Vasquez kannte ihre Familien schon lange und er hatte sie der Regierung für den Posten hier in Vorschlag gebracht. Der erste war, wie er selbst, noch Junggeselle. Von den Dreien war nur Moriz, doch kinderlos, verheiratet, und seine Frau, die er nach drei Monaten wiedersehen sollte, diente inzwischen bei einer Zimmervermieterin im Hafen von Buenos-Ayres.

Nach Verlauf der drei Monate sollten sich Vasquez, Felipe und Moriz wieder auf der ›Santa-Fé‹ einschiffen, die dann drei andre Wärter nach der Stateninsel brachte, welche sie nach weitern drei Monaten wieder ablösen sollten.

Ihren Dienst würden sie dann für die Monate Juni, Juli und August, das heißt im tiefsten Winter, aufs neue auszuüben haben. Während sie nun in ihrer ersten Dienstperiode nicht besonders von Witterungsunbilden zu leiden gehabt haben würden, erwartete sie nach ihrer Rückkehr nach der Insel ein desto beschwerlicheres Leben, eine Aussicht, die trotzdem nicht geeignet war, ihnen eine Beunruhigung einzuflößen. Vasquez und seine Kameraden hatten sich dann ja schon ziemlich an das hiesige Klima gewöhnt und sie vertrugen voraussichtlich ungestraft die bitterste Kälte, die tollsten Stürme und überhaupt die schlimmste Unbill des antarktischen Winters.

Von diesem Tage, dem 10. Dezember an, begann nun der regelmäßig geordnete Wachdienst. Jede Nacht leuchteten die Lampen unter Obhut eines im Turmzimmer weilenden Wärters, während die beiden andern im Wohnhause der Ruhe pflegten. Am Tage wurden dann die verschiednen Apparate besichtigt, gesäubert, die Lampen wenn nötig mit neuen Dochten versehen und in den Stand gebracht, von Sonnenuntergang an ihre mächtigen Strahlen zu entsenden.

Von Zeit zu Zeit begaben sich, je nachdem der regelmäßige Dienst es zuließ, Vasquez und seine Kameraden längs der Elgorbucht bis ans Meer hinaus, entweder zu Fuß auf dem einen oder dem andern Ufer oder in dem den Wärtern zur Benützung überlassenen Boote, einer halbgedeckten Schaluppe mit einem Maste und einem Klüverbaume, die in einem kleinen Einschnitte lag, wo sie nichts zu fürchten hatte, da sie gegen die hier einzig gefährlichen Ostwinde durch hohe, steile Uferwände geschützt war.

Wenn Vasquez, Felipe und Moriz einen solchen Ausflug unternahmen, blieb selbstverständlich allemal einer von ihnen auf der obern Galerie des Leuchtturmes als Wachtposten zurück. Es war ja jederzeit möglich, daß ein Schiff in Sicht der Insel vorüberkam und seine Nummer im allgemeinen Schiffsregister angeben wollte, und schon deshalb war es notwendig, daß einer der Wärter stets Umschau hielt. Vom Hofe aus übersah man das Meer nur nach Osten und Nordosten. Nach den andern Seiten hemmten höhere Uferwände den Blick schon einige hundert Toisen jenseits der Einfriedigung; daher die Notwendigkeit, fortwährend auf der Turmgalerie oder in dem Zimmer unter der Laterne bei der Hand zu sein, um sich mit den Schiffen draußen in Verbindung setzen und verständigen zu können.

In den ersten Tagen nach der Abfahrt des Avisos ereignete sich nichts Bemerkenswertes. Das Wetter blieb schön und die Luftwärme verhältnismäßig hoch. Das Thermometer zeigte zuweilen zehn Grad Celsius. Der Wind wehte vom Meere her, zwischen Auf-und Untergang der Sonne meist als leichte Brise, schlug gegen Abend aber zum Landwind, d. h. zu einem Nordwest um, der von der weiten Ebene Patagoniens und des Feuerlandes herkam. Dann und wann gab es auch einige Stunden Regen, und da die Wärme weiter zunahm, waren für die nächste Zeit Gewitter und damit ein Umschlag der atmosphärischen Verhältnisse zu erwarten.

Unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen, die sich auch hier lebenerweckend erwiesen, begann die Pflanzenwelt in bescheidnem Maße aufzublühen. Von ihrem weißen Wintermantel vollständig befreit, bedeckte sich die Prärie rings um die Einfriedigung mit blassem Grün. Ja in dem Gehölz antarktischer Buchen hätte man gemächlich unter dem jungen Laubdache ruhen können. Der reichlich genährte Bach floß, bis zum Uferrande gefüllt, laut plätschernd in die Bucht. Moose und Flechten keimten am Fuße der Bäume auf und tapezierten die Wände der Felsen im Verein mit dem bei skorbutischen Erkrankungen so heilsamen Löffelkraut. Kurz, wenn es jetzt hier nicht Frühling war – dieses hübsche Wort hat im Magellanslande kein Bürgerrecht – so war es wenigstens Sommer, der noch für einige Wochen am äußersten Ende des amerikanischen Festlandes herrschte.

Am Nachmittage und noch vor dem Zeitpunkte, wo das Licht des Turmes angezündet werden mußte, saßen Vasquez, Felipe und Moriz beieinander auf dem kleinen Balkon, der die Laterne ringförmig umschloß. Sie »spannen ein Garn«, wie sie es gewöhnt waren, und natürlich trug der Oberwärter meist die Kosten der Unterhaltung.

»Na, Kameraden, begann er, nachdem er seine Pfeife sorgsam gestopft hatte – welchem Beispiele die beiden andern getreulich folgten – na, sagt einmal, dieses neue Leben… findet ihr euch schon einigermaßen damit ab?

– Ei gewiß, Vasquez, antwortete Felipe. In der kurzen Zeit bis jetzt kann man sich ja nicht schon gelangweilt oder ermüdet fühlen.

– Natürlich nicht, stimmte Moriz ein, unsre drei Monate werden wohl schneller verstreichen, als ich es je geglaubt hätte.

 

Vasquez, Felipe und Moriz saßen beieinander auf dem kleinen Balkon. (S. 32.)

Vasquez, Felipe und Moriz saßen beieinander auf dem kleinen Balkon. (S. 32.)

 

– Ja, Kamerad, sie werden dahingehen wie eine Korvette, die bei gutem Winde alle Leinwand aufgesteckt hat.

– Da du von einem Schiffe sprichst, fuhr Felipe fort… heute haben wir kein einziges gesehen, nicht einmal draußen am Horizonte.

– Das wird noch kommen, Felipe, wird schon noch kommen, antwortete Vasquez, der dabei seine zusammengebogene Hand gleich einem Fernrohre vor die Augen hielt. Es lohnte sich doch wahrlich nicht der Mühe, auf der Stateninsel einen so schönen Leuchtturm erbaut zu haben, einen Turm, der seine Strahlen zehn Seemeilen weit hinaussendet, wenn kein Schiff davon Vorteil haben sollte.

– Übrigens ist unser Leuchtturm noch ganz neu, bemerkte Moriz.

– Freilich, freilich, alter Junge, erwiderte Vasquez, es wird noch einige Zeit vergehen, bis alle Kapitäne erfahren haben, daß diese Küstenstrecke jetzt ein Licht hat. Wissen sie das einmal, dann werden sie schon näher an dieser vorbeifahren, um in die Meerenge einzulaufen, da sie damit ja an Weg sparen und manche Gefahren vermeiden.