Das war die Folge der Ueberraschung, einer so vollständigen, erstarrenden Ueberraschung, wie ich bisher noch keine beobachtet hatte.
Selbst jetzt, als wir den vollsten Erfolg vor uns hatten, blieben die Asaker still. Sie blickten alle zu mir her, um zu erfahren, was nun zu geschehen habe.
»Bindet schnell alle,« rief ich ihnen zu, »mit Riemen, Schnüren oder Fetzen, die ihr ihnen von den Kleidern reißt! Das Schweigen ist zu Ende; ihr dürft reden.«
Reden? Wie kann man in einer solchen Situation einem afrikanischen Askari gegenüber von »Reden« sprechen! Hätte ich gesagt: »ihr dürft heulen«, so wäre der Erfolg noch lange nicht dem nahe gekommen, was ich jetzt zu hören bekam. Die zwanzig Stimmen brachen in ein geradezu übermenschliches Gebrüll aus; es war, als ob hundert Teufel jauchzten. Dabei versäumten sie aber nicht, meinen Befehl schnellstens auszuführen.
Ich wendete mich natürlich zunächst zu dem Fakir und seinem Kundschafter. Sie hatten die Lippen offen und röchelten; ich band ihnen die Hände hinten und auch die Füße zusammen. Material zum Fesseln war genug vorhanden; jeder Beduine trägt während eines Rittes Schnüre bei sich, da er deren sehr oft braucht. Außerdem ist jedes Kaffije (* Kopftuch.) und jede Kapuze mit einem Ukal, einer Schnur versehen, mit welcher die Kopfbedeckung befestigt wird, und so ein Ukal ist ein zum Fesseln höchst praktischer Gegenstand.
Es gab welche, die nur halb betäubt waren; sie waren an ihren Bewegungen zu erkennen und wurden natürlich zuerst gefesselt. In fünf oder höchstens zehn Minuten waren wir fertig und konnten nun daran gehen, zu untersuchen, ob einer oder der andere erschlagen worden sei. Leider waren die Asaker nicht so glimpflich wie ich verfahren; sie hatten mit der Schärfe des Kolbens zugeschlagen, und so gab es mehrere zerschmetterte Schädel. Es ergab sich zu meinem Leidwesen, daß acht Personen tot waren. Drei von ihnen hatte unser Führer auf dem Gewissen, denn er sagte zu mir, indem er das Blut von dem Kolben seiner Flinte wischte:
»Effendi, mein Visionsgewehr hat seine Schuldigkeit gethan, denn von den vieren, welche ich traf, wird nur ein einziger sich erheben.«
»War das deine Absicht?«
»Ja. Ich wollte auch den vierten töten.«
»Das hatte ich doch verboten!«
»Darf ich mir verbieten lassen, mich zu rächen? Oder habe ich dir versprochen, deinem Verbote zu gehorchen? Ich sah unsere Ermordeten im Sande des Bir es Serir liegen und habe jetzt eine Vergeltung geübt, welche nichts ist gegen das, was dort geschah. Du hast kein Recht, mir das meinige zu nehmen!«
Ich zog es vor, ihm nicht zu antworten, und kehrte zu dem Fakir zurück, welcher, wie ich sah, die Augen geöffnet hatte und nun den entsetzten Blick auf seine Umgebung richtete. Auch der Dschelabi war erwacht und schaute ebenso erschrocken wie der andere umher. Während die Asaker die Gefangenen und die Kamele nach Beute untersuchten, was ich ihnen nicht verwehren konnte, setzte ich mich neben dem Fakir nieder. Er schloß die Augen, ob aus Schwäche, vor Wut oder Scham, das war mir gleichgültig.
»Sallam, ia Weli el kebir el maschhur - sei gegrüßt, du großer, berühmter Heiliger!« sagte ich. »Ich freue mich, dich hier zu sehen, und hoffe, daß auch du dich glücklich fühlst, mein Angesicht zu schauen.«
»Sei verflucht!« knirschte er halblaut und ohne die Augen zu öffnen.
»Du hast dich versprochen. "Sei gesegnet!" wolltest du sagen, denn ich weiß, wie groß deine Sehnsucht nach mir war. Du sandtest doch sogar Boten aus, welche meinen Aufenthalt erforschen sollten. Leider aber sollte deine Sehnsucht eine mir verderbliche sein, denn du wolltest meine Asaker erschießen und mir die Zunge und die Hände abschneiden lassen, um mich dann an den grausamsten Negerfürsten zu verkaufen.«
»Er ist allwissend!« entfuhr es ihm, indem er die Augen öffnete und diesen Ausruf gegen seinen Gefährten richtete. Der Blick des letzteren ruhte groß, offen und mit dem Ausdrucke tödlichen Hasses auf mir. Ich nickte ihm freundlich zu und sagte:
»Du hattest vollkommen recht, als du mir sagtest, daß ich dich bald wiedersehen und dich dann kennen lernen würde. Wir sind, obgleich du nach EI Fascher wolltest, schon nach so kurzer Zeit wieder bei einander. Ich bin ganz entzückt darüber, denn es ist der Beweis, daß ich dich ganz richtig beurteilt habe. Du bist es, der den Gedanken, mir die Zunge und die Hände zu nehmen, erfunden hat, und du täuschest dich nicht, wenn du die frohe Ueberzeugung hegst, daß ich dir meinen Dank für diese Erfindung nicht vorenthalten werde.«
»Ich verstehe dich nicht!« antwortete er. »Warum bin ich gebunden? Warum habt ihr uns überfallen? Was könnt ihr uns beweisen? Ich verlange, losgebunden zu werden.«
»Diesen Wunsch wird man dir auf das bereitwilligste erfüllen, und zwar in dem Augenblicke, in welchem man dich dem Henker übergiebt.«
Er machte eine hastige Bewegung des Widerspruches und öffnete die Lippen zu einer Entgegnung; ich ließ es aber nicht zu derselben kommen, indem ich schnell fortfuhr.
»Ereifere dich nicht, und gieb dir keine Mühe! Du bist viel zu dumm, mich zu täuschen. Ein Mensch wie du sollte daheim bleiben und ja nichts anderes thun als seine eigene Albernheit beweinen. Du warst, als du heute zu uns kamst, noch nicht vom Kamele gestiegen, so wußte ich schon, weß Geistes Kind du bist. Kennst du die Fabel von der Bakkal (* Wanze.), welche den Bu husain (* Fuchs.) überlisten wollte?«
»Was geht mich diese Fabel an, welche jedem Kinde bekannt ist!« fuhr er mich an.
»Sehr viel, denn du gleichst dieser Bakka, indem du auf den geradezu verrückten Gedanken gekommen bist, mich übertölpeln zu wollen. Das würde selbst einem tausendmal klügern Menschen nicht gelungen sein.
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