033 - Der Frosch mit der Maske

EDGAR WALLACE

DER FROSCH MIT DER MASKE


The Fellowship of the Frog


Kriminalroman


Aus dem Englischen

von Johanna König



Goldmann Verlag

Der Goldmann Verlag

ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann


Made in Germany • 1/92

Sonderausgabe

© der deutschsprachigen Ausgabe 1953

by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Umschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagfoto: Archiv Dr. Karkosch, Gilching

Druck: Elsnerdruck, Berlin

Ge • Herstellung: Klaus Voigt

Krimi 60001

ISSN 3-442-00001-7

1.

Das Heißwerden des Kühlers traf mit dem Platzen eines Autoreifens zusammen. Und das nächste Zusammentreffen war, daß dies alles in der Nachbarschaft des Maytree-Hauses auf der Landstraße nach Horsham geschah. Das Landhaus war größer als die meisten dieser Art. Es hatte eine holzverzierte Fassade und ein Strohdach. Richard Gordon stand vor der Gartentür still, um es zu bewundern. Das Haus stammte noch aus der Elisabethanischen Epoche. Aber sein Interesse und seine Bewunderung waren nicht nur die eines Altertumsliebhabers.

Nein - obgleich er Blumen als ein richtiger Blumenfreund liebte und dieser weite Garten wie ein Teppich dalag, war es doch nicht der Duft der Provencerosen, der ihn gefangennahm. Es war auch nicht das Gefühl von Gemütlichkeit und Sauberkeit, das dieser Ort ausströmte, nicht dieser gescheuerte, mit roten Ziegeln bepflasterte Weg, der zum Haus führte, nicht die schneeweißen Vorhänge hinter den bleigefaßten Fensterscheiben.

Es war das Mädchen im rotbezogenen Korbsessel, das seinen Blick fesselte. Sie saß inmitten einer kleinen Rasenfläche, im Schatten eines Maulbeerbaumes, die wohlgeformten jungen Glieder ausgestreckt, ein Buch in der Hand, eine große Schachtel Bonbons zur Seite. Ihr Haar hatte die Farbe alten Goldes, aber eines Goldes, das Leben und Glanz bewahrt hat. Sie zog die Beine hastig an und erhob sich.

»Es tut mir leid, Sie zu stören«, entschuldigte sich Dick, den Hut in der Hand. »Aber ich brauche Wasser für meinen armen Wagen.«

»Wenn Sie mit mir hinter das Haus kommen wollen, werde ich Ihnen den Brunnen zeigen«, antwortete sie. Die Schönheit ihrer Stimme kam ihm sogleich zum Bewußtsein. Es war ein Alt, auf den alle Adjektive angewendet werden konnten, die die Wärme, Weichheit, Klangfülle und Süßigkeit einer Stimme zu kennzeichnen vermögen. Er folgte und hätte gerne gewußt, wer sie war. Sie hatte eine kleine patronisierende Färbung in der Stimme, die er wohl verstand. Es war der Ton eines erwachsenen Mädchens einem Jüngling ihres Alters gegenüber. Dick, der dreißig Jahre alt war und mit seinem glatten Knabengesicht wie achtzehn aussah, hatte diesen »Kleinen-Jungen-Ton« schon früher gehört und war immer durch ihn belustigt worden.

»Hier sind die Eimer, und da ist der Brunnen«, sagte sie. »Ich würde Ihnen ein Mädchen zur Hilfe schicken, aber wir haben keins, haben nie eins gehabt und werden wohl nie eins bekommen.«

»Da ist aber ein armes Mädchen um einen besonders guten Posten gekommen«, sagte Dick, »denn ich finde es hier entzückend.«

Sie schwieg, und während sie ihm beim Füllen der Eimer zusah, hatte er den Eindruck der verschlossenen Gleichgültigkeit von ihrer Seite. Aber als er die Eimer zum Auto auf der Landstraße trug, folgte sie ihm nach. Sie ging um den großen gelben Rolls Royce herum und prüfte ihn mit Neugier.

»Fürchten Sie sich nicht, einen so schweren Wagen allein zu fahren?« fragte sie. »Ich würde mich zu Tode fürchten. Er ist so gewaltig und so schwer zu handhaben.«

Dick richtete sich auf. »Angst?« rühmte er sich lachend. »Das ist ein Wort, das ich aus dem Lexikon meiner Jugend gestrichen habe.«

Eine Sekunde lang war sie verwirrt, dann lachte sie wie er.

»Sind Sie über Welford gekommen?« fragte sie. Er nickte. »Dann haben Sie vielleicht meinen Vater auf der Straße getroffen?«

»Ich bin nur einem trüb dreinschauenden Herrn mittleren Alters begegnet, der einen großen braunen Kasten schleppte.«

»Wo sind Sie ihm begegnet?« fragte sie mit Interesse.

»Es war zwei Meilen von hier, vielleicht noch näher.« Und dann, als ihn Zweifel überkam, fügte er hinzu: »Ich hoffe, daß ich nicht Ihren Herrn Vater beschrieben habe?«

»Ich glaube schon, daß er es gewesen ist«, sagte sie ohne Verstimmung. »Papa ist ein Naturforscherfotograf. Er nimmt Filme von Vögeln und anderes auf, natürlich als Amateur.«

Dick trug die Eimer nach dem Ort zurück, an dem er sie gefunden hatte, und verweilte noch zögernd.