Die Gesichter, welche wir zu sehen bekamen, waren wirklich zum Malen. Es stand auf allen der intensivste Grimm geschrieben, obwohl Jeder und Jede sich zu beherrschen suchte. Der Wirt wollte mit Vorwürfen und Verteidigungen beginnen; ich schnitt ihm aber die Rede durch die Worte ab:

»Wir haben nur mit dir zu verhandeln; komm in die hintere Stube. Die Andern mögen sich an ihr Tagewerk begeben.«

Diese Andern waren im nächsten Augenblick verschwunden. Als wir dann in der Stube saßen, stand der Konakdschi mit einem Armensündergesicht vor uns.

»Du hast während der ganzen Nacht Zeit gehabt, nachzudenken, ob du uns ein offenes Geständnis ablegen willst,« begann ich. »Wir erwarten deine Antwort.«

»Herr,« meinte er, »ich habe gar nicht nötig gehabt, nachzudenken. Ich kann doch nichts weiter sagen, als daß ich unschuldig bin.«

Nun erging er sich in den einzelnen Vorfällen der verflossenen Nacht und wußte denselben die beste Seite für sich abzugewinnen. Er hatte während der Nacht seine Verteidigung reiflich überlegt und führte sie nun mit Geschick durch. Um ihn zu täuschen, sagte ich endlich:

»Wie mir jetzt scheint, haben wir dich allerdings ohne Grund im Verdacht gehabt und ich bin erbötig, dir jede angemessene Genugtuung zu geben.«

»Herr, ich verlange nichts. Es genügt mir, zu hören, daß du mich für einen ehrlichen Mann hältst. Du bist hier fremd im Lande und kennst die Verhältnisse desselben nicht. Da ist es kein Wunder, wenn du einen solchen Fehler begehst. Auch deine Leute sind nicht von hier, wie es scheint. Da wäre es sehr geraten, dir für deine Weiterreise einen Mann zu nehmen, wenigstens von Zeit zu Zeit, auf welchen du dich in solchen Lagen vollständig verlassen könntest.«

Aha! Jetzt war er bei dem beabsichtigten Thema angekommen. Ich ging auf dasselbe ein, indem ich antwortete:

»Du hast recht. Ein zuverlässiger Führer ist viel wert. Aber eben weil ich ein Fremder bin, ist es nicht geraten, mir einen solchen zu nehmen.«

»Warum?«

»Weil ich die Leute nicht kenne. Wie leicht könnte ich einen Menschen anwerben, der mein Vertrauen nicht verdient!«

»Das ist freilich wahr.«

»Wüßtest du einen zuverlässigen Führer für mich?«

»Vielleicht. Ich müßte natürlich erfahren, wohin ihr wollt.«

»Nach Kakandelen.«

Das war nicht wahr, aber ich hatte meine Absicht, so zu sagen. Er machte auch sogleich ein enttäuschtes Gesicht und sagte rasch:

»Das hätte ich nicht erwartet, Herr.«

»Warum nicht?«

»Weil ich gestern hörte, daß ihr nach einer ganz andern Richtung reiten wolltet.«

»Welche wäre das?«

»Hinter den fünf Reitern her.«

»Ah so! Aber wer hat es dir gesagt?«

»Sie haben es erwähnt, als sie von euch sprachen. Sie sagten, ihr hättet sie schon seit langer Zeit verfolgt.«

»Das gebe ich zu; aber es ist nicht meine Absicht, es länger zu tun.«

»So mußt du einen sehr triftigen Grund haben, Herr, dich so plötzlich anders zu entschließen?« fragte er in vertraulichstem Ton.

»Ich bin es müde geworden,« erwiderte ich, »hinter Leuten herzulaufen, welche mir doch immer wieder entgehen. Man kommt dabei in Unannehmlichkeiten und begeht Fehler, die man nicht verantworten kann. Das hast du ja wohl selbst erfahren.«

»O, von gestern wollen wir ja gar nicht mehr sprechen. Was geschehen ist, das ist vergessen und vergeben. Diese fünf Männer müssen dich doch tief beleidigt haben?«

»Außerordentlich.«

»Nun, da du ihnen schon so lange gefolgt bist, so wäre es Torheit, wenn du jetzt von ihnen ablassen wolltest, eben jetzt, wo es gewiß ist, daß du dich ihrer bemächtigen könntest, wenn du nur ernstlich wolltest.«

»Woher weißt du das?«

»Ich schließe es aus dem, was ich von ihnen erlauschte. Du weißt doch wohl, wohin sie reiten wollen?«

»Woher sollte ich das wissen? Eben diese Unkenntnis ist ein Grund, auf die weitere Verfolgung zu verzichten. Sie sind mir gestern abermals entkommen, ich weiß nicht, wohin. Nun muß ich suchen, forschen und mich erkundigen, und bevor ich etwas Gewisses erfahre, sind sie längst über alle Berge. Da kehre ich lieber wieder um.«

Jetzt nahm er eine geheimnisvolle Miene an und sagte:

»Du wirst jetzt erfahren, daß ich nicht rachsüchtig bin, Effendi. Ich werde dir einen großen Dienst erweisen, indem ich dir sage, wo du diese Leute treffen kannst.«

»Ah, du weißt es! Wohin sind sie denn geritten?«

»Von hier nach Glogovik.