wußte, daß nicht mit wirklichem Zwang gedroht war, den fürchtete er nicht und hier am wenigsten, aber die Gewalt der entmutigenden Umgebung, der Gewöhnung an Enttäuschungen, die Gewalt der unmerklichen Einflüsse jedes Augenblicks, die fürchtete er allerdings, aber mit dieser Gefahr mußte er den Kampf wagen. Der Brief verschwieg ja auch nicht, daß, wenn es zu Kämpfen kommen sollte, K. die Verwegenheit gehabt hatte, zu beginnen, es war mit Feinheit gesagt und nur ein unruhiges Gewissen – ein unruhiges, kein schlechtes – konnte es merken, es waren die drei Worte »wie Sie wissen« hinsichtlich seiner Aufnahme in den Dienst. K. hatte sich gemeldet und seither wußte er, wie sich der Brief ausdrückte, daß er aufgenommen war.

K. nahm ein Bild von der Wand und hing den Brief an den Nagel, in diesem Zimmer würde er wohnen, hier sollte der Brief hängen.

Dann stieg er in die Wirtsstube hinunter, Barnabas saß mit den Gehilfen bei einem Tischchen. »Ach, da bist Du«, sagte K., ohne Anlaß, nur weil er froh war Barnabas zu sehn. Er sprang gleich auf. Kaum war K. eingetreten, erhoben sich die Bauern, um sich ihm zu nähern, es war schon ihre Gewohnheit geworden ihm immer nachzulaufen. »Was wollt Ihr denn immerfort von mir?« rief K. Sie nahmen es nicht übel und drehten sich langsam zu ihren Plätzen zurück. Einer sagte im Abgehn zur Erklärung leichthin mit einem undeutbaren Lächeln, das einige andere aufnahmen: »Man hört immer etwas Neues« und er leckte sich die Lippen als sei das Neue eine Speise. K. sagte nichts Versöhnliches, es war gut, wenn sie ein wenig Respekt vor ihm bekamen, aber kaum saß er bei Barnabas spürte er schon den Atem eines Bauern im Nacken, er kam, wie er sagte, das Salzfaß zu holen, aber K. stampfte vor Ärger auf, der Bauer lief denn auch ohne das Salzfaß weg. Es war wirklich leicht K. beizukommen, man mußte z.B. nur die Bauern gegen ihn hetzen, ihre hartnäckige Teilnahme schien ihm böser als die Verschlossenheit der andern und außerdem war es auch Verschlossenheit, denn hätte K. sich zu ihrem Tisch gesetzt, wären sie gewiß dort nicht sitzen geblieben. Nur die Gegenwart des Barnabas hielt ihn ab Lärm zu machen. Aber er drehte sich doch noch drohend nach ihnen um, auch sie waren ihm zugekehrt. Wie er sie aber so dasitzen sah, jeden auf seinem Platz, ohne sich mit einander zu besprechen, ohne sichtbare Verbindung unter einander, nur dadurch mit einander verbunden, daß sie alle auf ihn starrten, schien es ihm, als sei es gar nicht Bosheit, was sie ihn verfolgen ließ, vielleicht wollten sie wirklich etwas von ihm und konnten es nur nicht sagen, und war es nicht das, dann war es vielleicht nur Kindlichkeit; Kindlichkeit, die hier zuhause zu sein schien; war nicht auch der Wirt kindlich, der ein Glas Bier, das er irgendeinem Gast bringen sollte, mit beiden Händen hielt, stillstand, nach K. sah und einen Zuruf der Wirtin überhörte, die sich aus dem Küchenfensterchen vorgebeugt hatte.

Ruhiger wandte sich K. an Barnabas, die Gehilfen hätte er gern entfernt, fand aber keinen Vorwand, übrigens blickten sie still auf ihr Bier. »Den Brief«, begann K., »habe ich gelesen. Kennst Du den Inhalt?« »Nein«, sagte Barnabas. Sein Blick schien mehr zu sagen, als seine Worte. Vielleicht täuschte sich K. hier im Guten, wie bei den Bauern im Bösen, aber das Wohltuende seiner Gegenwart blieb. »Es ist auch von Dir in dem Brief die Rede, Du sollst nämlich hie und da Nachrichten zwischen mir und dem Vorstand vermitteln, deshalb hatte ich gedacht, daß Du den Inhalt kennst.« »Ich bekam«, sagte Barnabas, »nur den Auftrag den Brief zu übergeben, zu warten, bis er gelesen ist, und, wenn es Dir nötig scheint, eine mündliche oder schriftliche Antwort zurückzubringen.« »Gut«, sagte K., »es bedarf keines Schreibens, richte dem Herrn Vorstand – wie heißt er denn? Ich konnte die Unterschrift nicht lesen.« »Klamm«, sagte Barnabas.