Bitte, sei nett zu ihm, er ist eine nützliche Arbeitskraft. Seine Wohnung liegt am Regents Park. Übrigens ist er Junggeselle.«

Sie zuckte die Achseln. Was interessierte es sie, ob Gilder Junggeselle war oder nicht!

»Erstaunlich, was du für einen wohlhabenden Bürovorsteher hast - Landsitz in Chelfordbury, Wohnung im vornehmsten Londoner Viertel ...«

»Er wird dir gefallen.« Arthur drückte auf den Onyxknopf. »Ganz amüsant.«

Amüsant war nun allerdings nicht das richtige Wort, aber das einzige, das ihm eingefallen war.

Als hätte er nur auf das Klingelzeichen gewartet, betrat Gilder, einen leichten Überzieher über dem Arm, in der Hand einen grauen Borsalino, das Zimmer.

Während der Fahrt bestritt Mr. Gilder die ganze Unterhaltung. Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme und eine gefällige Art zu plaudern. Arthur sah den Mann, mit dem er tagtäglich zusammenarbeitete, in neuem Licht. Ungezwungen sprach Gilder über alles mögliche, schnitt jedes Thema an, für das er Interesse vermutete - Flugwesen, Rundfunk, Literatur und Weltkrieg, russischer Kommunismus und italienische Renaissance, amerikanisches Theater und Polospiel.

Die Wohnung nahm das gesamte erste Stockwerk eines der teuren Häuser am Parkrand ein und war sehr luxuriös eingerichtet. Von meinem Geld! dachte Arthur Gine, in dem der Ärger wieder aufstieg. Nach dem Tee führte der Hausherr die Gäste in die Bibliothek, um ihnen seine Raritäten zu zeigen.

Gilder machte die junge Dame gerade auf eine kostbare Erstausgabe aufmerksam, als sich etwas sehr Eigenartiges ereignete.

»Entschuldige mich für ein paar Minuten, Leslie«, sagte Arthur plötzlich, »ich will nur schnell zu einem Bekannten, der ganz in der Nähe wohnt.«

Seine Stimme klang auffallend unnatürlich, und seine Schwester schaute ihn fragend an.

»Wenn wir rechtzeitig zum Dinner zu Hause sein wollen, dann müssen wir ...« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.

»Ich bleibe höchstens eine Viertelstunde!« Er sprang auf und verschwand, bevor sie noch etwas einwenden konnte.

Wie sonderbar und ungewöhnlich! Trotz des Unbehagens, das sie beschlich, hätte sie es nie für möglich gehalten, daß ihr Bruder sie absichtlich mit diesem grauhaarigen Mann allein lassen würde. Warum aber hatte er, dessen Egoismus sich doch stets sträubte, auf jemanden, der von ihm abhing, Rücksicht zu nehmen, den plötzlichen Wunsch, seinem Bürovorsteher gefällig zu sein?

Als sie allein waren, stellte Fabrian Gilder den Band behutsam an seinen Platz zurück.

»Nächstes Jahr werde ich mein neues Heim beziehen. Ich hoffe, Sie dann häufiger zu sehen, Miss Gine! Ich wünschte mir schon immer, meinen beiden Liebhabereien, Fischen und Lesen, in Ruhe nachgehen zu können. Glücklicherweise bin ich in der Lage, den Beruf an den Nagel zu hängen. Ihr Bruder hat Ihnen wahrscheinlich gesagt, daß ich unabhängig bin. Und - nun ja, ich bin fünfzig, ein gutes Alter, und ich bilde mir ein, eine Frau glücklich machen zu können.«

Leslie hatte ein peinliches Gefühl und eine trockene Kehle, sie mußte sich räuspern, bevor sie antworten konnte:

»Hoffentlich werden wir dann das Vergnügen haben, Ihre Gattin gelegentlich bei uns zu sehen.«

Gilder antwortete nicht, aber unter dem hartnäckigen Blick seiner grauen Augen wurde ihr heiß und kalt. Unversehens, bevor sie ausweichen konnte, ergriff er ihre beiden Arme.

»Leslie.«

»Lassen Sie mich los!« schrie sie und riß sich verzweifelt aus der Umklammerung.

»Für Sie, Leslie, habe ich gearbeitet, Pläne geschmiedet .«

Ein Klopfen an der Tür - seine Züge verzerrten sich vor Wut.

»Herein!«

»Mr. Richard Alford möchte Sie sprechen«, meldete das Mädchen.

13

Dick Alford, der im Herrenzimmer wartete, überlegte gerade, wie er diese Unterhaltung, die sehr unangenehm zu werden versprach, einleiten sollte, als die Tür aufflog und eine junge Dame mit kalkweißem Gesicht auf ihn zustürzte.

»O Dick, Dick!«

»Um Gottes willen, was ist geschehen? Wie kommen Sie hierher?«

Doch Leslie kam gar nicht dazu, zu antworten. Im Türrahmen stand die imposante Gestalt Mr. Gilders. Die Wut in seinen Augen loderte geradezu.

»Was wollen Sie?« brüllte er.

Dick Alford beachtete ihn gar nicht.

»Warum sind Sie hier, Leslie?«

»Arthur brachte mich hierher, und - und .«

Langsam dämmerten Dick die Zusammenhänge.

»Arthur brachte Sie hierher? Und ließ Sie dann allein mit diesem Herrn? Ist er ein Freund von Ihnen?« »Nein, nein«, wehrte sie heftig ab. »Ich begegnete ihm heute zum erstenmal.«

Diesen Augenblick wählte Arthur Gine für seine Rückkehr. Man hörte die Türglocke klingeln, schnelle Schritte kamen durch die Diele. Sein Gesicht erblaßte, er zwang sich zu einem verkrampften Lächeln.

»Hallo, Kleine! Was ist los?«

»Sie täten gut daran, Leslie sofort nach Hause zu bringen!« fuhr ihn Dick an.

»Darf ich mir erst einmal die Frage gestatten, mit welchem Recht Sie über meine Gäste verfügen?« sagte Gilder scharf.

Aber Dick beachtete ihn auch jetzt nicht.

»Kümmern Sie sich um Ihre Schwester, Gine! Ich werde mir erlauben, heute abend bei Ihnen vorbeizukommen.«

Er führte Leslie in die Diele, Arthur folgte, und Dick wartete, bis die beiden gegangen waren. Erst jetzt wandte er sich dem ergrimmten Hausherrn zu.

»Ich kam geschäftlich zu Ihnen, Gilder, aber das hat nun Zeit. Zuerst möchte ich von Ihnen wissen, was Sie Miss Gine gesagt haben.«

»Das geht niemand etwas an.«

»Es ist Ihnen sicher bekannt, daß Miss Gine mit meinem Bruder verlobt ist?«

Gilder fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.

»Das interessiert mich nicht.« Er überlegte kurz. »Warum Versteck spielen? Ich habe Miss Gine um ihre Hand gebeten.«

»So! Und wie stellte sie sich dazu?«

»Sie ließen ihr ja keine Zeit, mir eine Antwort zu geben.

Aber ich glaube kaum, daß Schwierigkeiten zu überwinden sind.«

»Sie meinen wohl, Schwierigkeiten von Seiten Mr. Gines?« fragte Dick ironisch. »Auf alle Fälle, Schwierigkeiten haben Sie von Miss Gine zu erwarten -und von mir.«

»Von Ihnen? Sind Sie etwa mit der Dame ...«

»Ich bin Miss Gines Freund. Was jedoch Sie betrifft, habe ich den Eindruck, daß Sie bedenklich im trüben fischen.