Da nahm Hammer, um die rechte Hand frei zu bekommen, das Messer zwischen die Zähne und stieß dem Jaguar die Faust mit solcher Kraft gegen den Hinterkörper, daß dieser den Halt verlor; seine hinteren Pranken glitten von der Bretterwand; er suchte sich mit den vordern festzuhalten und fauchte den Feind wütend an, erhielt aber von diesem einen solchen Hieb auf die Nase, daß er auch vorn abglitt und in die Arena zurückstürzte. Diejenigen, welche sich in Gefahr befunden hatten, waren gerettet.
Aber damit begnügte sich der Deutsche nicht. Er sprang auf die Wand und, zum Schreck aller Zuschauer, in die Arena hinab. Ein vielstimmiger Schrei erscholl rundum, denn der kühne Mann kam gerade vor den Jaguar zu stehen, welcher sich laut brüllend zum Sprunge niederduckte.
Nun geschah etwas, was niemand für möglich gehalten hätte. Hammer nahm das Messer aus dem Mund, setzte den linken Fuß vor und hielt dem Tiere den linken, durch den Poncho geschützten Arm entgegen. War es diese sichere Haltung, oder war es die Macht des weit geöffneten grauen Auges, dessen nicht zuckenden Blick der Jaguar auf sich gerichtet sah - - er unterließ nicht nur den Sprung, sondern setzte die Pranken langsam hinter sich, um sich in schleichender Haltung zurückzuziehen. So allmählich, wie er wich, folgte ihm der Deutsche Schritt um Schritt, ohne ihn auch nur für einen Moment aus dem Auge zu lassen. Das Raubtier nahm wie ein geprügelter Hund den Schwanz zwischen die Beine und retirierte immer schneller, in die Flucht getrieben durch die Macht eines furchtlosen Menschenauges, welcher es nicht zu widerstehen vermochte. Da ertönte von einem der entferntesten Plätze herab der Ruf:
»Que maravilla! Este caballero es el padre Jaguar -welch ein Wunder! Dieser Herr ist der Vater Jaguar!«
»Ist das wahr?« fragte eine andre laute Stimme.
»Es ist wahr. Ich kenne ihn sehr genau. Er ist es.«
Hatte man bis jetzt vor banger Erwartung kaum zu atmen gewagt, so fühlte man sich beim Klange dieses berühmten Namens von aller Sorge befreit. Man hatte ja so oft gehört, daß es nur des Auges dieses Mannes bedürfe, um einen Jaguar in die Flucht zu treiben. Es erhob sich ein Beifallssturm, wie er selbst hier wohl nur selten gehört worden war.
»El padre Jaguar, el padre Jaguar!« so riefen alle Lippen.
Es war ein wahres Brausen von Stimmen in allen möglichen Tonlagen. Dieser unbeschreibliche Lärm schüchterte das Raubtier noch mehr ein. War es bisher nur rückwärts geschritten, so wendete es sich jetzt um und rannte davon, der Thür entgegen, aus welcher es vorhin gekommen war. Sie war verschlossen
worden. Der Deutsche folgte mit schnellen Schritten und gebot mit selbst in diesem Lärm noch hörbarer Stimme:
»Abrid la puerta, presto, presto - öffnet die Thür, schnell, schnell!«
Der mit diesem Dienste betraute Peon zog von seinem sichern Standorte aus die Fallthür empor und ließ sie, als der Jaguar in den nun offenen Käfig sprang, wieder nieder. Das Raubtier war unschädlich gemacht.
Jetzt brach ein Applaus los, welcher gar kein Ende nehmen wollte. Der Vater Jaguar schritt nach der Mitte der Arena, verbeugte sich rundum und ging dann nach der Schutzwand, von welcher er vorhin den Jaguar getrieben hatte, schwang sich hinauf und stieg dann von Lehne zu Lehne, bis er seinen Sitz erreichte. Dort gab er dem Privatgelehrten den Poncho und das Messer zurück und sagte:
»Dank, Señor! Und Verzeihung, daß ich nicht Zeit hatte, Sie erst um Erlaubnis zu bitten!«
»Hat nichts zu sagen, obgleich Sie mir mit dem Poncho auch den Hut und das Kopftuch herabgerissen haben,« antwortete der Kleine. »Wozu Sie das Messer brauchten, kann ich begreifen; aber bitte, mir zu sagen, warum Sie die Decke mitnahmen?«
»Um meinen Arm, den ich als Schild benutzen wollte, vor den Zähnen und Krallen des Jaguars zu schützen.«
»Señor, Sie sind ein Held, lateinisch, doch in griechischer Abstammung, Heros genannt. Ihre Tapferkeit, die, ohne aus dem Griechischen zu stammen, lateinisch Fortitudo, Virtus bellica und auch Strenuitas heißt, bewundere ich aus vollem Herzen. Sie haben das Untier wie eine Hauskatze vor sich hergetrieben. Was wird aber nun mit dem Büffel, Bison americanus, werden?«
»Das können Sie sofort sehen, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit nach der Arena richten wollen.«
Der Bison hatte sich in den Sand gestreckt und war da auch vorhin ruhig liegen geblieben, als der Vater Jaguar den Kampfplatz betreten hatte. An einen Kampf zwischen ihm und dem »Tiger«, wie der Gaucho den Jaguar nennt, war nun nicht mehr zu denken. Darum verlangte das Publikum jetzt das abermalige Auftreten der Stierkämpfer, die sich mit dem Bison messen sollten. Diese Aufforderung geschah in so stürmischer Weise, daß man ihr nachkommen mußte. Die Toreadores kamen nach kurzer Zeit in der schon beschriebenen Weise herein, um den Kampf mit diesem letzten und gefährlichsten Gegner aufzunehmen. Dieses Mal war nur ein Espada vorhanden, nämlich Crusada aus Madrid, doch kam nach einigen Minuten Antonio Perillo nach. Er hinkte infolge seiner Verwundung, die allerdings nur eine leichte war, hielt es aber für ein Gebot der Ehre, trotz dieser Verletzung an dem Schauspiele mit teilzunehmen.
Der Bison wurde zunächst von den Picadores umringt.
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