»Ein Ungeheuer bist du, tausendmal schlimmer als der Löwe, welchen wir erlegt haben! Und wie kann Allah deinen Tod an mir rächen, da du gesagt hast, daß du nur mit seiner Erlaubnis sterben würdest? Wenn ich dich jetzt ersteche, so geschieht es mit seinem Willen und auf seinen Befehl. Also fahre hinab in die Hölle, wo alle Millionen Teufel dich mit Freude erwarten!«

Er stach ihm die Spitze des Messers langsam, langsam - nur durch die Haut, wie ich sah. Der Alte wälzte sich auf die Seite und heulte, nun seine ganze bisher verhaltene Todesangst zeigend:

»Nein, nein! Ich mag nicht sterben; ich will und kann nicht sterben. Verschone mich, verschone mich!«

»Schau, alter Feigling, wie du dich verstellen konntest! Jetzt bricht das Entsetzen über dich herein,« sagte Ben Nil.

»Gnade, Gnade! Laß mich leben!«

»Vielleicht schenke ich dir das Leben. Nenne mir aber die Gefahr, welche dem Reïs Effendina droht!«

»Ich sage es dir - ich sage es!«

»Dann schnell, heraus damit, sonst stoße ich zu!«

»Er wird in Chartum vergiftet.«

»Von wem?«

»Von - von - - von dem Muza'bir.«

»Von dem Gaukler also, der unserm Effendi wiederholt nach dem Leben trachtete? Wie will er die That ausführen?«

»Er hat einen Askeri, welcher bei den Leuten des Reïs Effendina Farran (* Bäcker.) ist, bestochen. Er giebt ihm Gift, welches der Farran in den Teig thut, wenn er für den Reïs Effendina Kisrah (* Brötchen aus Negerhirsenmehl.) bäckt.«

»Willst du schwören, daß du damit die Wahrheit sagst?«

»Bei Allah, beim Propheten und bei dem Leben und Lehren aller Kalifen.«

»Sieh, wie schnell ich erfahren habe, was du uns nicht sagen wolltest! Nun werden wir sofort einen Eilboten absenden, um den Kommandanten zu warnen. Die Todesangst hat dir den verschlossenen Mund geöffnet. Aber ich will dir nun zu deinem Aerger sagen, daß du mir dieses Geständnis eigentlich gar nicht zu machen brauchtest, da es mir nicht einfällt, meine Ehre zu beschmutzen, indem ich einen alten, gefesselten Mann, der noch dazu ein solcher Feigling ist, ersteche. Ja, ich will Rache nehmen, aber den Gegner nicht abschlachten. Allah soll entscheiden zwischen mir und dir. Ich will kämpfen, doch nicht mit dir, denn ich bin jung und kräftig. Suche einen deiner Männer aus. Ich werde ihn losbinden und ihm ein Messer geben. Auch ich bewaffne mich mit dem Messer, dann kämpfen wir auf Leben und Tod. Besiegt er mich, so bist du gerettet; stoße aber ich ihn nieder, so sterbt ihr beide, denn er kämpft für dich und du hast sein Schicksal auch zu erleiden. Effendi, ich hoffe, daß du mir deine Erlaubnis nicht versagst.«

Das war brav, sehr brav von dem wackern Kerl! Aber der Ausgang des Duells! Ben Nil war mutig und für seine Jahre auch ungewöhnlich stark und gewandt; aber ob ich ihm den Sieg zutrauen dürfe, das wußte ich nicht. Es verstand sich von selbst, daß der Alte den besten Krieger auswählen werde. Aber durfte ich mich weigern, meine Zustimmung zu erteilen? Nein. Ben Nil konnte thun, was ihm beliebte. Ich machte ihm zwar eine halblaute Vorstellung, doch antwortete er:

»Sorge dich nicht um mich, Effendi! Ich weiß, was ich thue. Du hast mich noch nicht in einem solchen Kampfe gesehen und magst also für mich fürchten; ich sage dir aber, daß ich nicht eine Spur von Angst empfinde.« »Man wird dir den kräftigsten Mann gegenüberstellen. Bedenke das!«

»Das ist mir lieber, als wenn ich mich mit einem Schwächlinge messen soll. Also, stimmst du bei?«

, »Ja, halte dich wacker; sei nicht voreilig, und blicke ja nicht auf das Messer, sondern in das Auge deines Gegners. Suche dich auch so zu stellen, daß das Licht ihn vorn, dich aber hinten trifft!«

Was ich nicht erwartet hatte, der Alte wählte den angeblichen Dschelabi. Es gab unter den Gefangenen welche, die länger und stärker gebaut waren als er; vielleicht besaß er eine größere Gewandtheit und Erfahrung im Einzelkampf. Vielleicht auch hatten sie irgend eine Hinterlist verabredet. Sie lagen nebeneinander, und es war mir nicht entgangen, daß sie heimlich miteinander gesprochen hatten. Ich nahm mir vor, mich auf alle Fälle bereit zu halten.

Als dem Dschelabi die Fesseln abgenommen worden waren, bekam er ein Messer in die Hand. Er reckte und dehnte sich und rieb sich die Beine, um sie, die gebunden gewesen waren, wieder geschmeidig zu machen.

»Wir entkleiden uns und kämpfen nur in der Hose und mit nacktem Oberkörper,« sagte ihm Ben Nil.

»Warum? Bleiben wir doch, wie wir sind!«

»Nein; wie ich sagte, so wird es gemacht.«

Der Dschelabi widersprach noch einigemal, mußte sich aber fügen. Warum wollte er sich des Obergewandes nicht entledigen? Ohne dasselbe war doch leichter zu kämpfen.