Ich griff nach einer Pistole, der Magier riß sie mir aus der Hand und drückte sie auf die Gestalt ab. Die Kugel rollte langsam auf dem Altar, und die Gestalt trat unverändert aus dem Rauche. Jetzt sank der Magier ohnmächtig nieder.
»Was wird das?« rief der Engländer voll Erstaunen und wollte einen Streich mit dem Degen nach ihr tun. Die Gestalt berührte seinen Arm, und die Klinge fiel zu Boden. Hier trat der Angstschweiß auf meine Stirn. Baron F** gestand nachher, daß er gebetet habe. Diese ganze Zeit über stand der Prinz furchtlos und ruhig, die Augen starr auf die Erscheinung gerichtet.
»Ja! Ich erkenne dich,« rief er endlich voll Rührung aus, »du bist Lanoy, du bist mein Freund – – Woher kommst du?«
»Die Ewigkeit ist stumm. Frage mich aus dem vergangenen Leben.«
»Wer lebt in dem Kloster, das du mir bezeichnet hast?«
»Meine Tochter.«
»Wie? Du bist Vater gewesen?«
»Weh mir, daß ich es zu wenig war!«
»Bist du nicht glücklich, Lanoy?«
»Gott hat gerichtet.«
»Kann ich dir auf dieser Welt noch einen Dienst erzeigen?«
»Keinen, als an dich selbst zu denken.«
»Wie muß ich das?«
»In Rom wirst du es erfahren.«
Hier erfolgte ein neuer Donnerschlag – eine schwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als sie zerflossen war, fanden wir keine Gestalt mehr. Ich stieß einen Fensterladen auf. Es war Morgen.
Jetzt kam auch der Magier aus seiner Betäubung zurück. »Wo sind wir?« rief er aus, als er Tageslicht erblickte. Der russische Offizier stand dicht hinter ihm und sah ihm über die Schulter. »Taschenspieler," sagte er mit schrecklichem Blick zu ihm, »du wirst keinen Geist mehr rufen."
Der Sizilianer drehte sich um, sah ihm genauer ins Gesicht, tat einen lauten Schrei und stürzte zu seinen Füßen.
Jetzt sahen wir alle auf einmal den vermeintlichen Russen an. Der Prinz erkannte in ihm ohne Mühe die Züge seines Armeniers wieder, und das Wort, das er eben hervorstottern wollte, erstarb auf seinem Munde. Schrecken und Überraschung hatten uns alle wie versteinert. Lautlos und unbeweglich starrten wir dieses geheimnisvolle Wesen an, das uns mit einem Blicke stiller Gewalt und Größe durchschaute. Eine Minute dauerte dies Schweigen – und wieder eine. Kein Odem war in der ganzen Versammlung.
Einige kräftige Schläge an die Tür brachten uns endlich wieder zu uns selbst. Die Tür fiel zertrümmert in den Saal, und herein drangen Gerichtsdiener mit Wache. »Hier finden wir sie ja beisammen!« rief der Anführer und wandte sich zu seinen Begleitern. »Im Namen der Regierung!« rief er uns zu. »Ich verhafte euch.« Wir hatten nicht so viel Zeit, uns zu besinnen; in wenig Augenblicken waren wir umringt. Der russische Offizier, den ich jetzt wieder den Armenier nenne, zog den Anführer der Häscher auf die Seite, und so viel mir diese Verwirrung zuließ, bemerkte ich, daß er ihm einige Worte heimlich ins Ohr sagte und etwas Schriftliches vorzeigte. Sogleich verließ ihn der Häscher mit einer stummen und ehrerbietigen Verbeugung, wandte sich darauf zu uns und nahm seinen Hut ab. »Vergeben Sie, meine Herren,« sagte er, "daß ich Sie mit diesem Betrüger vermengen konnte. Ich will nicht fragen, wer Sie sind – aber dieser Herr versichert mir, daß ich Männer von Ehre vor mir habe.« Zugleich winkte er seinen Begleitern, von uns abzulassen. Den Sizilianer befahl er wohl zu bewachen und zu binden. "Der Bursche da ist überreif,« setzte er hinzu. »Wir haben schon sieben Monate auf ihn gelauert.«
Dieser elende Mensch war wirklich ein Gegenstand des Jammers. Das doppelte Schrecken der zweiten Geistererscheinung und dieses unerwarteten Überfalls hatte seine Besinnungskraft überwältigt.
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