Ich habe es genau beobachtet. Ich darf nie auf das Ziel halten, sondern je nach der Entfernung mehr nach rechts oder links oder höher oder tiefer.«

»Die Flinte "schraubt" also, und es giebt, meines Wissens, kein anderes Mittel dagegen, als daß du einen neuen, bessern Lauf machen lässest.«

»Wie kannst du mir das zumuten! Dadurch würde das kostbare Gewehr vollständig verschimpfiert. All ah bewahre mich vor einer solchen Missethat! Die Flinte muß bleiben, wie sie ist.«

»So ist es überflüssig, mir ihre andern Eigenschaften auch noch aufzuzählen. Meiner Ansicht nach ist dasjenige Gewehr das beste, welches seinen Zweck am vollständigsten erfüllt.«

»Das thut es ja! Mein Visionsgewehr beweist, daß mein Urahne den Propheten gesehen hat, und das ist vollständig genug.«

»Wie es schießt, ist also Nebensache?«

»Ja.«

»Der Zweck des Schießens ist aber doch das Treffen!«

»Du bist kein Moslem und kannst dich also nicht mit der nötigen Ehrfurcht in diese Flinte hineindenken.«

»Nein, das kann ich nicht. Aber falls du in meiner Gegenwart einmal schießen solltest, so bitte ich dich, mein Leben zu schonen. Thue mir dann den Gefallen, auf mich zu zielen, da du mich dann sicherlich nicht treffen wirst!«

»Spottest du etwa, Effendi! Ich sage dir, daß -«

Er unterbrach sich, sprang auf und blickte, indem er mit der Hand die Augen beschattete, gegen Osten.

»Was ist's?« fragte ich ihn. »Siehst du etwas?«

, »Ja, ich bemerke einen Punkt über dem Grase, welcher vorher nicht vorhanden war. Es muß ein Reiter sein.«

Nun stand ich auf, öffnete mein Fernrohr und gewahrte, durch dasselbe sehend, einen Mann, welcher auf einem Kamele saß und gerade auf den Brunnen zu geritten kam. Als er sich uns so weit genähert hatte, daß er uns sah, hielt er an, um uns zu betrachten; dann kam er herbei, blieb auf dem Kamele vor mir halten und grüßte:

»Sallam aaleikum! Wirst du mir erlauben, Herr, mein Kamel aus diesem Bir atschahn zu tränken und auch meinen eigenen Durst zu stillen?«

»Aaleikum sallam! Der Brunnen ist für jedermann da, und ich kann dich nicht hindern, zu thun, was dir beliebt.«

Ich gab, ohne ihn willkommen zu heißen, diese kühle Antwort, weil er keinen sympathischen Eindruck auf mich machte. Er war wie ein gewöhnlicher Beduine gekleidet und mit Flinte, Messer und Pistole bewaffnet. Sein Gesicht hatte keineswegs abstoßende Züge, aber der scharfe, forschende, ja stechende Blick, mit dem er uns musterte, gefiel mir nicht. Auch mußte es mir, der ich gewohnt war, auf alles, selbst auf die geringste Kleinigkeit zu achten, auffallen, daß er sich mit seiner Frage an mich wendete. Die Asaker trugen die Uniform des Vicekönigs; ich aber war, wie auch der Führer, in Civil gekleidet. Es wäre also den Umständen nach für ihn geboten gewesen, sich an die Soldaten zu wenden. Dieser Umstand und sein suchender Blick erfüllten mich mit einem leisen Mißtrauen, welches auch späterhin nicht weichen wollte, sondern sich vielmehr vergrößerte.

Er stieg ab und führte sein Kamel zur Seite, damit es grasen möge, nachdem. er ihm den Sattel abgenommen hatte. Dann schöpfte er sich Wasser, trank, setzte sich mir gegenüber und zog einen Tschibuk und einen Tabaksbeutel unter dem Haïk hervor. Nachdem er den ersteren gestopft und den Tabak angezündet hatte, reichte er mir den letzteren zu und sagte:

»Nimm, Herr, und stopfe dir auch! Es ist die Pfeife des Grußes, welche ich dir biete.«

»Deine Güte sei bedankt, ohne daß ich ihr entspreche,« antwortete ich ablehnend.

»So rauchst du nicht? Gehörst du zu einer der strenggläubigen Sekten, deren Anhängern der Tabak verboten ist?«

Sein Ton war derjenige eines Mannes, welcher zwar fragt, aber schon im voraus weiß, welche Antwort man ihm geben wird. Das fiel mir auf, und darum meinte ich fast noch zurückhaltender als vorher:

»Ich rauche auch; aber nicht an dir, sondern an mir war es, den Gruß zu bieten. Der vorher Anwesende hat den später Kommenden zu empfangen; das ist überall die Regel, und hier in der Chala (* Gelände, grünende Steppe.) wohl erst recht.«

»Ich weiß es und bitte dich um Verzeihung. Ich besitze den Fehler, das Herz auf der Zunge zu haben. Du gefielst mir gleich beim ersten Blicke, und es trieb mich, dir dies durch das Angebot des Tabakes zu zeigen. Darf ich fragen, woher du mit diesen Asakern kommst?«

»Darf ich vorher fragen, woher du weißt, daß ich zu ihnen gehöre?«

»Ich vermute es.«

»Dein Scharfblick ist bewundernswert; ich an deiner Stelle würde es nicht vermutet haben.«

»So bist du wohl fremd in der Chala, während ich sie öfters durchreite.«

»Nicht nur ich bin hier fremd, sondern auch die Asaker sind noch niemals hier gewesen. Um so anerkennenswerter ist es, daß deine Vermutung gleich das Richtige traf. Du hast mich zwar vorher gefragt, aber da ich mich vor dir hier befand, wird es dir also recht und billig erscheinen, wenn ich, bevor ich dir antworte, gern wissen möchte, wo du deine Reise angetreten hast.«

»Ich habe keinen Grund, es zu verschweigen. In der Chala oder gar in der Wüste muß jeder wissen, wer der andere ist und was derselbe treibt. Ich komme aus EI Feky Ibrahim am Bahr el Abiad.«

»Wo liegt das Ziel deiner Reise?«

»Ich will nach El Fascher hinüber.«

»Zwischen den Orten, welche du nennst, giebt es eine viel benutzte Karawanenstraße, welche über EI Awid und Fodscha geht. Warum benützest du sie nicht? Warum bist du so weit nördlich abgewichen?«

»Weil ich ein Händler bin und also die Bedürfnisse der Gegend kennen lernen muß. Ich will in EI Fascher Waren ein- und sie auf dem Rückwege wieder verkaufen; darum reite ich hier von Brunnen zu Brunnen, um von den da lagernden Leuten zu erfahren, was sie brauchen.«

»Du scheinst ein Anfänger im Handel zu sein.«

»Wieso, Herr?«

»Ein erfahrener Händler würde nicht leer nach El Fascher gehen, sondern sich in Chartum mit Einfuhrwaren versehen haben, um dieselben auf dem Hinwege zu verkaufen und dabei ein Geschäft zu machen. Du aber willst nur auf dem Rückwege handeln und hast also auf die Hälfte des Gewinnes einer solchen Reise verzichtet.