Der Espada war, wie überhaupt alle Anwesenden, von denen keiner das Gewand der Pampa trug, auf französische Art gekleidet, und es stand also nicht zu erwarten, daß er eine Waffe bei sich tragen werde, doch griff er, nachdem er sich rasch aufgerafft hatte, unter den Rock, zog ein langes Gauchomesser hervor und drang wutbrüllend mit demselben auf den Deutschen ein. Dieser wich keinen Zoll zurück, sondern sah ihm mit scharfem Auge entgegen, packte ihn mit raschem Griffe an dem das Messer hochhaltenden Arm und drückte ihm denselben so, daß er die Waffe mit einem Schmerzensschrei fallen ließ. Dann gebot er ihm in drohendem Tone:

»Gib Ruhe, Antonio Perillo! Mir kommt man nicht in dieser Weise. Wir befinden uns in Buenos Ayres, nicht aber in der Salina del Condor. Verstanden?«

Bei diesen Worten nahm er seinen Gegner so scharf in das Auge, als ob er ihm in das innerste Herz blicken wolle. Perillo fuhr zurück und starrte den Sprecher erschrocken an. Er war bleich, sehr bleich geworden; sein Auge flimmerte in einem ungewissen Scheine und seine Stimme zitterte beinahe, als er antwortete:

»Die Salina del Condor? Was ist's mit dieser? Ich kenne sie nicht.«

»Du kennst sie nur zu gut; ich sehe es dir an.«

»Ich bin nie, niemals dort gewesen. Was wollen Sie mit dem Namen dieses Ortes sagen?«

»Ganz dasselbe, was du dir jetzt im stillen sagst, freilich ohne es laut werden zu lassen. Aber es wird laut werden, früher oder später; das versichere ich dir!«

»Ich weiß nicht, was Sie reden und was Sie wollen. Ich mag mit Ihnen nichts zu thun haben.«

»Dazu hast du allen Grund; also hüte dich davor, daß ich einmal mit dir zu thun bekomme, denn du würdest da schwerlich so gut davonkommen wie heute!«

Er griff in die Tasche, warf, um das Genossene zu bezahlen, eine Anzahl von Papierthalern auf den Tisch, nahm den Hut vom Nagel und schritt der Thüre zu, ohne daß jemand es wagte, ihn anzuhalten. Seit er nicht mehr auf dem Stuhle saß, sondern sich aufgerichtet hatte, sah jeder ein, daß mit diesem Goliath nicht gut anzubinden sei. Seine drei Gefährten folgten ihm.

Erst als die Thüre sich hinter ihnen geschlossen hatte, kehrte dem Espada der Mut zurück. Er wendete sich an seine Gefährten, um seine Niederlage zu beschönigen, denn einer derselben rief ihm höhnisch zu:

»Welch eine Blamage, Antonio Perillo! Er hat dich geworfen!«

»Laufe ihm doch nach und binde mit ihm an! Gegen so einen Riesen kann kein Mensch aufkommen.«

»Das mag sein. Aber er nannte dich Du. Welche Verächtlichkeit! Und du ließest es dir nicht nur gefallen, sondern nanntest ihn Sie, wie vorher.«

»Ich habe auf das Du gar nicht geachtet.«

»Und was war es mit dieser Salina del Condor? Was meinte er damit?«

»Weiß ich es? Dieser Aleman scheint an einer fixen Idee zu leiden. Ihr wißt ja, daß die Deutschen alle Träumer oder mondsüchtig sind. Sprechen wir nicht mehr davon.«

Vielleicht hätte man dieses Thema doch nicht fallen lassen, wenn nicht eben jetzt eine Person eingetreten wäre, welche die Blicke aller auf sich zog. Es war ein Gaucho, aber von so kleiner, schmächtiger Gestalt, wie keiner der Anwesenden in seinem Leben jemals einen Gaucho gesehen hatte. Das Männchen trug eine sehr weiße und sehr weite Hose, welche ihm nur bis an die Kniee reichte, und eine rote, baumwollene Chiripa. Das ist eine Decke, welche der Bewohner der Pampa schräg um die Hüften schlägt, vorn und hinten emporzieht und dann um den Leib legt, wo sie von einem Gürtel festgehalten wird. Die Aermel des Hemdes, welches ebenso rein und weiß wie die Hose war, hatte der kleine Träger bis über die Ellbogen aufgewickelt, so daß seine Vorderarme unbedeckt waren. Ueber den Gürtel war eine rote Schärpe gebunden, deren Enden an der Seite herunterhingen. Ein ebenfalls roter Poncho bedeckte den Oberkörper. Das ist eine wollene Decke, in deren Mitte sich ein Schnitt befindet, durch welchen man den Kopf steckt. Die Unterschenkel waren mit echten Gauchostiefeln bekleidet, welche folgendermaßen zubereitet werden. Man zieht beim Schlachten eines Pferdes von den unteren Beinen die Haut, doch ohne sie zu zerschneiden, noch lebenswarm herunter und legt sie in heißes Wasser, um die Haare leichter abschaben zu können. Man steckt, während diese Häute noch naß sind, die Füße hindurch und zieht sie wie Strümpfe an. Sobald das Leder trocken wird, legt es sich fest um die Waden und bildet eine sehr wetterfeste Bekleidung, welche man freilich niemals ablegen kann, sondern tragen muß, bis sie von selbst zerreißt und von den Beinen fällt. Natürlich sind da nur die Unterschenkel und der obere Teil des Fußes bedeckt; die Zehen aber sehen vorn heraus und auch die Fußsohle bleibt nackt. Der Gaucho, welcher solche Stiefel trägt, geht also barfuß - wenn er nämlich geht.