Es gab Weideland, und dann hörten wir Hunde bellen.
»Das sind die Samsunlar (* Schäferhunde.) meines Verwandten,« erklärte Israd. »Grad vor uns liegt der Konak am Fluß und links das Haus meines Schwähers. Wir wollen aber einen Bogen schlagen. Es könnte ein Knecht des Konakdschi im Freien sein und uns bemerken.«
Wir wichen nach links ab, bis wir den Fluß erreichten, und ritten nun am Ufer hin bis an das Wohnhaus des Schäfers.
Das war ein langes, niedriges, nur aus dem Erdgeschoß bestehendes Gebäude. Einige Fensterläden standen offen, und aus ihnen schimmerte Licht. Die Hunde fuhren mit wütendem Gebell auf uns los, beruhigten sich aber sogleich, als sie die Stimme Israds erkannten. Ein Mann steckte den Kopf durch das Fenster und fragte:
»Wer ist da?«
»Ein guter Bekannter.«
»Israd ist's! Frau, der Schwäher ist da!«
Der Kopf verschwand; gleich darauf wurde die Türe geöffnet, und die Alten eilten herbei, um Israd zu begrüßen. Auch der ältere Sohn kam, um ihn zu umarmen. Dann sagte der Schäfer:
»Du bringst uns Leute mit. Werden sie bei uns bleiben?«
»Ja; aber sprich nicht so laut. Der Konakdschi darf nicht merken, daß diese Männer hier sind. Sorge vor allen Dingen dafür, daß unsere Pferde in den Stall kommen.«
Es war nur ein niederer Schafstall vorhanden, in welchem ich mit dem Kopf an die Decke stieß. Mein Rappe weigerte sich, hinein zu gehen. Der Geruch der Schafe war seiner edlen Nase zuwider, und nur durch Streicheln und Zureden gelang es mir, ihn folgsam zu machen. Dann begaben wir uns in die Stube oder vielmehr in das, was man eben heute Stube nannte, denn der einzige große Raum, welchen das Wohnhaus bildete, wurde nur durch die schon oft erwähnten Weidengeflechte in verschiedene Abteilungen geschieden. Man konnte eine jede derselben durch Verschiebung dieser Scheidewände beliebig vergrößern oder verengern.
Es waren nur Vater, Mutter und Sohn zu Hause. Die Knechte befanden sich bei den Schafhürden, und Mägde gab es nicht.
Israd nannte unsere Namen und erzählte zunächst, daß wir seine Schwester gerettet hatten. Das hatte zur Folge, daß wir eine außerordentlich herzliche Aufnahme fanden. Der Sohn begab sich in den Stall, um unsern Pferden gutes Wasser und das beste Futter zu geben, und die Eltern trugen herbei, was im Hause vorhanden war, damit wir ein festliches Mahl halten könnten.
Natürlich bewegte sich das Gespräch zunächst um das, was sie am meisten interessierte, die Rettung ihrer Schwiegertochter. Dann kamen wir auf den Zweck unserer Reise zu reden, und ich erfuhr, daß die Gesuchten in dem Konak angekommen waren.
Nun erzählte ich in kurzen Umrissen, warum wir denselben folgten, und erregte dadurch ein nicht geringes Erstaunen.
»Sollte man es glauben, daß es solche Leute gibt!« rief die alte Frau, indem sie die Hände zusammenschlug. »Das ist ja ganz schrecklich!«
»Ja, schrecklich ist es,« nickte ihr Mann; »aber zu wundern brauchen wir uns nicht darüber, da sie Anhänger des Schut sind. Das ganze Land könnte Gott auf den Knieen danken, wenn diese Geißel des Volkes einmal unschädlich gemacht wäre.«
»Weißt du vielleicht etwas näheres über den Schut?« fragte ich ihn.
»Ich weiß auch nicht mehr als du und Andere. Wüßte man seinen Wohnort, so würde man auch ihn selbst kennen, und dann wäre es mit ihm aus.«
»Das ist noch die Frage. Ich bin überzeugt, daß die Behörde mit ihm in Verbindung steht. Weißt du nicht, wo Karanirwan-Khan liegt?«
»Diesen Namen kenne ich nicht.«
»Kennst du auch keinen Mann, der Kara Nirwan heißt?«
»Ebensowenig.«
»Aber einen Perser kennst du, welcher das Geschäft des Pferdehandels treibt?«
»Ja. Der heißt aber im Mund des Volkes Kara Adschemi. Was ist's mit diesem?«
»Ich habe ihn im Verdacht, der Schut zu sein.«
»Was? Dieser Perser?«
»Beschreibe ihn mir einmal!«
»Er ist länger und stärker als du und ich, ein wahrer Riese, und trägt einen schwarzen Vollbart, welcher weit bis zur Brust herabreicht.«
»Wie lange befindet er sich im Lande?«
»Das weiß ich nicht genau. Es sind wohl an die zehn Jahre her, daß ich ihn zum erstenmal gesehen habe.«
»So lange ist es wahrscheinlich auch, daß man von dem Schut gesprochen hat?«
Er blickte mich überrascht an, sann ein wenig nach und antwortete dann:
»Ja, so ungefähr wird es sein.«
»Wie ist das Auftreten dieses Pferdehändlers?«
»Er benimmt sich überaus gebieterisch, wie alle Leute, welche wissen, daß sie reich sind. Er geht stets bis an die Zähne bewaffnet und ist als ein Mann bekannt, mit welchem man keinen Spaß machen darf.«
»So ist er zu Gewalttätigkeiten geneigt?«
»Ja, er ist gleich mit der Faust oder mit der Pistole zur Hand, und man erzählt sich, daß schon Mehrere, die ihn beleidigt hatten, den Mund nicht wieder öffneten, weil ein Toter nicht mehr reden kann. Aber von Raub und Diebstahl weiß ich nichts zu berichten.«
»Diese Beschreibung paßt ganz genau zu dem Bilde, welches ich mir von ihm gemacht habe.
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