Es war ihm plötzlich, als verfolgten ihn die beiden, und er wußte nicht, warum. Was hatte er mit den Leuten zu tun? ... Rebay aber sprach weiter: »Eine Existenz hab ich dem Mädel gründen wollen! ... Verstehen S', eine neue Existenz! ... Grad mit dem neuen Lied! ... Grad mit dem! ... Und ist es vielleicht nicht schön? ... Ist es nicht rührend? ...«
Der kleine Jedek hielt plötzlich Breiteneder am Rockärmel zurück, erhob den Zeigefinger der linken Hand, Aufmerksamkeit gebietend, spitzte die Lippen und pfiff. Er pfiff die Melodie des neuen Liedes, das Marie Ladenbauer, genannt die »weiße Amsel«, heute nachts gesungen hatte. Er pfiff sie geradezu vollendet; denn auch das gehörte zu seinen Kunstfertigkeiten.
»Die Melodie hat's nicht gemacht,« sagte Breiteneder.
»Wieso?« schrie Rebay. – Sie gingen alle rasch, liefen beinahe, trotzdem der Weg beträchtlich anstieg. »Wieso denn, Herr von Breiteneder? ... Der Text ist schuld, glauben S'? ... Ja, um Gottes willen, steht denn in dem Text was anderes, als was die Marie selbst gewußt hat? ... Und in ihrem Zimmer, wie ich's ihr einstudiert hab, hat sie nicht ein einziges Mal geweint. Sie hat g'sagt: »Das ist ein trauriges Lied, Herr Rebay, aber schön ist's! ...« »Schön ist's,« hat sie gesagt ... Ja freilich ist es ein trauriges Lied, Herr von Breiteneder – es ist ja auch ein trauriges Los, was ihr zugestoßen ist. Da kann ich ihr doch kein lustiges Lied schreiben? ...«
Die Straße verlor sich in den Wald. Durch die Äste schimmelte die Sonne; aus den Büschen tönte Lachen, klangen Rufe. Sie gingen alle drei nebeneinander, so schnell, als wollte einer dem andern davonlaufen. Plötzlich fing Rebay wieder an: »Und die Leut – Kreuzdonnerwetter! – haben sie nicht applaudiert wie verrückt? ... Ich hab's ja im voraus gewußt, mit dem Lied wird sie einen Riesenerfolg haben! – Und es hat ihr auch eine Freud gemacht ... förmlich gelacht hat sie übers ganze Gesicht, und die letzte Strophe hat sie wiederholen müssen. Und es ist auch eine rührende Strophe! wie sie mir eingefallen ist, sind mir selber die Tränen ins Aug gekommen – wissen S' wegen der Anspielung auf das andere Lied, das sie immer singt ...« Und er sang, oder er sprach vielmehr, nur daß er die Reimworte immer herausstieß wie einen Orgelton: »Wie wunderschön war es doch früher auf der Welt, – Wo die Sonn' mir hat g'schienen auf Wald und auf Feld, – Wo i Sonntag mit mein' Schatz spaziert bin aufs Land – Und er hat mich aus Lieb nur geführt bei der Hand. – Jetzt geht mir die Sonn' nimmer auf und die Stern', – Und das Glück und die Liebe, die sind mir so fern!« »Genug!« schrie Breiteneder, »ich hab's ja gehört!« »Ist's vielleicht nicht schön?« sagte Rebay und schwang den Zylinder. »Es gibt nicht viele, die solche Couplets machen heutzutag.
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