(Schüttelt den Zeigefinger.)
Das ist der Teufel, dummes Ding – heb dich von ihm weg und
komm auf meinen Schoß.
Grete (faßt nach Elias): Hörst du's, Elias? Auf
ihren Schoß, sagt sie.
Elias: Tu, was du willst, kommt
alles auf eins raus. (Zu Doris): Siehst
nicht, daß sie Angst hat, Frau? Wär schon Zeit und
läßt ihr wieder Ruhe.
Doris: O, mein Elias, wie ich dich
ausstudiert hab – Angst hat sie, da laß sie bei, die
soll ihr helfen, da sei unbesorgt, daß Angst ihr schadet. Das
lernt man bei uns.
Grete: Ach, Elias, ich weiß
was sie meint, man lernt mit den Kohlen an den Füßen
– warst du nicht schon dabei und die Kinder hatten ihre
Füße im Kessel? Was sollten die von den Kohlen
lernen?
Doris: Komm, mein Elias, laß
das mit den Kindern, gib mir die Flasche, grade gut für Wen
wie sie – dein Gift, laß mich sehen, wollen sehen.
(Elias gibt die Flasche, Doris
trinkt.)
Grete: Da in? Das ist es? Das steht
so bloß und blank auf dem Tisch und hast nichts weiter zu
gesagt?
101
Doris: Wie gut, daß du es mit ihr
meinst, mein Elias, siehst du, schmeckt man aus der Flasche heraus.
Ah, du dummes Ding, so also wie du muß man sich herzeigen,
wenn man in seiner Gnade warm werden will. Da, da, gib ihr zu
trinken, wird ihr die Angst abtreiben, lern von den Teufeln, lern
was wegbringen, lern was ausstoßen.
Grete: Siehst du nicht, Elias, sie
trinkt und ich solls nach ihr?
Elias: Frag nicht, sie sagt es und
tu nicht dumm – was ich dir gebe und dabei bleibts. So willig
stellst dich an? Sieh mal, sie trinkt Gift wie Wasser!
Grete (trinkt): Ob das nicht gleich so beschaffen ist wie
mit den Kohlen? Ach, ihr armen Kleinen, eure Mutter soll an
inwendigen Kohlen verbrennen.
Doris (schüttelt den Zeigefinger): Dummes Ding, an
unsern Kohlen verbrennt keiner. Die verstehns, da gehts genau bei
zu, da brennts, wo's gebraucht wird, die verderben nichts als was
verdorben ist.
Grete (krümmt sich).
Elias: Nichts als der brühende
Frost, Grete – der kriecht dir ein und verstockt dein
Gedärm und versengt deine Angst, Mund auf, Grete!
Doris: Sie trinkt schon, mein
Elias, quäl sie nicht.
Grete (trinkt): Ja, bei euch kann man wohl was lernen;
wenns auch brennt, so verbrennts die Angst im Leibe und tut weh
ohne Bange. (Sieht nach der Tür.)
Ich mein, die wollen auch ihr Teil, was Elias?
102 Drei Tote treten
ein.
Grete: Das könnt euch passen,
ihr Schleicher – he, Käselow und Splint und Mehlspeis?
Gesellen seid ihr! (Lacht.) Was habt ihr
denn mit eurem Fleisch und Bein gemacht? Das soll mich doch
wundern, auf was Art ihr mir guten Tag sagen wollt. Da hab ich
meine Hand nicht zu, was Gewesenes anzugreifen, was Abgelegtes, was
zurück Gewachsenes.
Die Toten sehen sich um.
Grete (lacht): Hier gibts keinen Spiegel, Mehlspeis. Du,
ja du kannst noch stolz sein – schau auf Splint und hat nur
noch die Hälfte von dir, na, lach auch mal, hast ja noch einen
Rest von Gurgel.
Mehlspeis: Na, Grete, daß wir
deine Kinder gleich mitnehmen, weißt du.
Grete: Dazu seid ihr da?
Splint: Grade und zu weiter
nichts.
Grete: Ihr, ihr drei?
Käselow: Und gehn gleich
weiter mit den Kindern.
Grete: Daß ihr sie anhaltet
und müssen zu so Gestalten werden in eurer saubern
Gesellschaft – und hungern müßt ihr doch auch
Leute, was seid ihr bloß ausgefleischt, eure
Hohläugigkeit sieht verdammt hungrig drein. Da lauert ihr
nach, auf meine Kinder? Trinkt erst mal was, gutes Gift, das kann
euch nicht mehr schaden, da kommt ihr auf andre Gedanken von.
(Gibt ihnen zu trinken.)
103
Splint: Wenn die Kinder ihr Teil
haben, bin ich so dreist, Platz hab ich. (Trinkt.)
Grete: Das muß ein verfluchtes
Leben sein im Tod – aber ihr müßt es ja am besten
wissen.
Mehlspeis: Ja, Grete, man
schlägt sich durch, wenn man nicht unbescheiden ist –
wollen wohl auf die Kinder passen. (Trinkt.)
Käselow: Kannst ganz ruhig
sein, Grete, man kriegts bald weg, wie's dann ist und die Jungen
lernen das so schnell wie die Alten. Fängt man erst an mit
Abnehmen im frischen Fleisch, gehts Zunehmen am faulen Fleisch
frisch an. (Trinkt.)
Grete (lacht): Saug' was du kannst, Käselow, siehst
wohl, da hast den letzten Tropfen abgeschleckt und weiter gibts
keine Krümel und keine Tropfen
– – – und nichts, nichts, nichts ist
übrig, nichts für Ali, nichts für Lina, nichts
für Peti! Macht euch auf die Socken, Leute, geht euren Gang,
was könnt ihr bei euren Umständen besseres tun, als brave
Tote sein.
Die Drei sehen sich an.
Mehlspeis: Wenn das nicht so
abgemacht wär, Grete.
Grete: Schlagt euch solche
Abgemachtheit aus dem Kopf – ich habe euch nicht gerufen.
Splint: Kannst mir das glauben,
Grete, und ich tu's gern. Aber lieber tu ichs nicht, Grete,
laß dein Kroppzeug in seinem Fleisch, wenn du's nicht besser
haben willst.
104
Käselow: Sollen wir uns was antun
mit nach fragen? Unsereins hat auch seinen Stolz und du kannst
lange warten, bis wieder so 'ne Gelegenheit kommt – kann dir
nicht helfen.
Die Toten gehen rückwärts hinaus.
Grete folgt ihnen und macht die
Tür hinter ihnen zu.
Grete: Nun sag einer, ob ich das
nicht gut gemacht hab. Ob die Toten alle so dumm werden, wenn ihr
Verstand verrottet? Was das auch aussah, wußten nicht mal, wie
sie zur Tür rauskommen sollten. (Steht vor
Doris und klatscht in die Hände.) Und alles Gift ist
ausgetrunken, nichts da, nichts für Ali und Lina und Peti,
keinen einen Tropfen und nur was in eurer leeren Flasche ist!
Doris (streckt
die Arme aus, Grete gleitet nieder und birgt sich in ihrem
Schoß).
Elias (hat sich
ins Bett gelegt und bald schnarcht er).
Doris: Zu und dichter, bett dich
warm, wollen vergessen, wers ist von uns Beiden, vergiß alles
und dich selbst, laß dich liegen im Gleichen, wo alles
herkommt und gut ist – gib her, was du hast, falsch und
verflucht, ich kanns lassen, bei Elias' Satansweib ist es
aufgehoben am unschädlichen Ort, da wächst was
drüber und wird mein und ich kanns tragen und trags leicht.
Sei getrost, so ledig wirst du, wie ich voll, gib deinen
Boßelkopf her und hör ins Ohr.
Grete (hält ihr Ohr hin): Boll ist – Boll ist
tot, der blaue Boll ist tot?
Doris: Hör genau. (Spricht leise.)
105
Grete: Ja, das ist wahr, ich weiß
schon – der blaue Boll sitzt mit den Füßen in Elias
seinem Kohlenkessel – au, au, au, blauer Boll, dir
ziehts hinauf bis ins Herz, da platzen die Blasen, da bläst
die böse Bange mit dicken Backen drauf – so gehts,
blauer Boll, so solls sein, sagt sie. Aber der junge Boll, nicht?
Der junge, der schlanke, der den Kindern die goldene Kugel zum
Spielen schenkt, braucht der auch in die Kohlen?
Doris: Braucht nicht, was der
spart, kommt dem blauen zugute – hörst du? (Spricht ihr ins Ohr.)
Grete: Kanns nicht, kanns wirklich
nicht hingehen, kann sich selbst nicht verzeihen, niemand und er
selbst auch nicht? Ach, du armer Boll, ich verzeih dir ja –
spiel mit den Kindern und laß dir verzeihen.
Doris: Das ist doch der junge, der
mit den Kindern spielt.
Grete: Ja, das ist der junge, der
braucht nicht büßen, was der blaue verbrochen hat. Aber
wenn sie so viel kann und frißt mich und saugt mich leer vom
Schlimmen, daß ich ledig werde wie sie voll, kann sie nicht
auch den blauen Boll austilgen, daß sie ihn auch in sich
trägt und gedeiht dennoch?
Doris: Laß den blauen Boll
sich selbst richten, sei du zufrieden – bist den Teufeln in
die Hände gefallen, die wohnen im Haus des Übels, da
können viel Übel mit unterkriechen. Elias schnarcht und
ich bin auch müde – habe was geschafft und brings zu
Haufen in gute Ruh.
Elias (im
Schlaf): Boll muß, bald so, bald so.
106 Man hört heftig an die
Haustür klopfen.
Grete: Will jemand noch so
spät ins Haus?
Doris (schläft und läßt sich vergeblich
rütteln).
Elias (im
Schlaf): Boll muß . . .
Grete: Das ist Boll! (Springt auf.) Boll, blauer Boll, wart, ich komme!
(Ab.)
107
Siebentes Bild
109 Inneres der Kirche, von dem man nur einen
Pfeiler, Bogenfenster und Gestühl sieht. Ein hölzerner
Apostel am Pfeiler. Grete schläft
auf der Bank, Boll geht im Gang auf
und ab. Die Morgensonne strahlt durchs Fenster und bescheint den
Apostel. Einige Augenblicke später erwacht Grete und richtet sich langsam auf, sie folgt
Boll, der immer noch auf- und abgeht,
mit den Augen. Wenn er an ihr vorbeikommt, sehen sie sich an.
Grete: Ist das nicht der blaue Boll
– kann niemand sein als der, aber wie kommt er hierher?
Boll: Und du, Grete, bist du nicht
auch da? (Macht eine Gebärde.) Was
für ein Haus, Grete, was für steinerne Raketen steigen
auf und wie springts da oben lustig im Bogenhimmel herum –
ist Morgen, Grete, hast gut geschlafen?
Grete: Hat Boll ihnen denn nicht
die goldene Kugel gegeben und sie liefen immer weiter und immer
hinter der Kugel her?
Boll: Genau so, immer hinter der
leuchtenden Kugel her und die Kugel direkt auf Parum los und zeigt
den Weg im Dunkeln – sind längst wieder in Parum, Grete,
und spielen immer mit der goldenen Kugel.
Grete: Aber Boll war doch jung und
schlank und rot – und ist doch wieder der blaue Boll?
Boll: Was schadet dirs, Grete! Ja,
ich war jung und schlank, so gut wie . . ., Grete,
so gut als ob, und darum küßtest du mich im Dunkeln.
Weißt nicht mehr, was der Nachtwächter sagte?
110
Grete: Ich lief mit dir und du
sagtest, die Kinder sind vorauf, darum lief ich. Ich war schon
müde und wurde matt und immer schneller wollte ich laufen
– ja dunkel war es!
Boll: Sehr! Aber du liefest nicht
lange und lagst bald am Boden und rührtest kein Glied und
sagtest kein Wort – und ich hob dich auf, ich und der
Nachtwächter hoben dich auf und brachten dich mit Mühe
(zeigt gegen die Wand) da vors Haus, vor
die Kugel, und er kriegte sein Trinkgeld und bedankte sich und
meinte, ich sollte meine kleine Braut nur ja ordentlich ausschlafen
lassen, sie hätts wohl nötig und lachte sich dabei wie
solche Schlauberger es machen. Braut, sagte er, Grete, denn er
konnte sichs nicht anders denken.
Grete: Und da küßte ich
Boll?
Boll: Im Dunkeln – im Dunkeln
war ich jung und schlank, Grete. Dabei kriegte ichs denn auch klug,
was es zu bedeuten hatte, daß du immer sagtest: Gift, Gift
– ja, da roch ichs und begriff, warum du mit Lachen und
Weinen und Husten anfingst und mit Schnarchen aufhörtest. Also
ich war jung und schlank und wars gern – im Dunkeln.
Grete: Und dann?
Boll: Und dann ließ ich die
Kugel links liegen und holte den Schlüssel aus der Tasche und
schloß auf, und einmal im Turm kamen wir von selbst ins
Gehäuse – ist mir sauer geworden, hätte dich lieber
wo anders hingebracht, aber es mußte wohl so sein.
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