Der Hochwald
Der Hochwald
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Tags: Erzählung
Der Hochwald ist eine Geschichte von überwältigender Menschlichkeit und Naturliebe, die in der Zeit der Schwedenkriege handelt und die Liebe zweier Schwestern zueinander nachzeichnet. In poetischen Bildern beschreibt der südböhmische Dichter Adalbert Stifter (18051868) seine Heimat, das Städtchen Friedberg und seine Umgebung. Er erzählt von der sanften Annäherung an den Zauber des Waldes, er spricht von erwachender Leidenschaft, und vor der Farbenpracht der Wälder träumt er den Doppeltraum von Jugend und erster Liebe. Doch der Harmonie der inneren und äußeren Landschaft tritt die Härte des Krieges schroff gegenüber.
Klappentext
»Ein Gefühl der tiefsten Einsamkeit überkam mich jedesmal unbesieglich, sooft und. gern ich zu dem märchenhaften See hinaufstieg. Ein gespanntes Tuch ohne eine einzige Falte liegt er weich zwischen dem harten Geklippe, gesäumt von einem dichten Fichtenbande, dunkel und ernst, daraus manch einzelner Urstamm den ästelosen Schaft emporstreckt, wie eine einzelne altertümliche Säule ... «
Libre:
Der Hochwald, Stifters Heimat, gibt den Rahmen für diese Erzählung, die wunderbare Naturschilderungen enthält, ab. Ins Märchenhafte verklärt und von den geschichtlichen Tatsachen abweichend wird die Geschichte vom Untergang der Burg Wittinghausen im Dreissigjährigen Krieg und der Liebe zweier Töchter zueinander erzählt. Gemeinsam ertragen sie das schwere Schicksal der älteren Tochter, deren Geliebter bei dem Versuch, die Burg zu retten, auf tragische Weise ums Leben. kommt.
Adalbert Stifter
Der Hochwald
Erzählung

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epub: 2009 © TUX
Autor
Adalbert Stifter wurde am 23.10.1805 in Oberplan (Böhmerwald) geboren. Er kam als Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers aus einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb der Vater, und er wurde von da ab von den Großeltern erzogen. Er besuchte von 1818 bis 1826 das Gymnasium und studierte anschließend bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, machte aber keine Abschlußprüfung.
Stifter wollte gern Landschaftsmaler werden. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern. 1848 zog Stifter nach Linz und lebte dort die letzten Jahrzehnte seines Lebens. In seinen letzten Lebensjahren war er schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.
1. Waldburg
An der Mitternachtseite des Ländchens Oesterreich zieht ein Wald an die dreißig Meilen lang seinen Dämmerstreifen westwärts, beginnend an den Quellen des Flusses Thaia, und fortstrebend bis zu jenem Gränzknoten, wo das böhmische Land mit Oesterreich und Baiern zusammenstößt. Dort, wie oft die Nadeln bei Kristallbildungen, schoß ein Gewimmel mächtiger Joche und Rücken gegen einander, und schob einen derben Gebirgsstock empor, der nun den drei Landen weithin sein Waldesblau zeigt, und ihnen allerseits wogiges Hügelland und strömende Bäche absendet. Er beugt, wie Seinesgleichen öfter, den Lauf der Bergeslinie ab, und sie geht dann mitternachtwärts viele Tagreisen weiter.
Der Ort dieser Waldesschwenkung nun, vergleichbar einer abgeschiednen Meeresbucht, ist es, in dessen Revieren sich das begab, was wir uns vorgenommen zu erzählen. Vorerst wollen wir es kurz versuchen, die zwei Punkte jener düsterprächtigen Waldesbogen dem geneigten Leser vor die Augen zu führen, wo die Personen dieser Geschichte lebten und handelten, ehe wir ihn zu ihnen selber geleiten. Möchte es uns gelingen, nur zum tausendsten Theile jenes schwermüthig schöne Bild dieser Waldthale wieder zu geben, wie wir es selbst im Herzen tragen, seit der Zeit, als es uns gegönnt war, dort zu wandeln, und einen Theil jenes Doppeltraumes dort zu träumen, den der Himmel jedem Menschen einmal und gewöhnlich vereint gibt, den Traum der Jugend und den der ersten Liebe. Er ist es, der eines Tages aus den tausend Herzen eines hervorhebt, und es als unser Eigenthum für alle Zukunft als einzigstes und schönstes in unsere Seele prägt, und dazu die Fluren, wo es wandelte, als ewig schwebende Gärten in die dunkle warme Zauberfantasie hängt!
Wenn sich der Wanderer von der alten Stadt und dem Schlosse Krumau, dieser grauen Wittwe der verblichenen Rosenberger, westwärts wendet, so wird ihm zwischen unscheinbaren Hügeln bald hier bald da ein Stück Dämmerblau hereinscheinen, Gruß und Zeichen von draußen ziehendem Gebirgslande, bis er endlich nach Ersteigung eines Kammes nicht wieder einen andern vor sich sieht, wie den ganzen Vormittag, sondern mit eins die ganze blaue Wand von Süd nach Norden streichend, einsam und traurig. Sie schneidet einfärbig mit breitem, lothrechtem Bande den Abendhimmel, und schließt ein Thal, aus dem ihn wieder die Wasser der Moldau anglänzen, die er in Krumau verließ; nur sind sie hier noch jugendlicher und näher ihrem Ursprunge. Im Thale, das weit und fruchtbar ist, sind Dörfer herumgestreuet, und mitten unter ihnen steht der kleine Flecken Oberplan. Die Wand ist obgenannter Waldesdamm, wie er eben nordwärts beugt, und daher unser vorzüglichstes Augenmerk. Der eigentliche Punkt aber ist ein See, den sie ungefähr im zweiten Drittel ihrer Höhe trägt.
Dichte Waldbestände der eintönigen Fichte und Föhre führen stundenlang vorerst aus dem Moldauthale empor, dann folgt, dem Seebache sacht entgegensteigend, offenes Land; - aber es ist eine wilde Lagerung zerrissener Gründe, aus nichts bestehend, als tief schwarzer Erde, dem dunklen Todtenbette tausendjähriger Vegetation, worauf viele einzelne Granitkugeln liegen, wie bleiche Schädel von ihrer Unterlage sich abhebend, da sie vom Regen bloßgelegt, gewaschen und rund gerieben sind. - Ferner liegt noch da und dort das weiße Gerippe eines gestürzten Baumes und angeschwemmte Klötze. Der Seebach führt braunes Eisenwasser, aber so klar, daß im Sonnenscheine der weiße Grundsand glitzert, wie lauter röthlich heraufflimmernde Goldkörner.
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