Grete erschrickt, sieht um sich, geht ans Fenster
und öffnet. Elias' Kopf taucht
ins Helle.
Elias (flüsternd): Faß und iß und trink
– bin bald zurück und du kannst
indem . . . nu, faß doch, hab dir nichts
Schlechtes zusammengeklaubt.
Grete: Ich will doch nicht, du
weißt doch, was ich will – will nicht essen, nicht
trinken, nichts geschenkt.
Elias: Nichts da von geschenkt
– essen und trinken gehört mal dazu, weißt? Iß
und trink, dann bist du mir recht. Deine Hohläugigkeit schaut
verdammt hungrig aus, sollst gefälligst lustig sein, lustig
sein gehört mit dazu – abgemacht? (Sie nimmt das Päckchen.) So, siehst du wohl,
bist ja gut und wir wollen uns vertragen und einander was Gutes
gönnen. Hör mal: ich muß vom Hof hier kommen, meine
Frau schläft am Gang und da sind so lose Bohlen –
muß noch kramen – ja so gehts im Geschäft.
(Ab.)
Grete (legt das
Päckchen auf den Tisch. Es klopft nun nebenan, Grete horcht,
schüttelt den Kopf, es klopft wieder).
Grete (leise): Ich bin da.
92
Wehdigs Stimme (hinter der linken Wand): Bist du nicht Grete?
Grete: Ich bin da.
Stimme: Hab so Hunger und hör
von Essen und Trinken, wie soll man schlafen, wenn es nebenbei von
Essen und Trinken rumort!
Grete: Du kannst essen, hol' dir
was zu essen.
Man hört eine Bettstatt
knarren, Scharren, Tappen im Dunkeln, durch die Mitteltür vom
Gang kommt Wehdig halbangezogen auf
bloßen Füßen.
Wehdig: Nu?
Grete (zeigt
auf den Tisch).
Wehdig: Wohl zu speisen Musche
Wehdig! (Wickelt aus, schüttelt eine
Flasche.) Das gluckert nicht wie was zum Waschen, scheint
schön gelb durch, das heb ich auf. (Kaut.) Wo ist er denn geblieben – weg? Habt
ihr noch was vor, sonst bleib ich gleich hier – he?
Grete: Wo kommen die Leute alle
her?
Wehdig: Was für Leute?
Grete: Die man so hört.
Wehdig (läßt das Kauen, horcht, schüttelt den
Kopf): Nu, Läuse trampeln überall, aber Leute
keine. (Kaut und stiert auf Grete.)
Grete: Er geht doch zwischen ihnen
herum und sagt auch was, Elias sagt was.
Wehdig: Na, was sagt er denn?
Grete: Er schilt.
Wehdig: Weiter nichts? Wenn er
schimpft, hat er an was zu denken – ist gut, daß er
schimpft.
93
Grete: Er ist wohl böse.
Wehdig: Ja, böse – blas'
Licht aus, sonst macht er sich bei uns noch was zu schaffen.
(Er bläst das Licht selbst
aus.)
Grete: Licht ist auch da –
scheint durch. (Deutet auf die linke
Wand.)
Wehdig: Hinter der Wand ist das
Loch, wo er mich hingelegt hat. (Lacht.)
Hat vergessen und mirs Hemd nicht ausgezogen – na, dir kanns
egal sein, mit ist so gut wie ohne – was?
Grete: Immer noch mehr Leute!
Wehdig: Wo viele sind, kommts auf
mehr nicht an – laß sein.
Grete: Aber was sie da wohl tun,
ist Platz für so viel Menschen?
Wehdig: Kümmern sie sich um
mich? Ich kümmer mich nicht um sie.
Grete (geht zur
Wand): Man sieht durch die Spalten – ach, da ist auch
Elias und läuft hin und her, schleppt Geschirr und plagt sich
brav.
Wehdig: Komm lieber hierher, kannst
dich gern auf meinen Schoß setzen, Grete.
Grete: Ach, du lieber Gott!
Wehdig: Möcht wissen, was du
denn noch willst – dahinter ist meine Kammer, hab ich dir ja
gesagt – nichts weiter, keine Leute, kein Elias –
Flausen, Grete, komm.
Grete: Spielen sie nicht mit
goldenen Karten? Ich 94 glaub sie haben goldene Karten in Händen
– klingelt, wenn sie fallen, sicher, goldene Karten!
Wehdig: Red' was dir paßt, bin
gleich fertig gegessen, dann wirst ja sehen.
Grete: Ja, sie spielen mit goldenen
Karten und Elias – guck doch Elias, packt sie an den Beinen
und reißt die Stiefel weg. Aber nu – da schleift er
Kübel ran und in den Kübeln da dampft es, und schiebt sie
untern Tisch und Zwei und Zwei müssen immer zusammen die
Füße in den Kübel stecken. Ich mein' wahrhaftig, es
glüht in den Kübeln! Da, da, da – da kommt er mit
einem Kessel voll rote Kohlen und der andre da oben, kenn ich
schon, ist ja Mehlspeis, Mehlspeis mit seinem Rabenschnabel,
Mehlspeis muß hinein – ei weih, ei weih, wie's den
sengt, schwitzt blankes Fett wie Speck in der Pfanne und die
heißen Tropfen springen wie Flöh durcheinander. Mehlspeis
hat auch goldene Karten in der Faust und spielt aus – aber
das Gesicht dabei, ich wollt so nicht mit goldenen Karten
spielen!
Wehdig: Ja, Speck in der Pfanne, da
pfeifts fein und da klinkt man seine Ohren auf – riechts auch
danach, Grete?
Grete: Ach Gott, was sie alle
Fratzen schneiden, wollen gern lustig sein, das gehört zum
Spielen, mischen ihre goldenen Karten und spielen immer weiter. Ja,
ja, Leute, hier heißts kurios dreinsehen, wenns auch sauer
wird. Aber das muß ich sagen, ihr tut was ihr könnt,
wollt keine Spielverderber heißen.
95
Wehdig: Ich hab die Füße
kühl, halts länger aus als sie.
Grete: Da kommt auch der alte
Splint und hinter ihm noch einer, kenn ich auch, Käselow aus
Klüz und denn auch noch Grundbarsch, ja, das ist er –
aber der ist doch längst tot, und Splint auch und Käselow
hab ich selbst begraben sehen, wie kommen die hierher?
Wehdig: Ja, Grete, mußt sie
fragen, werden sich wohl besinnen, wie sie herkommen.
Grete: Käselow nannten wir
immer den Brombeerjochen – hat immer noch seine roten Klunker
an den Backen baumeln – o, o, o, da fängt aber
Elias an zu spektakeln, soll da einer nicht mit zu? Er kommt aber
doch, schiebt Elias beiseit und den kenn ich doch auch, das
muß Boll sein, aber der junge, schlank und rot, und brennt
seine Zigarre an und bläst den Rauch in Elias seine Reden. Bin
neugierig, was er da hat, er sucht in der Tasche – holt sich
eine goldene Kugel heraus und läßt sie auf der Hand
hüpfen. Sein Kopf dreht sich auf seinem Hals
rückwärts über die Schultern, ich bin bange, er
sucht mich.
Wehdig (steht
auf): Na, Grete, nu fängt der gesellige Teil des Abends
an. Wollen untersuchen, was in der Flasche schwimmt – sollst
auch mal trinken, Grete.
Grete (stöhnt): Ihr, ihr, kommt ihr auch, alle drei?
Ach, ihr armen kleinen Leute, was sucht ihr in der Hölle! Habt
so schmutzige Füße vom langen Laufen und euer
allerschlimmstes Zeug erwischt – wie steht ihr da so verloren
und kümmert sich keiner um euch! Gut, blauer 96 Boll, daß dein
Kopf sich nach hinten drehen kann, du siehst sie schon und winkst
mit deiner langen Zigarre – und Elias läßt ab von
Boll und hat Einsehen und lacht über sie und schleppt sich mit
solchen kleinen Stühlen, da setzt euch und ruht eure
müden Füße aus – und zieht ihnen die
schmutzigen Stiefel aus, erst Ali, dann Lina, dann Peti, zieht
ihnen die Stiefel aus und schwenkt die Arme und kriegt einen Kessel
gefaßt mit Kohlen? (Schreit.) He,
Elias, was machst du da, meine Kinder sinds, Elias, Elias, Elias,
verfluchter Elias!
Wehdig: Mensch, bist gleich still!
So mitten in der Nacht und störst das ganze Haus wach!
Grete (lauter): Erbarmen, Elias, oder ich steck dich
selbst mit dem Kopf . . . erbarm dich über
meine Kinder, sie suchen mich mit ihren armen Seelen, hast nichts
mit ihnen zu schaffen! (Sie drängt und
schlägt gegen die Wand.)
Wehdig: So haben wir nichts
abgemacht in der Art, da misch ich mich aus, da wisch ich mirs
Maul. (Er will die Flasche einstecken, aber sie
entfällt ihm und er sucht sie vergeblich zu haschen.)
Sei Gift für jeden der dich findet! (Er
drückt sich hinaus, die Tür bleibt offen
stehen.)
Elias mit Licht.
Elias: Willst deine Zunge
verschleißen, willst den Hals in Stücke schreien?
Daß du erstickst, Hexe!
Grete: Wer hat dir erlaubt und du
machst dich über meine Kinder her, Teufel du, Elias!
Sie drängt an ihm vorbei
durch die Tür, er hält sie fest und drückt sie aufs
Bett, stellt das Licht auf den Tisch.
97
Elias: Kinder – deine –
bist verhext?
Elias' Frau, Doris, eine massive Person mit einem Baß und
immer gelassenen Gebärden, erscheint in der
Tür.
Doris: Es geht bei ihr aus und ein,
laß sie abholen, Elias – aber erst bezahlen.
Elias: Leg dich zu Bett, Frau, wird
alles besorgt.
Doris kehrt langsam um und
verschwindet.
Grete: Weißt du's nicht, alle
drei sind meine Kinder.
Elias: Ich weiß das mit den
Kindern, du hast es mir eher gesagt. (Leise.) Vernünftig sein, Grete, hörst?
Sprich leise, aber Kinder – wo sind deine Kinder?
Grete: Da drin – da wo sie
mit den goldenen Karten spielen und haben die Füße in den
Becken, hinter der Wand – gleich hol' sie her, Elias.
Elias: Hast du gegessen?
Grete: Er hats für mich
– ist auch zu den Leuten und Boll ist auch da und spielt mit
der goldenen Kugel.
Elias: So, so – ja, das Pack
hat den Magensack immer offen und schaufelt Dreck und Speck
hinein.
Grete: Hol' sie, Elias, ich bitte
dich, Elias, hol' sie alle drei!
Elias: Gleich – ganz recht,
ist schon so, Boll ist da und füttert sie, Boll findet schon
was für sie.
Grete: Laß mich los, Elias.
Glaub mir, ich fürchte mich nicht vor den Leuten, auch nicht
vor Käselow und den andern Toten – will sie selbst
füttern, Elias.
Elias: Verschnauf dich – na,
wie du außer Puste bist.
98
Grete: Hör mal, Elias, wo hast du
denn dein Gift, kann Boll sich nicht vergreifen und gibt ihnen von
deinem Gift?
Elias: Boll wirds beliebig machen,
bald so, bald anders, Boll muß, Grete.
Doris in der Tür.
Doris: Elias?
Elias: Sie ist betrunken, muß
ihr erst die Röcke zubinden. Geh zu Bett, ist gleich
besorgt.
Doris langsam ab.
Grete: Geht die Frau auch nicht zu
ihnen? Eine furchtbare Frau ist das, Elias, sie soll nicht zu den
Kindern.
Elias: Hat noch keine Kinder
gefressen, geht auch nicht zu ihnen, Grete, hat eigene Kinder.
Grete: Eigene Kinder –
weißt du, Elias, was müssen das für Kinder sein!
Elias: Richtige Kinder, gesunde
Kinder, Kinder wie alle Kinder, Grete.
Grete: Richtig gute Kinder?
Elias: Können gar nicht besser
sein.
Grete: Aber wo hast du dein Gift
verwahrt, Elias, Kinder klauen doch und suchen süße
Sachen – wenn sie vielleicht das Gift finden?
Elias: Na, wenn schon, sie sinds
von frühauf gewöhnt, ihnen tuts nichts, sie gedeihn,
daß man sie wachsen sieht.
Grete: Was müssen das für
Kinder sein, was seid ihr für Leute!
99
Elias: So gehts im Geschäft, in
der Hölle ist man lustig – na, Grete, du siehst bei
kleinem ein, daß hier alles in Ordnung ist, also will ich dir
was sagen, aber ich sags leise – daß wir die Hauptsache
nicht vergessen . . .
Doris an der Tür.
Doris: Elias?
Elias: Geh zu Bett, Frau.
Doris: Elias?
Elias: Zu Bett gehn sollst du!
Doris: Bist du fertig mit ihr?
Elias: Geh zu Bett, gleich ists
gut.
Doris: Ich mein, es ist schon gut
genug, geh und ruf die Wache an, ich will bei ihr aufpassen.
(Tritt ein.)
Grete: Boll, blauer Boll, hilf!
Doris: Die? Sollt man denken,
daß die solche Sachen macht? Nichts da von Wache (sie erblickt die Flasche, langt sie auf und stellt sie auf
den Tisch. Zu Grete): Du gehörst gestriegelt, daß
du dich besinnst. (Zu Elias): Sagte sie
nichts von Kindern?
Elias: Was hast davon –
Kinder, was gehn uns ihre Kinder an?
Doris: Viel geht aber das ihre
Kinder an, wir wollens uns Schlaf kosten lassen um ihre Kinder.
(Setzt sich in den Lehnstuhl.)
Grete: Sag ihr, Elias, sie solls
nicht, nicht da sitzen.
Elias: Das kannst ihr alles selbst
sagen, Grete. Das ist eine, da ist leicht mit auskommen – so
eine wie die ist.
Grete: Ich hör sie Luft holen,
Elias, ich fühls so dicht 100 bei, als wenn das ganze Zimmer von ihr voll
wär, und sitzt doch da hinten. Nein, Elias, geh nicht weg von
mir.
Elias: Kannst ganz dreist was
sagen, Grete, versuch es, wirst schon sehen. (Er macht sich Geschäfte, rückt Stühle, hebt
Papier auf, dreht am Docht, jeder Zoll ein Herbergsvater, nur von
Zeit zu Zeit kommt eine Grimasse.)
Doris: Kommt alles zur rechten Zeit
in Gang, dummes Ding. Zäher Braten bist, ich freß dich
doch. (Schüttelt den Zeigefinger.)
Das ist der Teufel, dummes Ding – heb dich von ihm weg und
komm auf meinen Schoß.
Grete (faßt nach Elias): Hörst du's, Elias? Auf
ihren Schoß, sagt sie.
Elias: Tu, was du willst, kommt
alles auf eins raus. (Zu Doris): Siehst
nicht, daß sie Angst hat, Frau? Wär schon Zeit und
läßt ihr wieder Ruhe.
Doris: O, mein Elias, wie ich dich
ausstudiert hab – Angst hat sie, da laß sie bei, die
soll ihr helfen, da sei unbesorgt, daß Angst ihr schadet.
1 comment