Wir sind nicht ineinander verliebt, aber ich will ein Haus und eine Stellung in der Gesellschaft! Wenn ich auch keine Lady bin, so bin ich immerhin ladylike und habe lange genug unter erstklassigen Leuten gelebt, um keinen Schnitzer zu begehen.«
Arthur studierte von neuem das Papier.
»Alles ganz schön. Nur gehört der Schatz Lord Alford.«
»Oh!« protestierte sie. »Das Gesetz bestimmt, daß ein nach hundert Jahren aufgefundener Schatz zwischen dem Staat und dem Entdecker geteilt wird.«
Er wiegte lächelnd den Kopf.
»Mary als Juristin! Was Sie da sagen, trifft zu, wenn kein Eigentümer vorhanden ist. Aber - aber - das brauchte uns im Ernstfall ja nicht zu kümmern. Man kann doch nicht verlieren, was man nie besessen hat, nicht?«
Mary stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Er sah ihr nachdenklich in die Augen.
»Was mich einzig und allein interessiert ist, wann und wo Sie den Schatz gesehen haben.«
»Vor zwei Tagen.«
»Vor zwei Tagen -?«
»Jawohl, vor zwei Tagen. Doch bevor ich Ihnen sage, wo, müssen Sie unterschreiben.«
Als er keinerlei Anstalten dazu machte, faltete sie das Blatt zusammen und steckte es wieder in ihre Handtasche.
»Warum so hastig?« fuhr er hoch. »Sie müssen mir doch wenigstens einen Augenblick zum Überlegen gönnen. Vergegenwärtigen Sie sich überhaupt, was Sie von mir verlangen? Komplicenschaft bei einem Diebstahl!«
»Gott, wenn Ihr Gewissen so zart besaitet ist ...« Sie stand auf.
Mit einem Sprung war er an ihrer Seite.
»Seien Sie nicht albern! Sie fordern viel, Mary, und ...«
»Ich bringe ja auch viel - zweieinhalb Millionen Pfund sind kein Pappenstiel! Wollen Sie unterschreiben?«
Noch einmal überflog er den Text, machte eine kleine Verbesserung und unterschrieb.
»Was haben Sie noch hineingesetzt?« fragte sie mißtrauisch.
»Einen Notausgang für Arthur Gine! Jetzt steht da: ›Mit Rücksicht darauf, daß ich - und so weiter - die Hälfte des Chelfordschatzes für Rechnung meines Klienten Lord Alford erhalte .. .‹«
Zuerst verstand sie nicht, dann aber zog ein bewunderndes Lächeln über ihr Gesicht.
»Arthur, manchmal sind Sie wirklich gescheit!«
Er legte den Arm um ihre Hüften und führte sie zum Fenster. Ketten von Wagen zogen sich in beiden Richtungen hin. Ein großer Lastwagen mit der Aufschrift ›5 Tonnen‹ ratterte vorbei. Und drei solcher Ungetüme würden notwendig sein, um das Chelfordgold fortzuschaffen »Wollen Sie mir jetzt verraten, wo das Gold ist, Mary?«
»In den unterirdischen Gewölben der Abtei«, erwiderte sie halblaut.
Stumm blickten sie sich an.
»Sind Sie für Ihre Schwester zu sprechen, Mr. Gine?« erklang hinter ihnen eine Stimme.
Mit einem Fluch fuhr Arthur Gine herum. Geräuschlos hatte der Bürovorsteher das Zimmer betreten. Ob er die letzten Worte gehört hatte oder nicht, war seinem Gesicht nicht anzumerken.
8
Leslie Gine hatte zu Hause allerlei Pflichten. Wenn ihr Bruder auch kein allzu großes Haus führte, gab es doch öfters exquisite Dinners oder gelegentlich einen Ball, und im Laufe des Winters bewirtete Arthur, dessen Ehrgeiz es schmeichelte, Master der Grafschaftsmeute zu sein, die prominenten Jagdreiter der Gegend. Bei all diesen Gelegenheiten repräsentierte seine Schwester und leitete auch sonst den Haushalt, was nicht immer leicht war, da Arthur zwar das Beste auf seinem Tisch verlangte, mit Geld jedoch knauserig war.
Den Entschluß, nach London zu fahren, hatte Leslie heute morgen ganz plötzlich gefaßt. Es behagte ihr irgendwie nicht, den Lunch allein einnehmen zu müssen. Einen Augenblick erwog sie, nach Fossaway zu gehen, erinnerte sich aber, daß Dick immer am Mittwoch seine Pächter aufsuchte. Einen Lunch allein mit ihrem Verlobten? Dann lieber noch ganz einsam! Also in die Stadt - rasch kleidete sie sich an, der Gärtner holte den kleinen Zweisitzer aus der Garage, und zehn Minuten später flitzte sie zur Bahnstation. Sie hatte Zeit im Überfluß, würde wahrscheinlich eine halbe Stunde auf den Zug warten müssen.
Kurz vor der Gutsgrenze sah sie in etwa zweihundert Meter Entfernung eine bekannte Gestalt querfeldein wandern. Ihr Herz klopfte schneller. Ein Hohlweg nahm ihr die Sicht, doch als sie herauskam, sah sie, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Sie stoppte.
Dick Alford öffnete ein Gatter, trat hinaus und winkte ihr zu. Aber zu ihrer Verblüffung wäre er wortlos weitergegangen, wenn sie ihn nicht angerufen hätte.
»Schlechter Laune, Dick?«
»Stimmt. Etwas gibt's, was ich wie die Pest hasse -wenn nämlich unsere Farmen in kleine Landsitze für die Städter zerstückelt werden. Ich verkaufte vergangene Woche die Red Farm an Mr. Leonard, in der Meinung, daß der alte -«, er verschluckte einen derben Ausdruck - »hm, Gentleman seinen Besitz abrunden wolle, obgleich mir schleierhaft war, warum er gerade auf den ärmsten Boden verfiel.«
»Und was tat der alte - hm, Gentleman?« neckte sie.
»Er hat sie weiterveräußert, obwohl ein solches Geschäft zu seiner Gültigkeit meiner Zustimmung bedarf, an irgendeinen Schnüffler aus London übrigens, der schon den ganzen Sommer über ein kleines Wochenendhäuschen hier in der Nähe bewohnte.«
»Etwa am Ravensrill?« fragte sie interessiert.
»Ja, ja, das ist der Bursche. Ich hielt ihn für einen vorübergehenden Sommergast, statt dessen stellt sich jetzt heraus, daß er die Farm kaufte, um dort so einen Kasten mit Erkern und Türmchen bauen zu lassen.
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