Manchmal verstehe ich meine Freundinnen besser als meine eigene Mutter. Es ist schade!

Frau v. Daan ist mal wieder unberechenbar. Sie schließt möglichst viel von ihren Sachen ein, die für den allgemeinen Haushalt bestimmt sind. Ich möchte, daß Mutter das mit gleicher Münze heimzahlt!

Es scheint für manche Eltern ein besonderes Vergnügen zu sein, nicht nur ihre eigenen Kinder zu erziehen, sondern auch die aus ihrem Bekanntenkreis. Dazu gehören die v. Daans. An Margot ist nichts zu erziehen, sie ist die Liebe, Güte und Klugheit selbst. Aber was sie zuviel hat, habe ich zuwenig! Mehr als einmal während des Essens regnet es Ermahnungen, und ich kann meine kecken, manchmal frechen Antworten nicht lassen. Vater und Mutter halten immer zu mir, und ohne sie könnte ich einfach nicht durchkommen. Wie oft mir die von oben auch vorhalten, daß ich nicht soviel reden und mich nicht um alles kümmern soll und daß ich zu unbescheiden bin ... ich falle doch immer wieder in meine alten Fehler zurück. Wäre Vater nicht immer so geduldig, hätte ich die Hoffnung schon längst aufgegeben, es noch jemals zu lernen. Dabei sind die Wünsche der Eltern wirklich zu erfüllen.

Wenn ich von einem Gemüse wenig nehme, weil ich es nicht gern mag, jedoch mehr Kartoffeln, ärgern sich die v. Daans schrecklich über diese »Verwöhnung«.

»Nimm noch einbißchen Gemüse«, sagt sie dann schnell. »Nein, danke, ich möchte nur Kartoffeln«, antworte ich. »Gemüse ist so gesund, das sagt deine Mutter auch. Iß

doch noch«, drängelt sie, bis Vater dazwischenkommt und der Sache ein Ende macht.

»Da hätten Sie mal bei uns zu Hause sein müssen«, fährt sie auf, »da kam so etwas nicht vor. Das ist doch keine Erziehung! Anne ist schrecklich verwöhnt. Das müßte meine Tochter sein!« Immer endigt ihr Wortschwall mit diesen Worten. Ein Glück, daß ich es nicht bin!

Nun zurück zum Thema Erziehung. Gestern war es erst still, nachdem Frau v. Daan endlich mit ihrem Gerede fertig war. Dann antwortete Vater:

»Ich finde, daß Anne gut erzogen ist. Sie hat doch sogar schon begriffen, daß es besser ist, Ihre langen Reden unbeantwortet zu lassen. Und was das Gemüse angeht, kann ich nur sagen: Vice versa!«

Nun war sie geschlagen, und zwar gründlich. Das vice versa bezog sich nämlich auf die kleinen Portionen, die sie selbst ißt. Sie gibt als Grund an, daß viel Gemüse vor dem Schlafengehen ihrer Verdauung schädlich sei. Soll sie mich wenigstens in Ruhe lassen! Es ist amüsant, wie schnell Frau v. Daan rot wird.