Spät in der Nacht verließ er das Haus, schritt durch den finsteren rauschenden Tiergarten zu Trebitsch. Die letzte Allee durchlief er, als würde er verfolgt, gedrückt in das Dunkel der schattenden Bäume. Er wollte niemanden wecken. Er warf einen kleinen Stein gegen Trebitschs erleuchtetes Fenster. Er trat ein und sah nach der Tür. Er schilderte eine unermeßliche Gefahr, in der er schwebte. Spitzel hätten ihn hierher verfolgt, kommunistische Spitzel, unterwegs sei er auf einen Omnibus gesprungen. Sie witterten in ihm den, der er war. Sie ahnten schon, daß er nicht Trattner heiße. Und während er erzählte, steigerte sich seine Furcht. Er log nicht mehr mit Vorbedacht, sondern schilderte seine ängstlichen Vorstellungen. »Ekrasit!« sagte er leise und sah zur Tür.
Man solle sie nicht stören, sagte Trebitsch, sanft und lächelnd wie immer. Er strählte seinen Bart mit gespreizten Fingern wie mit einem Kamm. Nach dem Attentat – und hoffentlich gelingt es – müsse man zur Polizei gehen.
Gegen vier Uhr morgens kehrte Theodor zum Maler Klaften zurück. Man hatte sich auf die Siegessäule geeinigt. Zwei Leute holten das Ekrasit in einer Droschke. Thimme bohrte ein Loch in das Kästchen. Thimme, Theodor und Goldscheider fuhren zur Siegessäule. Thimme und Theodor warteten in einer geraumen Entfernung. Dann kam Goldscheider. Sie gingen, alle drei, schweigsam und bitter.
Eine Viertelstunde nachdem Goldscheider die Lunten angesteckt hatte, rief Theodor die Polizei an; in einigen Minuten würde ein Unglück geschehen. Rechts hinter dem Gitter um die Siegessäule liege Ekrasit.
Dann ging Goldscheider zurück in Klaftens Wohnung – Polizei hielt ihn an, fesselte ihn rasch und lautlos. Aus dem Zimmer kamen die Verhafteten, zu zweit aneinandergefesselte Freunde. An der Seite des Kommissärs stand Trattner, der Genosse Trattner.
Sie spuckten alle gleichzeitig, wie auf Kommando und ehe man sie hindern konnte, in sein Angesicht.
Theodor wischte den Speichel mit dem Tuch fort. Er lachte. Er lachte kurz, laut und tief. Es klang wie ein halber Schrei.
In der Flur erloschen die grellen Lampen der Polizisten. Man hörte den gleichmäßigen Trott der zehn Verhafteten von der Straße und das leise Metallgeräusch aneinanderschlagender Handspangen.
VI
In den Zeitungen flackerten die Sensationen auf: Kommunistischer Anschlag von einem Mitglied der Technischen Nothilfe vereitelt. Theodor Lohse wurde einigemal genannt. Man gratulierte.
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