Sie werden in einer Linie, welche die unserige gerade durchschneidet, Posten aufstellen. Und wenn ein solcher Posten uns kommen sieht, wird man schnell die andern zusammenholen und uns auf unserm Wege einen Hinterhalt legen. Zu diesen Posten hat der Dschelabi gehört. Man lauert uns auf; die Linie, welche quer über unsern Weg gebildet worden ist, befindet sich nicht weit von hier; der Dschelabi wird umkehren und dieselbe alarmieren; die Gegner erwarten uns an einem Orte, auf welchen unsere gerade Richtung stoßen muß; reiten wir geradeaus, so werden wir unbedingt auf sie treffen. Da wir wohl die Richtung, aber nicht die genaue Entfernung ihres Hinterhaltes von hier kennen, so müssen wir jeden Augenblick gewärtig sein, von ihnen angegriffen zu werden. Das hätte auf offener Fläche keine Gefahr für uns, denn wir würden die Annäherung der Feinde bemerken. Darum werden sie sich eine Stelle, vielleicht ein Gebüsch, einen Wald, eine Felsengegend suchen, wo wir ihnen, ohne sie vorher zu bemerken, in die Hände laufen. Nun fragt es sich, ob es im Laufe des heutigen Tagesrittes und in unserer Richtung einen solchen Ort giebt. Das mußt du als Führer wissen.«
»Ich kenne die Strecke ganz genau. Jetzt ist es Mittag. Wenn wir sofort aufbrechen, werden wir anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang einen Cassiawald erreichen.«
»So gebe ich dir mein Wort, daß die Leute in dem Cassiawalde stecken werden.«
Er blickte mich erstaunt an, schüttelte den Kopf und meinte:
»Das behauptest du so gewiß!«
»Allerdings, und du wirst erfahren, daß ich mich nicht irre. Wir werden erst der Spur des falschen Dschelabi folgen, bis wir die Linie der Kundschafter oder Posten erreichen, und dann - -«
»Wie willst du erkennen, daß wir uns bei derselben befinden?« unterbrach er mich.
»Das werde ich dir zeigen. Dann aber schlagen wir ganz gegen ihre Erwartung einen Bogen und kommen aus einer ganz anderen Richtung an den Wald, um ihnen, während sie westlich nach uns ausschauen, von Osten her in den Rücken zu fallen. Vorher aber muß ich wenigstens oberflächlich orientiert sein. Wie groß ist dieser Cassiawald?«
»Er ist ebenso breit wie tief. Man hat über eine Stunde zu reiten, um hindurch zu kommen.«
»Sind die Bäume hoch?«
»Mitunter sehr hoch.«
»Giebt es Unterholz?«
»Stellenweise viel. Es liegt ein Brunnen da, welcher viel Wasser spendet und zahlreiche Sträucher und Schlingpflanzen nährt.«
»Kann man mit den Kamelen durch?«
»Ja, wenn man die offenen und lichten Stellen des Waldes aufsucht.«
»So weiß ich einstweilen genug, und wir wollen aufbrechen.«
»Wollen wir nicht erst nach Westen reiten und dem Dschelabi folgen, um zu erfahren, ob er wirklich sich rückwärts wendet?«
»Das ist überflüssig; ich bin überzeugt, daß er es thut, und wir werden bald auf seine Fährte treffen.«
Er war, da er schnell ritt, unsern Augen längst entschwunden. Wir sattelten, stiegen auf und ritten östlich davon, ich mit dem Führer neben mir voran und die Asaker in der bekannten, bei Karawanen gebräuchlichen Einzelreihe hinterdrein. Diese letzteren hatten in unserer Nähe gesessen und alles gehört. Sie waren neugierig, ob meine Voraussetzungen sich bewähren würden, und brannten, falls dies der Fall sein sollte, darauf, ihren guten Flinten Arbeit zu geben.
Wir verließen den Brunnen auf der Fährte, welche der Dschelabi bei seinem Kommen gemacht hatte. Schon nach einer halben Stunde sahen wir eine andere Fährte von rechts herüberkommen und sich mit der ersten vereinigen. Ich stieg ab, um sie zu untersuchen. Der Führer gesellte sich mir aus Wißbegierde zu. Ich hatte sie in gebückter Haltung betrachtet; als ich mich aufrichtete, erklärte ich:
»Es war der Dschelabi, ganz so, wie ich vermutet habe.«
»Wie kannst du das behaupten, Effendi? Es kann doch auch ein anderer sein.«
»Nein, er ist es. Sieh auf der ersten Fährte das Gras! Es sind einzelne Halme ausgerauft. Bei der zweiten Spur kannst du genau dasselbe beobachten.«
»Das ist richtig, aber - -«
»Es giebt kein aber dabei. Das Kamel des Dschelabi hat empfindliche Ballen, und "rupft". Die zweite Fährte zeigt deutlichere und nach hinten ausgeschleuderte Eindrücke. Daraus ist zu schließen, daß er jetzt viel schneller reitet, als er vorher geritten ist; er ist umgekehrt und hat Eile.«
Der Führer schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Wir stiegen wieder auf und ritten weiter, der jetzt doppelten Fährte nach.
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