Dem und jenem Schlund
  Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen
  Und flackerten in ein Gewölb' zusammen.
  Zum höchsten Dome züngelt' es empor,
  Der immer ward und immer sich verlor.
  Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
  Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
  Sie drängten sich im weiten Kreis heran
  Und huldigten, wie sie es stets getan.
  Vom meinem Hof erkannt' ich ein und andern,
  Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.

  MEPHISTOPHELES:
  Das bist du, Herr! weil jedes Element
  Die Majestät als unbedingt erkennt.
  Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;
  Wirf dich ins Meer, wo es am wildsten tobt,
  Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,
  So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
  Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
  Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen
  Um dich, den Mittelpunkt. Bei jedem Schritt,
  Wohin du gehst, gehn die Paläste mit.
  Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,
  Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.
  Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,
  Sie schießen an, und keines darf herein.
  Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
  Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
  Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
  Hast du doch nie ein solch Gedräng' erblickt.
  Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:
  Es nahen sich neugierige Nereiden
  Der prächt'gen Wohnung in der ew'gen Frische,
  Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
  Die spätern klug. Schon wird es Thetis kund,
  Dem zweiten Peleus reicht sie Hand und Mund.—
  Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier…

  KAISER:
  Die luft'gen Räume, die erlass' ich dir:
  Noch früh genug besteigt man jenen Thron.

  MEPHISTOPHELES:
  Und, höchster Herr! die Erde hast du schon.

  KAISER:
  Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht,
  Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht?
  Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
  Versichr' ich dich der höchsten aller Gnaden.
  Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt,
  Wie's oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.

  MARSCHALK:
  Durchlauchtigster, ich dacht' in meinem Leben
  Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
  Als diese, die mich hoch beglückt,
  In deiner Gegenwart entzückt:
  Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
  Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
  Los bin ich solcher Höllenpein;
  Im Himmel kann's nicht heitrer sein.

  HEERMEISTER:
  Abschläglich ist der Sold entrichtet,
  Das ganze Heer aufs neu' verpflichtet,
  Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut,
  Und Wirt und Dirnen haben's gut.

  KAISER:
  Wie atmet eure Brust erweitert!
  Das faltige Gesicht erheitert!
  Wie eilig tretet ihr heran!

  SCHATZMEISTER:
  Befrage diese, die das Werk getan.

  FAUST:
  Dem Kanzler ziemt's, die Sache vorzutragen.

  KANZLER:
  Beglückt genug in meinen alten Tagen.—
  So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
  Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
  "Zu wissen sei es jedem, der's begehrt:
  Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.
  Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
  Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
  Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,
  Sogleich gehoben, diene zum Ersatz."

  KAISER:
  Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
  Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
  Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

  SCHATZMEISTER:
  Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
  Erst heute nacht. Du standst als großer Pan,
  Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
  "Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
  Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen."
  Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht
  Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
  Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,
  So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
  Zehn, Dreißig, Funfzig, Hundert sind parat.
  Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat.
  Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,
  Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
  Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
  Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
  Das Alphabet ist nun erst überzählig,
  In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

  KAISER:
  Und meinen Leuten gilt's für gutes Gold?
  Dem Heer, dem Hofe gnügt's zu vollem Sold?
  So sehr mich's wundert, muß ich's gelten lassen.

  MARSCHALK:
  Unmöglich wär's, die Flüchtigen einzufassen;
  Mit Blitzeswink zerstreute sich's im Lauf.
  Die Wechslerbänke stehen sperrig auf:
  Man honoriert daselbst ein jedes Blatt
  Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.
  Nun geht's von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
  Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
  Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
  Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
  Bei "Hoch dem Kaiser!" sprudelt's in den Kellern,
  Dort kocht's und brät's und klappert mit den Tellern.

  MEPHISTOPHELES:
  Wer die Terrassen einsam abspaziert,
  Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,
  Ein Aug' verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
  Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;
  Und hurt'ger als durch Witz und Redekunst
  Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
  Man wird sich nicht mit Börs' und Beutel plagen,
  Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
  Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier.
  Der Priester trägt's andächtig im Brevier,
  Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
  Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
  Die Majestät verzeihe, wenn ins Kleine
  Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.

  FAUST:
  Das übermaß der Schätze, das, erstarrt,
  In deinen Landen tief im Boden harrt,
  Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
  Ist solchen Reichtums kümmerlichste Schranke;
  Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
  Sie strengt sich an und tut sich nie genug.
  Doch fassen Geister, würdig, tief zu schauen,
  Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

  MEPHISTOPHELES:
  Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
  Ist so bequem, man weiß doch, was man hat;
  Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen,
  Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen.
  Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
  Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
  Pokal und Kette wird verauktioniert,
  Und das Papier, sogleich amortisiert,
  Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.
  Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
  So bleibt von nun an allen Kaiserlanden
  An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.

  KAISER:
  Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich;
  Wo möglich sei der Lohn dem Dienste gleich.
  Vertraut sei euch des Reiches innrer Boden,
  Ihr seid der Schätze würdigste Kustoden.
  Ihr kennt den weiten, wohlverwahrten Hort,
  Und wenn man gräbt, so sei's auf euer Wort.
  Vereint euch nun, ihr Meister unsres Schatzes,
  Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,
  Wo mit der obern sich die Unterwelt,
  In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.

  SCHATZMEISTER:
  Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen,
  Ich liebe mir den Zaubrer zum Kollegen.

  KAISER:
  Beschenk' ich nun bei Hofe Mann für Mann,
  Gesteh' er mir, wozu er's brauchen kann.

  PAGE:
  Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.

  EIN ANDRER:
  Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett' und Ringe.

  KÄMMERER:
  Von nun an trink' ich doppelt beßre Flasche.

  EIN ANDRER:
  Die Würfel jucken mich schon in der Tasche.

  BANNERHERR:
  Mein Schloß und Feld, ich mach' es schuldenfrei.

  EIN ANDRER:
  Es ist ein Schatz, den leg' ich Schätzen bei.

  KAISER:
  Ich hoffte Lust und Mut zu neuen Taten;
  Doch wer euch kennt, der wird euch leicht erraten.
  Ich merk' es wohl: bei aller Schätze Flor,
  Wie ihr gewesen, bleibt ihr nach wie vor.

  NARR:
  Ihr spendet Gnaden, gönnt auch mir davon!

  KAISER:
  Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon.

  NARR:
  Die Zauberblätter! ich versteh's nicht recht.

  KAISER:
  Das glaub' ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.

  NARR:
  Da fallen andere; weiß nicht, was ich tu'.

  KAISER:
  Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu.

  NARR:
  Fünftausend Kronen wären mir zu Handen!

  MEPHISTOPHELES:
  Zweibeiniger Schlauch, bist wieder auferstanden?

  NARR:
  Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt.

  MEPHISTOPHELES:
  Du freust dich so, daß dich's in Schweiß versetzt.

  NARR:
  Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert?

  MEPHISTOPHELES:
  Du hast dafür, was Schlund und Bauch begehrt.

  NARR:
  Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?

  MEPHISTOPHELES:
  Versteht sich! Biete nur, das fehlt dir nie.

  NARR:
  Und Schloß, mit Wald und Jagd und Fischbach? +

  MEPHISTOPHELES:
  Traun!
  Ich möchte dich gestrengen Herrn wohl schaun!

  NARR:
  Heut abend wieg' ich mich im Grundbesitz!—

  MEPHISTOPHELES:
  Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!

Finstere Galerie

  MEPHISTOPHELES:
  Was ziehst du mich in diese düstern Gänge?
  Ist nicht da drinnen Lust genug,
  Im dichten, bunten Hofgedränge
  Gelegenheit zu Spaß und Trug?

  FAUST:
  Sag mir das nicht, du hast's in alten Tagen
  Längst an den Sohlen abgetragen;
  Doch jetzt dein Hin- und Widergehn
  Ist nur, um mir nicht Wort zu stehn.
  Ich aber bin gequält zu tun:
  Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun.
  Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
  Will Helena und Paris vor sich sehn;
  Das Musterbild der Männer so der Frauen
  In deutlichen Gestalten will er schauen.
  Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen.

  MEPHISTOPHELES:
  Unsinnig war's, leichtsinnig zu versprechen.

  FAUST:
  Du hast, Geselle, nicht bedacht,
  Wohin uns deine Künste führen;
  Erst haben wir ihn reich gemacht,
  Nun sollen wir ihn amüsieren.

  MEPHISTOPHELES:
  Du wähnst, es füge sich sogleich;
  Hier stehen wir vor steilern Stufen,
  Greifst in ein fremdestes Bereich,
  Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,
  Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
  Wie das Papiergespenst der Gulden.—
  Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten,
  Kielkröpfigen Zwergen steh' ich gleich zu Diensten;
  Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,
  Sie können nicht für Heroinen gelten.

  FAUST:
  Da haben wir den alten Leierton!
  Bei dir gerät man stets ins Ungewisse.
  Der Vater bist du aller Hindernisse,
  Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.
  Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist's getan;
  Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle.

  MEPHISTOPHELES:
  Das Heidenvolk geht mich nichts an,
  Es haust in seiner eignen Hölle;
  Doch gibt's ein Mittel. +

  FAUST:
  Sprich, und ohne Säumnis!

  MEPHISTOPHELES:
  Ungern entdeck' ich höheres Geheimnis.
  Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
  Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;
  Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.
  Die Mütter sind es! +

  FAUST:
  Mütter! +

  MEPHISTOPHELES:
  Schaudert's dich?

  FAUST:
  Die Mütter! Mütter!—'s klingt so wunderlich!

  MEPHISTOPHELES:
  Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
  Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
  Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;
  Du selbst bist schuld, daß ihrer wir bedürfen.

  FAUST:
  Wohin der Weg? +

  MEPHISTOPHELES:
  Kein Weg! Ins Unbetretene,
  Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,
  Nicht zu Erbittende. Bist du bereit?—
  Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
  Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
  Hast du Begriff von öd' und Einsamkeit?

  FAUST:
  Du spartest, dächt' ich, solche Sprüche;
  Hier wittert's nach der Hexenküche,
  Nach einer längst vergangnen Zeit.
  Mußt' ich nicht mit der Welt verkehren?
  Das Leere lernen, Leeres lehren?—
  Sprach ich vernünftig, wie ich's angeschaut,
  Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
  Mußt' ich sogar vor widerwärtigen Streichen
  Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen
  Und, um nicht ganz versäumt, allein zu leben,
  Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.

  MEPHISTOPHELES:
  Und hättest du den Ozean durchschwommen,
  Das Grenzenlose dort geschaut,
  So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen,
  Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
  Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
  Gestillter Meere streichende Delphine;
  Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne—
  Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
  Den Schritt nicht hören, den du tust,
  Nichts Festes finden, wo du ruhst.

  FAUST:
  Du sprichst als erster aller Mystagogen,
  Die treue Neophyten je betrogen;
  Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,
  Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;
  Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,
  Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.
  Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
  In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.

  MEPHISTOPHELES:
  Ich rühme dich, eh' du dich von mir trennst,
  Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;
  Hier diesen Schlüssel nimm. +

  FAUST:
  Das kleine Ding!

  MEPHISTOPHELES:
  Erst faß ihn an und schätz ihn nicht gering.

  FAUST:
  Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!

  MEPHISTOPHELES:
  Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?
  Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
  Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.

  FAUST:
  Den Müttern! Trifft's mich immer wie ein Schlag!
  Was ist das Wort, das ich nicht hören mag?

  MEPHISTOPHELES:
  Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?
  Willst du nur hören, was du schon gehört?
  Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,
  Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.

  FAUST:
  Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil,
  Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;
  Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure,
  Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

  MEPHISTOPHELES:
  Versinke denn! Ich könnt' auch sagen: steige!
  's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen
  In der Gebilde losgebundne Reiche!
  Ergetze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
  Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
  Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe!

  FAUST:
  Wohl! fest ihn fassend fühl' ich neue Stärke,
  Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.

  MEPHISTOPHELES:
  Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund,
  Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund.
  Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn,
  Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
  Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
  Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
  Umschwebt von Bildern aller Kreatur;
  Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
  Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
  Und gehe grad' auf jenen Dreifuß los,
  Berühr ihn mit dem Schlüssel! +

  MEPHISTOPHELES:
  So ist's recht!
  Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;
  Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
  Und eh' sie's merken, bist mit ihm zurück.
  Und hast du ihn einmal hierher gebracht,
  So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
  Der erste, der sich jener Tat erdreistet;
  Sie ist getan, und du hast es geleistet.
  Dann muß fortan, nach magischem Behandeln,
  Der Weihrauchsnebel sich in Götter wandeln.

  FAUST:
  Und nun was jetzt? +

  MEPHISTOPHELES:
  Dein Wesen strebe nieder;
  Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.

  MEPHISTOPHELES:
  Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!
  Neugierig bin ich, ob er wiederkommt.

Hell erleuchtete Säle

  KÄMMERER:
  Ihr seid uns noch die Geisterszene schuldig;
  Macht Euch daran! der Herr ist ungeduldig.

  MARSCHALK:
  Soeben fragt der Gnädigste darnach;
  Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.

  MEPHISTOPHELES:
  Ist mein Kumpan doch deshalb weggegangen;
  Er weiß schon, wie es anzufangen,
  Und laboriert verschlossen still,
  Muß ganz besonders sich befleißen;
  Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will,
  Bedarf der höchsten Kunst, Magie der Weisen.

  MARSCHALK:
  Was ihr für Künste braucht, ist einerlei:
  Der Kaiser will, daß alles fertig sei.

  BLONDINE:
  Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,
  Jedoch so ist's im leidigen Sommer nicht!
  Da sprossen hundert bräunlich rote Flecken,
  Die zum Verdruß die weiße Haut bedecken.
  Ein Mittel! +

  MEPHISTOPHELES:
  Schade! so ein leuchtend Schätzchen
  Im Mai getupft wie eure Pantherkätzchen.
  Nehmt Froschlaich, Krötenzungen, kohobiert,
  Im vollsten Mondlicht sorglich distilliert
  Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen,
  Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.

  BRAUNE:
  Die Menge drängt heran, Euch zu umschranzen.
  Ich bitt' um Mittel! Ein erfrorner Fuß
  Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,
  Selbst ungeschickt beweg' ich mich zum Gruß.

  MEPHISTOPHELES:
  Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß.

  BRAUNE:
  Nun, das geschieht wohl unter Liebesleuten.

  MEPHISTOPHELES:
  Mein Fußtritt, Kind! hat Größres zu bedeuten.
  Zu Gleichem Gleiches, was auch einer litt;
  Fuß heilet Fuß, so ist's mit allen Gliedern.
  Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwidern.

  BRAUNE:
  Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt, +
  Wie Pferdehuf.

  MEPHISTOPHELES:
  Die Heilung nehmt Ihr mit.
  Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben,
  Bei Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben.

  DAME:
  Laßt mich hindurch! Zu groß sind meine Schmerzen,
  Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;
  Bis gestern sucht' Er Heil in meinen Blicken,
  Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.

  MEPHISTOPHELES:
  Bedenklich ist es, aber höre mich.
  An ihn heran mußt du dich leise drüchen;
  Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich
  Auf ärmel, Mantel, Schulter, wie sich's macht;
  Er fühlt im Herzen holden Reuestich.
  Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
  Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
  Er seufzt vor deiner Tür noch heute nacht.

  DAME:
  Ist doch kein Gift? +

  MEPHISTOPHELES:
  Respekt, wo sich's gebührt!
  Weit müßtet Ihr nach solcher Kohle laufen;
  Sie kommt von einem Scheiterhaufen,
  Den wir sonst emsiger angeschürt.

  PAGE:
  Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.

  MEPHISTOPHELES:
  Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.
  Müßt Euer Glück nicht auf die Jüngste setzen.
  Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen.—
  Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauß!
  Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;
  Der schlechteste Behelf! Die Not ist groß.—
  O Mütter, Mütter! Laßt nur Fausten los!
  Die Lichter brennen trübe schon im Saal,
  Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.
  Anständig seh' ich sie in Folge ziehn
  Durch lange Gänge, ferne Galerien.
  Nun! sie versammeln sich im weiten Raum
  Des alten Rittersaals, er faßt sie kaum.
  Auf breite Wände Teppiche spendiert,
  Mit Rüstung Eck' und Nischen ausgeziert.
  Hier braucht es, dächt' ich, keine Zauberworte;
  Die Geister finden sich von selbst zum Orte.

Rittersaal

  HEROLD:
  Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden,
  Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;
  Vergebens wagt man, aus verständigen Gründen
  Sich zu erklären das verworrene Schalten.
  Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand;
  Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;
  Auf den Tapeten mag er da die Schlachten
  Der großen Zeit bequemlichstens betrachten.
  Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,
  Die Bänke drängen sich im Hintergrunde;
  Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,
  Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.
  Und so, da alle schicklich Platz genommen,
  Sind wir bereit; die Geister mögen kommen!

  ASTROLOG:
  Beginne gleich das Drama seinen Lauf,
  Der Herr befiehlt's, ihr Wände tut euch auf!
  Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand:
  Die Teppiche schwinden, wie gerollt vom Brand;
  Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,
  Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,
  Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen,
  Und ich besteige das Proszenium.

  MEPHISTOPHELES:
  Von hier aus hoff' ich allgemeine Gunst,
  Einbläsereien sind des Teufels Redekunst.
  Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehn,
  Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.

  ASTROLOG:
  Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau,
  Massiv genug, ein alter Tempelbau.
  Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug,
  Stehn reihenweis der Säulen hier genug;
  Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
  Da zweie schon ein groß Gebäude trügen.

  ARCHITEKT:
  Das wär' antik! Ich wüßt' es nicht zu preisen,
  Es sollte plump und überlästig heißen.
  Roh nennt man edel, unbehülflich groß.
  Schmalpfeiler lieb' ich, strebend, grenzenlos;
  Spitzbögiger Zenit erhebt den Geist;
  Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.

  ASTROLOG:
  Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden;
  Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden;
  Dagegen weit heran bewege frei
  Sich herrliche verwegne Phantasei.
  Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt,
  Unmöglich ist's, drum eben glaubenswert.

  ASTROLOG:
  Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
  Der nun vollbringt, was er getrost begann.
  Ein Dreifuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
  Schon ahn' ich aus der Schale Weihrauchduft.
  Er rüstet sich, das hohe Werk zu segnen;
  Es kann fortan nur Glückliches begegnen.

  FAUST:
  In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
  Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt,
  Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
  Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.
  Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
  Es regt sich dort; denn es will ewig sein.
  Und ihr verteilt es, allgewaltige Mächte,
  Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
  Die einen faßt des Lebens holder Lauf,
  Die andern sucht der kühne Magier auf;
  In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen,
  Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.

  ASTROLOG:
  Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,
  Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum;
  Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,
  Gedehnt, geballt, verschränkt, geteilt, gepaart.
  Und nun erkennt ein Geister-Meisterstück!
  So wie sie wandeln, machen sie Musik.
  Aus luft'gen Tönen quillt ein Weißnichtwie,
  Indem sie ziehn, wird alles Melodie.
  Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt,
  Ich glaube gar, der ganze Tempel singt.
  Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
  Ein schöner Jüngling tritt im Takt hervor.
  Hier schweigt mein Amt, ich brauch' ihn nicht zu nennen,
  Wer sollte nicht den holden Paris kennen!

  DAME:
  O! welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft!

  ZWEITE:
  Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!

  DRITTE:
  Die fein gezognen, süß geschwollnen Lippen!

  VIERTE:
  Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?

  FÜNFTE:
  Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.

  SECHSTE:
  Ein bißchen könnt' er doch gewandter sein.

  RITTER:
  Den Schäferknecht glaub' ich allhier zu spüren,
  Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.

  ANDRER:
  Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
  Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!

  DAME:
  Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.

  ritter
  Auf seinem Schoße wär' Euch wohl bequem?

  ANDRE:
  Er lehnt den Arm so zierlich übers Haupt.

  KÄMMERER:
  Die Flegelei! Das find' ich unerlaubt!

  DAME:
  Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln.

  DERSELBE:
  In Kaisers Gegenwart sich hinzuräkeln!

  DAME:
  Er stellt's nur vor! Er glaubt sich ganz allein.

  DERSELBE:
  Das Schauspiel selbst, hier sollt' es höflich sein.

  DAME:
  Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.

  DERSELBE:
  Er schnarcht nun gleich; natürlich ist's, vollkommen!

  JUNGE DAME:
  Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,
  Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?

  ÄLTERE:
  Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemüte,
  Er kommt von ihm! +

  ÄLTESTE:
  Es ist des Wachstums Blüte,
  Im Jüngling als Ambrosia bereitet
  Und atmosphärisch ringsumher verbreitet.

  MEPHISTOPHELES:
  Das wär' sie denn! Vor dieser hätt' ich Ruh';
  Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.

  ASTROLOG:
  Für mich ist diesmal weiter nichts zu tun,
  Als Ehrenmann gesteh', bekenn' ich's nun.
  Die Schöne kommt, und hätt' ich Feuerzungen!—
  Von Schönheit ward von jeher viel gesungen—
  Wem sie erscheint, wird aus sich selbst entrückt,
  Wem sie gehörte, ward zu hoch beglückt.

  FAUST:
  Hab' ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
  Der Schönheit Quelle reichlichstens ergossen?
  Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.
  Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!
  Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?
  Erst wünschenswert, gegründet, dauerhaft!
  Verschwinde mir des Lebens Atemkraft,
  Wenn ich mich je von dir zurückgewöhne!—
  Die Wohlgestalt, die mich voreinst entzückte,
  In Zauberspiegelung beglückte,
  War nur ein Schaumbild solcher Schöne!—
  Du bist's, der ich die Regung aller Kraft,
  Den Inbegriff der Leidenschaft,
  Dir Neigung, Lieb', Anbetung, Wahnsinn zolle.

  MEPHISTOPHELES:
  So faßt Euch doch und fallt nicht aus der Rolle!

  ÄLTERE DAME:
  Groß, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein.

  JÜNGERE:
  Seht nur den Fuß! Wie könnt' er plumper sein!

  DIPLOMAT:
  Fürstinnen hab' ich dieser Art gesehn,
  Mich deucht, sie ist vom Kopf zum Fuße schön.

  HOFMANN:
  Sie nähert sich dem Schläfer listig mild.

  DAME:
  Wie häßlich neben jugendreinem Bild!

  POET:
  Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt.

  DAME:
  Endymion und Luna! wie gemalt!

  DERSELBE:
  Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken,
  Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;
  Beneidenswert!—Ein Kuß!—Das Maß ist voll.

  DUENNA:
  Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!

  FAUST:
  Furchtbare Gunst dem Knaben!—+

  MEPHISTOPHELES:
  Ruhig! still!
  Laß das Gespenst doch machen was es will.

  HOFMANN:
  Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht.

  DAME:
  Sie sieht sich um! Das hab' ich wohl gedacht.

  HOFMANN:
  Er staunt! Ein Wunder ist's, was ihm geschieht.

  DAME:
  Ihr ist kein Wunder, was sie vor sich sieht.

  HOFMANN:
  Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.

  DAME:
  Ich merke schon, sie nimmt ihn in die Lehre;
  In solchem Fall sind alle Männer dumm,
  Er glaubt wohl auch, daß er der erste wäre.

  RITTER:
  Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein!—

  DAME:
  Die Buhlerin! Das nenn' ich doch gemein!

  PAGE:
  Ich möchte wohl an seiner Stelle sein!

  HOFMANN:
  Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?

  DAME:
  Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,
  Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.

  ANDRE:
  Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.

  RITTER:
  Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;
  Ich hielte mich an diese schönen Reste.

  GELAHRTER:
  Ich seh' sie deutlich, doch gesteh' ich frei:
  Zu zweiflen ist, ob sie die rechte sei.
  Die Gegenwart verführt ins übertriebne,
  Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.
  Da les' ich denn, sie habe wirklich allen
  Graubärten Trojas sonderlich gefallen;
  Und wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier:
  Ich bin nicht jung, und doch gefällt sie mir.

  ASTROLOG:
  Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann,
  Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
  Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
  Entführt er sie wohl gar? +

  FAUST:
  Verwegner Tor!
  Du wagst! Du hörst nicht! halt! das ist zu viel!

  EMPHISTOPHELES:
  Machst du's doch selbst, das Fratzengeisterspiel!

  ASTROLOG:
  Nur noch ein Wort! Nach allem, was geschah,
  Nenn' ich das Stück den Raub der Helena.

  FAUST:
  Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!
  Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!
  Er führte mich, durch Graus und Wog' und Welle
  Der Einsamkeiten, her zum festen Strand.
  Hier fass' ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
  Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,
  Das Doppelreich, das große, sich bereiten.
  So fern sie war, wie kann sie näher sein!
  Ich rette sie, und sie ist doppelt mein.
  Gewagt! Ihr Mütter! Mütter! müßt's gewähren!
  Wer sie erkannt, der darf sie nicht entbehren.

  ASTROLOG:
  Was tust du, Fauste! Fauste!—Mit Gewalt
  Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt.
  Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
  Berührt ihn!—Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!

  MEPHISTOPHELES:
  Da habt ihr's nun! mit Narren sich beladen,
  Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.

2. Akt—Hochgewölbtes enges gotisches Zimmer

  MEPHISTOPHELES:
  Hier lieg, Unseliger! verführt
  Zu schwergelöstem Liebesbande!
  Wen Helena paralysiert,
  Der kommt so leicht nicht zu Verstande.
  Blick' ich hinauf, hierher, hinüber,
  Allunverändert ist es, unversehrt;
  Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber,
  Die Spinneweben haben sich vermehrt;
  Die Tinte starrt, vergilbt ist das Papier;
  Doch alles ist am Platz geblieben;
  Sogar die Feder liegt noch hier,
  Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben.
  Ja! tiefer in dem Rohre stockt
  Ein Tröpflein Blut, wie ich's ihm abgelockt.
  Zu einem solchen einzigen Stück
  Wünscht' ich dem größten Sammler Glück.
  Auch hängt der alte Pelz am alten Haken,
  Erinnert mich an jene Schnaken,
  Wie ich den Knaben einst belehrt,
  Woran er noch vielleicht als Jüngling zehrt.
  Es kommt mir wahrlich das Gelüsten,
  Rauchwarme Hülle, dir vereint
  Mich als Dozent noch einmal zu erbrüsten,
  Wie man so völlig recht zu haben meint.
  Gelehrte wissen's zu erlangen,
  Dem Teufel ist es längst vergangen.

  CHOR DER INSEKTEN:
  Willkommen! willkommen,
  Du alter Patron!
  Wir schweben und summen
  Und kennen dich schon.
  Nur einzeln im stillen
  Du hast uns gepflanzt;
  Zu Tausenden kommen wir,
  Vater, getanzt.
  Der Schalk in dem Busen
  Verbirgt sich so sehr,
  Vom Pelze die Läuschen
  Enthüllen sich eh'r.

  MEPHISTOPHELES:
  Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!
  Man säe nur, man erntet mit der Zeit.
  Ich schüttle noch einmal den alten Flaus,
  Noch eines flattert hier und dort hinaus.—
  Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken
  Eilt euch, ihr Liebchen, zu verstecken.
  Dort, wo die alten Schachteln stehn,
  Hier im bebräunten Pergamen,
  In staubigen Scherben alter Töpfe,
  Dem Hohlaug' jener Totenköpfe.
  In solchem Wust und Moderleben
  Muß es für ewig Grillen geben.
  Komm, decke mir die Schultern noch einmal!
  Heut bin ich wieder Prinzipal.
  Doch hilft es nichts, mich so zu nennen;
  Wo sind die Leute, die mich anerkennen?

  FAMULUS:
  Welch ein Tönen! welch ein Schauer!
  Treppe schwankt, es bebt die Mauer;
  Durch der Fenster buntes Zittern
  Seh' ich wetterleuchtend Wittern.
  Springt das Estrich, und von oben
  Rieselt Kalk und Schutt verschoben.
  Und die Türe, fest verriegelt,
  Ist durch Wunderkraft entsiegelt.—
  Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese
  Steht in Faustens altem Vliese!
  Seinen Blicken, seinem Winken
  Möcht' ich in die Kniee sinken.
  Soll ich fliehen? Soll ich stehn?
  Ach, wie wird es mir ergehn!

  MEPHISTOPHELES:
  Heran, mein Freund!—Ihr heißet Nikodemus.

  FAMULUS:
  Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam'—Oremus.

  MEPHISTOPHELES:
  Das lassen wir! +

  FAMULUS:
  Wie froh, daß Ihr mich kennt!

  MEPHISTOPHELES:
  Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,
  Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann
  Studiert so fort, weil er nicht anders kann.
  So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,
  Der größte Geist baut's doch nicht völlig aus.
  Doch Euer Meister, das ist ein Beschlagner:
  Wer kennt ihn nicht, den edlen Doktor Wagner,
  Den Ersten jetzt in der gelehrten Welt!
  Er ist's allein, der sie zusammenhält,
  Der Weisheit täglicher Vermehrer.
  Allwißbegierige Horcher, Hörer
  Versammeln sich um ihn zuhauf.
  Er leuchtet einzig vom Katheder;
  Die Schlüssel übt er wie Sankt Peter,
  Das Untre so das Obre schließt er auf.
  Wie er vor allen glüht und funkelt,
  Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter stand;
  Selbst Faustus' Name wird verdunkelt,
  Er ist es, der allein erfand.

  FAMULUS:
  Verzeiht, hochwürdiger Herr! wenn ich Euch sage,
  Wenn ich zu widersprechen wage:
  Von allem dem ist nicht die Frage;
  Bescheidenheit ist sein beschieden Teil.
  Ins unbegreifliche Verschwinden
  Des hohen Manns weiß er sich nicht zu finden;
  Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.
  Das Zimmer, wie zu Doktor Faustus' Tagen,
  Noch unberührt seitdem er fern,
  Erwartet seinen alten Herrn.
  Kaum wag' ich's, mich hereinzuwagen.
  Was muß die Sternenstunde sein?—
  Gemäuer scheint mir zu erbangen;
  Türpfosten bebten, Riegel sprangen,
  Sonst kamt Ihr selber nicht herein.

  MEPHISTOPHELES:
  Wo hat der Mann sich hingetan?
  Führt mich zu ihm, bringt ihn heran!

  FAMULUS:
  Ach! sein Verbot ist gar zu scharf,
  Ich weiß nicht, ob ich's wagen darf.
  Monatelang, des großen Werkes willen,
  Lebt' er im allerstillsten Stillen.
  Der zarteste gelehrter Männer,
  Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,
  Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen,
  Die Augen rot vom Feuerblasen,
  So lechzt er jedem Augenblick;
  Geklirr der Zange gibt Musik.

  MEPHISTOPHELES:
  Sollt' er den Zutritt mir verneinen?
  Ich bin der Mann, das Glück ihm zu beschleunen.
  Kaum hab' ich Posto hier gefaßt,
  Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast.
  Doch diesmal ist er von den Neusten,
  Er wird sich grenzenlos erdreusten.

  BACCALAUREUS:
  Tor und Türe find' ich offen!
  Nun, da läßt sich endlich hoffen,
  Daß nicht, wie bisher, im Moder
  Der Lebendige wie ein Toter
  Sich verkümmere, sich verderbe
  Und am Leben selber sterbe.
  Diese Mauern, diese Wände
  Neigen, senken sich zum Ende,
  Und wenn wir nicht bald entweichen,
  Wird uns Fall und Sturz erreichen.
  Bin verwegen, wie nicht einer,
  Aber weiter bringt mich keiner.
  Doch was soll ich heut erfahren!
  War's nicht hier, vor so viel Jahren,
  Wo ich, ängstlich und beklommen,
  War als guter Fuchs gekommen?
  Wo ich diesen Bärtigen traute,
  Mich an ihrem Schnack erbaute?
  Aus den alten Bücherkrusten
  Logen sie mir, was sie wußten,
  Was sie wußten, selbst nicht glaubten,
  Sich und mir das Leben raubten.
  Wie?—Dort hinten in der Zelle
  Sitzt noch einer dunkel-helle!
  Nahend seh' ich's mit Erstaunen,
  Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,
  Wahrlich, wie ich ihn verließ,
  Noch gehüllt im rauhen Vlies!
  Damals schien er zwar gewandt,
  Als ich ihn noch nicht verstand.
  Heute wird es nichts verfangen,
  Frisch an ihn herangegangen!
  Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluten
  Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen,
  Seht anerkennend hier den Schüler kommen,
  Entwachsen akademischen Ruten.
  Ich find' Euch noch, wie ich Euch sah;
  Ein anderer bin ich wieder da.

  MEPHISTOPHELES:
  Mich freut, daß ich Euch hergeläutet.
  Ich schätzt' Euch damals nicht gering;
  Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
  Den künftigen bunten Schmetterling.
  Am Lockenkopf und Spitzenkragen
  Empfandet Ihr ein kindliches Behagen.—
  Ihr trugt wohl niemals einen Zopf?—
  Heut schau' ich Euch im Schwedenkopf.
  Ganz resolut und wacker seht Ihr aus;
  Kommt nur nicht absolut nach Haus.

  BACCALAUREUS:
  Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;
  Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf
  Und sparet doppelsinnige Worte;
  Wir passen nun ganz anders auf.
  Ihr hänseltet den guten treuen Jungen;
  Das ist Euch ohne Kunst gelungen,
  Was heutzutage niemand wagt.

  MEPHISTOPHELES:
  Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,
  Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,
  Sie aber hinterdrein nach Jahren
  Das alles derb an eigner Haut erfahren,
  Dann dünkeln sie, es käm' aus eignem Schopf;
  Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.

  BACCALAUREUS:
  Ein Schelm vielleicht!—denn welcher Lehrer spricht
  Die Wahrheit uns direkt ins Angesicht?
  Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
  Bald ernst, bald heiter klug zu frommen Kindern.

  MEPHISTOPHELES:
  Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
  Zum Lehren seid Ihr, merk' ich, selbst bereit.
  Seit manchen Monden, einigen Sonnen
  Erfahrungsfülle habt Ihr wohl gewonnen.

  BACCALAUREUS:
  Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
  Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
  Gesteht! was man von je gewußt,
  Es ist durchaus nicht wissenswürdig.

  MEPHISTOPHELES:
  Mich deucht es längst. Ich war ein Tor,
  Nun komm' ich mir recht schal und albern vor.

  BACC:
  Das freut mich sehr! Da hör' ich doch Verstand;
  Der erste Greis, den ich vernünftig fand!

  MEPHISTOPHELES:
  Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
  Und schauerliche Kohlen trug ich fort.

  BACCALAUREUS:
  Gesteht nur, Euer Schädel, Eure Glatze
  Ist nicht mehr wert als jene hohlen dort?

  MEPHISTOPHELES:
  Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?

  BACCALAUREUS:
  Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.

  MEPHISTOPHELES:
  Hier oben wird mir Licht und Luft benommen;
  Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen?

  BACCALAUREUS:
  Anmaßlich find' ich, daß zur schlechtsten Frist
  Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist.
  Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo
  Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so?
  Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,
  Das neues Leben sich aus Leben schafft.
  Da regt sich alles, da wird was getan,
  Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran.
  Indessen wir die halbe Welt gewonnen,
  Was habt Ihr denn getan? genickt, gesonnen,
  Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan.
  Gewiß! das Alter ist ein kaltes Fieber
  Im Frost von grillenhafter Not.
  Hat einer dreißig Jahr vorüber,
  So ist er schon so gut wie tot.
  Am besten wär's, euch zeitig totzuschlagen.

  MEPHISTOPHELES:
  Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen.

  BACC:
  Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel sein.

  MEPHISTOPHELES:
  Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein.

  BACCALAUREUS:
  Dies ist der Jugend edelster Beruf!
  Die Welt, sie war nicht, eh' ich sie erschuf;
  Die Sonne führt' ich aus dem Meer herauf;
  Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf;
  Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen,
  Die Erde grünte, blühte mir entgegen.
  Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,
  Entfaltete sich aller Sterne Pracht.
  Wer, außer mir, entband euch aller Schranken
  Philisterhaft einklemmender Gedanken?
  Ich aber frei, wie mir's im Geiste spricht,
  Verfolge froh mein innerliches Licht,
  Und wandle rasch, im eigensten Entzücken,
  Das Helle vor mir, Finsternis im Rücken.

  MEPHISTOPHELES:
  Original, fahr hin in deiner Pracht!—
  Wie würde dich die Einsicht kränken:
  Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken,
  Das nicht die Vorwelt schon gedacht?—
  Doch sind wir auch mit diesem nicht gefährdet,
  In wenig Jahren wird es anders sein:
  Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
  Es gibt zuletzt doch noch e' Wein.
  [Ihr bleibt bei meinem Worte kalt,
  [Euch guten Kindern laß ich's gehen;
  Bedenkt: der Teufel, der ist alt,
  So werdet alt, ihn zu verstehen!

Laboratorium

  WAGNER:
  Die Glocke tönt, die fürchterliche,
  Durchschauert die berußten Mauern.
  Nicht länger kann das Ungewisse
  Der ernstesten Erwartung dauern.
  Schon hellen sich die Finsternisse;
  Schon in der innersten Phiole
  Erglüht es wie lebendige Kohle,
  Ja wie der herrlichste Karfunkel,
  Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.
  Ein helles weißes Licht erscheint!
  O daß ich's diesmal nicht verliere!—
  Ach Gott! was rasselt an der Türe?

  MEPHISTOPHELES:
  Willkommen! es ist gut gemeint.

  WAGNER:
  Willkommen zu dem Stern der Stunde!
  Doch haltet Wort und Atem fest im Munde,
  Ein herrlich Werk ist gleich zustand gebracht.

  MEPHISTOPHELES:
  Was gibt es denn? +

  WAGNER:
  Es wird ein Mensch gemacht.

  MEPHISTOPHELES:
  Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
  Habt ihr ins Rauchloch eingeschlossen?

  WAGNER:
  Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war,
  Erklären wir für eitel Possen.
  Der zarte Punkt, aus dem das Leben sprang,
  Die holde Kraft, die aus dem Innern drang
  Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
  Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
  Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
  Wenn sich das Tier noch weiter dran ergetzt,
  So muß der Mensch mit seinen großen Gaben
  Doch künftig höhern, höhern Ursprung haben.
  Es leuchtet! seht!—Nun läßt sich wirklich hoffen,
  Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen
  Durch Mischung—denn auf Mischung kommt es an—
  Den Menschenstoff gemächlich komponieren,
  In einen Kolben verlutieren
  Und ihn gehörig kohobieren,
  So ist das Werk im stillen abgetan.
  Es wird! die Masse regt sich klarer!
  Die überzeugung wahrer, wahrer:
  Was man an der Natur Geheimnisvolles pries,
  Das wagen wir verständig zu probieren,
  Und was sie sonst organisieren ließ,
  Das lassen wir kristallisieren.

  MEPHISTOPHELES:
  Wer lange lebt, hat viel erfahren,
  [Nichts Neues kann für ihn auf dieser Welt geschehn.
  Ich habe schon in meinen Wanderjahren
  Kristallisiertes Menschenvolk gesehn.

  WAGNER:
  Es steigt, es blitzt, es häuft sich an,
  Im Augenblick ist es getan.
  Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll;
  Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen,
  Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
  Wird künftig auch ein Denker machen.
  Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
  Es trübt, es klärt sich; also muß es werden!
  Ich seh' in zierlicher Gestalt
  Ein artig Männlein sich gebärden.
  Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
  Denn das Geheimnis liegt am Tage.
  Gebt diesem Laute nur Gehör,
  Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.

  HOMUNCULUS:
  Nun Väterchen! wie steht's? es war kein Scherz.
  Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz!
  Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe.
  Das ist die Eigenschaft der Dinge:
  Natürlichem genügt das Weltall kaum,
  Was künstlich ist, verlangt geschloßnen Raum.
  Du aber, Schalk, Herr Vetter, bist du hier
  Im rechten Augenblick? ich danke dir.
  Ein gut Geschick führt dich zu uns herein;
  Dieweil ich bin, muß ich auch tätig sein.
  Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen.
  Du bist gewandt, die Wege mir zu kürzen.

  WAGNER:
  Nur noch ein Wort! Bisher mußt' ich mich schämen,
  Denn alt und jung bestürmt mich mit Problemen.
  Zum Beispiel nur: noch niemand konnt' es fassen,
  Wie Seel' und Leib so schön zusammenpassen,
  So fest sich halten, als um nie zu scheiden,
  Und doch den Tag sich immerfort verleiden.
  Sodann—+

  MEPHISTOPHELES:
  Halt ein! ich wollte lieber fragen:
  Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
  Du kommst, mein Freund, hierüber nie ins reine.
  Hier gibt's zu tun, das eben will der Kleine.

  HOMUNCULUS:
  Was gibt's zu tun? +

  MEPHISTOPHELES:
  Hier zeige deine Gabe!

  WAGNER:
  Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe!

  HOMUNCULUS:
  Bedeutend!—+
  Schön umgeben!—Klar Gewässer
  Im dichten Haine! Fraun, die sich entkleiden,
  Die allerliebsten!—Das wird immer besser.
  Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden,
  Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme.
  Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
  Des edlen Körpers holde Lebensflamme
  Kühlt sich im schmiegsamen Kristall der Welle.—
  Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
  Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
  Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
  Die Königin, sie blickt gelassen drein
  Und sieht mit stolzem weiblichem Vergnügen
  Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
  Zudringlich-zahm. Er scheint sich zu gewöhnen.—
  Auf einmal aber steigt ein Dunst empor
  Und deckt mit dichtgewebtem Flor
  Die lieblichste von allen Szenen.

  MEPHISTOPHELES:
  Was du nicht alles zu erzählen hast!
  So klein du bist, so groß bist du Phantast.
  Ich sehe nichts—+

  HOMUNCULUS:
  Das glaub' ich. Du aus Norden,
  Im Nebelalter jung geworden,
  Im Wust von Rittertum und Pfäfferei,
  Wo wäre da dein Auge frei!
  Im Düstern bist du nur zu Hause.
  Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
  Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig!—
  Erwacht uns dieser, gibt es neue Not,
  Er bleibt gleich auf der Stelle tot.
  Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen,
  Das war sein ahnungsvoller Traum;
  Wie wollt' er sich hierher gewöhnen!
  Ich, der Bequemste, duld' es kaum.
  Nun fort mit ihm! +

  MEPHISTOPHELES:
  Der Ausweg soll mich freuen.

  HOMUNCULUS:
  Befiehl den Krieger in die Schlacht,
  Das Mädchen führe du zum Reihen,
  So ist gleich alles abgemacht.
  Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,
  Ist klassische Walpurgisnacht;
  Das Beste, was begegnen könnte.
  Bringt ihn zu seinem Elemente!

  MEPHISTOPHELES:
  Dergleichen hab' ich nie vernommen.

  HOMUNCULUS:
  Wie wollt' es auch zu euren Ohren kommen?
  Romantische Gespenster kennt ihr nur allein;
  Ein echt Gespenst, auch klassisch hat's zu sein.

  MEPHISTOPHELES:
  Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?
  Mich widern schon antikische Kollegen.

  HOMUNCULUS:
  Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier,
  Südöstlich diesmal aber segeln wir—
  An großer Fläche fließt Peneios frei,
  Umbuscht, umbaumt, in still—und feuchten Buchten;
  Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten,
  Und oben liegt Pharsalus, alt und neu.

  MEPHISTOPHELES:
  O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite
  Von Tyrannei und Sklaverei beiseite.
  Mich langeweilt's; denn kaum ist's abgetan,
  So fangen sie von vorne wieder an;
  Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt
  Vom Asmodeus, der dahinter steckt.
  Sie streiten sich, so heißt's, um Freiheitsrechte;
  Genau besehn, sind's Knechte gegen Knechte.

  HOMUNCULUS:
  Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen,
  Ein jeder muß sich wehren, wie er kann,
  Vom Knaben auf, so wird's zuletzt ein Mann.
  Hier fragt sich's nur, wie dieser kann genesen.
  Hast du ein Mittel, so erprob' es hier,
  Vermagst du's nicht, so überlaß es mir.

  MEPHISTOPHELES:
  Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben,
  Doch Heidenriegel find' ich vorgeschoben.
  Das Griechenvolk, es taugte nie recht viel!
  Doch blendet's euch mit freiem Sinnenspiel,
  Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden;
  Die unsern wird man immer düster finden.
  Und nun, was soll's? +

  HOMUNCULUS:
  Du bist ja sonst nicht blöde;
  Und wenn ich von thessalischen Hexen rede,
  So denk' ich, hab' ich was gesagt.

  MEPHISTOPHELES:
  Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen,
  Nach denen hab' ich lang' gefragt.
  Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen,
  Ich glaube nicht, daß es behagt;
  Doch zum Besuch, Versuch—+

  HOMUNCULUS:
  Den Mantel her,
  Und um den Ritter umgeschlagen!
  Der Lappen wird euch, wie bisher,
  Den einen mit dem andern tragen;
  Ich leuchte vor. +

  WAGNER:
  Und ich? +

  HOMUNCULUS:
  Eh nun,
  Du bleibst zu Hause, Wichtigstes zu tun.
  Entfalte du die alten Pergamente,
  Nach Vorschrift sammle Lebenselemente
  Und füge sie mit Vorsicht eins ans andre.
  Das Was bedenke, mehr bedenke Wie.
  Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre,
  Entdeck' ich wohl das Tüpfchen auf das i.
  Dann ist der große Zweck erreicht;
  Solch einen Lohn verdient ein solches Streben:
  Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben,
  Und Wissenschaft und Tugend—auch vielleicht.
  Leb wohl! +

  WAGNER:
  Leb wohl! Das drückt das Herz mir nieder.
  Ich fürchte schon, ich seh' dich niemals wieder.

  MEPHISTOPHELES:
  Nun zum Peneios frisch hinab!
  Herr Vetter ist nicht zu verachten.
  Am Ende hängen wir doch ab
  Von Kreaturen, die wir machten.

Klassische Walpurgisnacht. Pharsalische Felder

  ERICHTHO:
  Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon,
  Tret' ich einher, Erichtho, ich, die düstere;
  Nicht so abscheulich, wie die leidigen Dichter mich
  Im übermaß verlästern… Endigen sie doch nie
  In Lob und Tadel… überbleicht erscheint mir schon
  Von grauer Zelten Woge weit das Tal dahin,
  Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.
  Wie oft schon wiederholt' sich's! wird sich immerfort
  Ins Ewige wiederholen… Keiner gönnt das Reich
  Dem andern; dem gönnt's keiner, der's mit Kraft erwarb
  Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst
  Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
  Des Nachbars Willen, eignem stolzem Sinn gemäß…
  Hier aber ward ein großes Beispiel durchgekämpft:
  Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt,
  Der Freiheit holder, tausendblumiger Kranz zerreißt,
  Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt.
  Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag,
  Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort!
  Das wird sich messen. Weiß die Welt doch, wem's gelang.
  Wachfeuer glühen, rote Flammen spendende,
  Der Boden haucht vergoßnen Blutes Widerschein,
  Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
  Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
  Um alle Feuer schwankt unsicher oder sitzt
  Behaglich alter Tage fabelhaft Gebild…
  Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell,
  Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
  Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
  Doch über mir! welch unerwartet Meteor?
  Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball.
  Ich wittre Leben. Da geziemen will mir's nicht,
  Lebendigem zu nahen, dem ich schädlich bin;
  Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht.
  Schon sinkt es nieder. Weich' ich aus mit Wohlbedacht!

  HOMUNCULUS:
  Schwebe noch einmal die Runde
  über Flamm- und Schaudergrauen;
  Ist es doch in Tal und Grunde
  Gar gespenstisch anzuschauen.

  MEPHISTOPHELES:
  Seh' ich, wie durchs alte Fenster
  In des Nordens Wust und Graus,
  Ganz abscheuliche Gespenster,
  Bin ich hier wie dort zu Haus.

  HOMUNCULUS:
  Sieh! da schreitet eine Lange
  Weiten Schrittes vor uns hin.

  MEPHISTOPHELES:
  Ist es doch, als wär' ihr bange;
  Sah uns durch die Lüfte ziehn.

  HOMUNCULUS:
  Laß sie schreiten! setz ihn nieder,
  Deinen Ritter, und sogleich
  Kehret ihm das Leben wieder,
  Denn er sucht's im Fabelreich.

  FAUST:
  Wo ist sie?—+

  HOMUNCULUS:
  Wüßten's nicht zu sagen,
  Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.
  In Eile magst du, eh' es tagt,
  Von Flamm' zu Flamme spürend gehen:
  Wer zu den Müttern sich gewagt,
  Hat weiter nichts zu überstehen.

  MEPHISTOPHELES:
  Auch ich bin hier an meinem Teil;
  Doch wüßt' ich Besseres nicht zu unserm Heil,
  Als: jeder möge durch die Feuer
  Versuchen sich sein eigen Abenteuer.
  Dann, um uns wieder zu vereinen,
  Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen.

  HOMUNCULUS:
  So soll es blitzen, soll es klingen.
  Nun frisch zu neuen Wunderdingen!

  FAUST:
  Wo ist sie?—Frage jetzt nicht weiter nach…
  Wär's nicht die Scholle, die sie trug,
  Die Welle nicht, die ihr entgegenschlug,
  So ist's die Luft, die ihre Sprache sprach.
  Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!
  Ich fühlte gleich den Boden, wo ich stand;
  Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte,
  So steh' ich, ein Antäus an Gemüte.
  Und find' ich hier das Seltsamste beisammen,
  Durchforsch' ich ernst dies Labyrinth der Flammen.

Am oberen Peneios

  MEPHISTOPHELES:
  Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,
  So find' ich mich doch ganz und gar entfremdet,
  Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
  Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
  Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
  Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt…
  Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,
  Doch das Antike find' ich zu lebendig;
  Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
  Und mannigfaltig modisch überkleistern…
  Ein widrig Volk! Doch darf mich's nicht verdrießen,
  Als neuer Gast anständig sie zu grüßen…
  Glüchzu den schönen Fraun, den klugen Greisen!

  GREIF:
  Nicht Greisen! Greifen!—Niemand hört es gern,
  Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
  Der Ursprung nach, wo es sich her bedingt:
  Grau, grämlich, griesgram, greulich, Gräber, grimmig,
  Etymologisch gleicherweise stimmig, +
  Verstimmen uns.

  MEPHISTOPHELES:
  Und doch, nicht abzuschweifen,
  Gefäallt das Grei im Ehrentitel Greifen.

  GREIF:
  Natürlich! Die Verwandtschaft ist erprobt,
  Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt;
  Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold,
  Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.

  AMEISEN:
  Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,
  In Fels- und Höhlen heimlich eingerammelt;
  Das Arimaspen-Volk hat's ausgespürt,
  Sie lachen dort, wie weit sie's weggeführt.

  GREIFE:
  Wir wollen sie schon zum Geständnis bringen.

  ARIMASPEN:
  Nur nicht zur freien Jubelnacht.
  Bis morgen ist's alles durchgebracht,
  Es wird uns diesmal wohl gelingen.

  MEPHISTOPHELES:
  Wie leicht und gern ich mich hierher gewöhne,
  Denn ich verstehe Mann für Mann.

  SPHINX:
  Wir hauchen unsre Geistertöne,
  Und ihr verkörpert sie alsdann.
  Jetzt nenne dich, bis wir dich weiter kennen.

  MEPHISTOPHELES:
  Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen—
  Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel,
  Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen,
  Gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen;
  Das wäre hier für sie ein würdig Ziel.
  Sie zeugten auch: Im alten Bühnenspiel
  Sah man mich dort als old Iniquity.

  SPINX:
  Wie kam man drauf? +

  MEPHISTOPHELES:
  Ich weiß es selbst nicht wie.

  SPINX:
  Mag sein! Hast du von Sternen einige Kunde?
  Was sagst du zu der gegenwärt'gen Stunde?

  MEPHISTOPHELES:
  Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle,
  Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,
  Ich wärme mich an deinem Löwenfelle.
  Hinauf sich zu versteigen, wär' zum Schaden;
  Gib Rätsel auf, gib allenfalls Scharaden.

  SPINX:
  Sprich nur dich selbst aus, wird schon Rätsel sein.
  Versuch einmal, dich innigst aufzulösen:
  "Dem frommen Manne nötig wie dem bösen,
  Dem ein Plastron, aszetisch zu rapieren,
  Kumpan dem andern, Tolles zu vollführen,
  Und beides nur, um Zeus zu amüsieren."

  ERSTER GREIF:
  Den mag ich nicht! +

  ZWEITER GREIF:
  Was will uns der?

  BEIDE:
  Der Garstige gehöret nicht hierher!

  MEPHISTOPHELES:
  Du glaubst vielleicht, des Gastes Nägel krauen
  Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen?
  Versuch's einmal! +

  SPINX:
  Du magst nur immer bleiben,
  Wird dich's doch selbst aus unsrer Mitte treiben;
  In deinem Lande tust dir was zugute,
  Doch, irr' ich nicht, hier ist dir schlecht zumute.

  MEPHISTOPHELES:
  Du bist recht appetitlich oben anzuschauen,
  Doch unten hin die Bestie macht mir Grauen.

  SPINX:
  Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße,
  Denn unsre Tatzen sind gesund;
  Dir mit verschrumpftem Pferdefuße
  Behagt es nicht in unserem Bund.

  MEPHISTOPHELES:
  Wer sind die Vögel, in den ästen
  Des Pappelstromes hingewiegt?

  SPINX:
  Gewahrt euch nur! Die Allerbesten
  Hat solch ein Singsang schon besiegt.

  SIRENEN:
  Ach was wollt ihr euch verwöhnen
  In dem Häßlich-Wunderbaren!
  Horcht, wir kommen hier zu Scharen
  Und in wohlgestimmten Tönen;
  So geziemet es Sirenen.

  SPINXE:
  Nötigt sie, herabzusteigen!
  Sie verbergen in den Zweigen
  Ihre garstigen Habichtskrallen,
  Euch verderblich anzufallen,
  Wenn ihr euer Ohr verleiht.

  SIRENEN:
  Weg das Hassen! weg das Neiden!
  Sammeln wir die klarsten Freuden,
  Unterm Himmel ausgestreut!
  Auf dem Wasser, auf der Erde
  Sei's die heiterste Gebärde,
  Die man dem Willkommnen beut.

  MEPHISTOPHELES:
  Das sind die saubern Neuigkeiten,
  Wo aus der Kehle, von den Saiten
  Ein Ton sich um den andern flicht.
  Das Trallern ist bei mir verloren:
  Es krabbelt wohl mir um die Ohren,
  Allein zum Herzen dringt es nicht.

  SPINXE:
  Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel;
  Ein lederner verschrumpfter Beutel,
  Das paßt dir eher zu Gesicht.

  FAUST:
  Wie wunderbar! das Anschaun tut mir Gnüge,
  Im Widerwärtigen große, tüchtige Züge.
  Ich ahne schon ein günstiges Geschick;
  Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?
  Vor solchen hat einst ödipus gestanden;
  Vor solchen krümmte sich Ulyß in hänfnen Banden;
  Von solchen ward der höchste Schatz gespart,
  Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.
  Vom frischen Geiste fühl' ich mich durchdrungen;
  Gestalten groß, groß die Erinnerungen.

  MEPHISTOPHELES:
  Sonst hättest du dergleichen weggeflucht,
  Doch jetzo scheint es dir zu frommen;
  Denn wo man die Geliebte sucht,
  Sind Ungeheuer selbst willkommen.

  FAUST:
  Ihr Frauenbilder müßt mir Rede stehn:
  Hat eins der Euren Helena gesehn?

  SPHINXE:
  Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen,
  Die letztesten hat Herkules erschlagen.
  Von Chiron könntest du's erfragen;
  Der sprengt herum in dieser Geisternacht;
  Wenn er dir steht, so hast du's weit gebracht.

  SIRENEN:
  Sollte dir's doch auch nicht fehlen!…
  Wie Ulyß bei uns verweilte,
  Schmähend nicht vorübereilte,
  Wußt' er vieles zu erzählen;
  Würden alles dir vertrauen,
  Wolltest du zu unsern Gauen
  Dich ans grüne Meer verfügen.

  SPHINX:
  Laß dich, Elder, nicht betrügen.
  Statt daß Ulyß sich binden ließ,
  Laß unsern guten Rat dich binden;
  Kannst du den hohen Chiron finden,
  Erfährst du, was ich dir verhieß.

  MEPHISTOPHELES:
  Was krächzt vorbei mit Flügelschlag?
  So schnell, daß man's nicht sehen mag,
  Und immer eins dem andern nach,
  Den Jäger würden sie ermüden.

  SPHINX:
  Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,
  Alcides' Pfeilen kaum erreichbar;
  Es sind die raschen Stymphaliden,
  Und wohlgemeint ihr Krächzegruß,
  Mit Geierschnabel und Gänsefuß.
  Sie möchten gern in unsern Kreisen
  Als Stammverwandte sich erweisen.

  MEPHISTOPHELES:
  Noch andres Zeug zischt zwischen drein.

  SPHINX:
  Vor diesen sei Euch ja nicht bange!
  Es sind die Köpfe der lernäischen Schlange,
  Vom Rumpf getrennt, und glauben was zu sein.
  Doch sagt, was soll nur aus Euch werden?
  Was für unruhige Gebärden?
  Wo wollt Ihr hin? Begebt Euch fort!…
  Ich sehe, jener Chorus dort
  Macht Euch zum Wendehals. Bezwingt Euch nicht,
  Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht!
  Die Lamien sind's, lustfeine Dirnen,
  Mit Lächelmund und frechen Stirnen,
  Wie sie dem Satyrvolk behagen;
  Ein Bocksfuß darf dort alles wagen.

  MEPHISTOPHELES:
  Ihr bleibt doch hier? daß ich euch wiederfinde.

  SPHINXE:
  Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde.
  Wir, von ägypten her, sind längst gewohnt,
  Daß unsereins in tausend Jahre thront.
  Und respektiert nur unsre Lage,
  So regeln wir die Mond- und Sonnentage.
  Sitzen vor den Pyramiden,
  Zu der Völker Hochgericht;
  überschwemmung, Krieg und Frieden—
  Und verziehen kein Gesicht.

Am untern Peneios

  PENEIOS:
  Rege dich, du Schilfgeflüster!
  Hauche leise, Rohregeschwister,
  Säuselt, leichte Weidensträuche,
  Lispelt, Pappelzitterzweige,
  Unterbrochnen Träumen zu!…
  Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
  Heimlich allbewegend Zittern
  Aus dem Wallestrom und Ruh'.

  FAUST:
  Hör' ich recht, so muß ich glauben:
  Hinter den verschränkten Lauben
  Dieser Zweige, dieser Stauden
  Tönt ein menschenähnlichs Lauten.
  Scheint die Welle doch ein Schwätzen,
  Lüftein wie—ein Scherzergetzen.

  NYMPHEN:
  Am besten geschäh' dir,
  Du legtest dich nieder,
  Erholtest im Kühlen
  Ermüdete Glieder,
  Genössest der immer
  Dich meidenden Ruh;
  Wir säuseln, wir rieseln,
  Wir flüstern dir zu.

  FAUST:
  Ich wache ja! O laßt sie walten,
  Die unvergleichlichen Gestalten,
  Wie sie dorthin mein Auge schickt.
  So wunderbar bin ich durchdrungen!
  Sind'd Träume? Sind's Erinnerungen?
  Schon einmal warst du so beglückt.
  Gewässer schleichen durch die Frische
  Der dichten, sanft bewegten Büsche,
  Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
  Von allen Seiten hundert Quellen
  Vereinen sich im reinlich hellen,
  Zum Bade flach vertieften Raum.
  Gesunde junge Frauenglieder,
  Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
  Ergetztem Auge zugebracht!
  Gesellig dann und fröhlich badend,
  Erdreistet schwimmend, furchtsam watend;
  Geschrei zuletzt und Wasserschlacht.
  Begnügen sollt' ich mich an diesen,
  Mein Auge sollte hier genießen,
  Doch immer weiter strebt mein Sinn.
  Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
  Das reiche Laub der grünen Fülle
  Verbirgt die hohe Königin.
  Wundersam! auch Schwäne kommen
  Aus den Buchten hergeschwommen,
  Majestätisch rein bewegt.
  Ruhig schwebend, zart gesellig,
  Aber stolz und selbstgefällig,
  Wie sich Haupt und Schnabel regt…
  Einer aber scheint vor allen
  Brüstend kühn sich zu gefallen,
  Segelnd rasch durch alle fort;
  Sein Gefieder bläht sich schwellend,
  Welle selbst, auf Wogen wellend,
  Dringt er zu dem heiligen Ort….
  Die andern schwimmen hin und wider
  Mit ruhig glänzendem Gefieder,
  Bald auch in regem prächtigen Streit,
  Die scheuen Mädchen abzulenken,
  Daß sie an ihren Dienst nicht denken,
  Nur an die eigne Sicherheit.

  NYMPHEN:
  Leget, Schwestern, euer Ohr
  An des Ufers grüne Stufe;
  Hör' ich recht, so kommt mir's vor
  Als der Schall von Pferdes Hufe.
  Wüßt' ich nur, wer dieser Nacht
  Schnelle Botschaft zugebracht.

  FAUST:
  Ist mir doch, als dröhnt' die Erde,
  Schallend unter eiligem Pferde.
  Dorthin mein Blick!
  Ein günstiges Geschick,
  Soll es mich schon erreichen?
  O Wunder ohnegleichen!
  Ein Reuter kommt herangetrabt,
  Er scheint von Geist und Mut begabt,
  Von blendend-weißem Pferd getragen…
  Ich irre nicht, ich kenn' ihn schon,
  Der Philyra berühmter Sohn!—
  Halt, Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen…

  CHIRON:
  Was gibt's? Was ist's? +

  FAUST:
  Bezähme deinen Schritt!

  CHIRON:
  Ich raste nicht. +

  FAUST:
  So bitte! nimm mich mit!

  CHIRON:
  Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen:
  Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
  Ich bin bereit, dich durch den Fluß zu tragen.

  FAUST:
  Wohin du willst. Für ewig dank' ich's dir…
  Der große Mann, der edle Pädagog,
  Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog,
  Den schönen Kreis der edlen Argonauten
  Und alle, die des Dichters Welt erbauten.

  CHIRON:
  Das lassen wir an seinem Ort!
  Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
  Am Ende treiben sie's nach ihrer Weise fort,
  Als wenn sie nicht erzogen wären.

  FAUST:
  Den Arzt, der jede Pflanze nennt,
  Die Wurzeln bis ins tiefste kennt,
  Dem Kranken Heil, dem Wunden Linderung schafft,
  Umarm' ich hier in Geist- und Körperkraft!

  CHIRON:
  Ward neben mir ein Held verletzt,
  Da wußt' ich Hülf' und Rat zu schaffen;
  Doch ließ ich meine Kunst zuletzt
  Den Wurzelweibern und den Pfaffen.

  FAUST:
  Du bist der wahre große Mann,
  Der Lobeswort nicht hören kann.
  Er sucht bescheiden auszuweichen
  Und tut, als gäb' es seinesgleichen.

  CHIRON:
  Du scheinest mir geschickt zu heucheln,
  Dem Fürsten wie dem Volk zu schmeicheln.

  FAUST:
  So wirst du mir denn doch gestehn:
  Du hast die Größten deiner Zeit gesehn,
  Dem Edelsten in Taten nachgestrebt,
  Halbgöttlich ernst die Tage durchgelebt.
  Doch unter den heroischen Gestalten
  Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?

  CHIRON:
  Im hehren Argonautenkreise
  War jeder brav nach seiner eignen Weise,
  Und nach der Kraft, die ihn beseelte,
  Konnt' er genügen, wo's den andern fehlte.
  Die Dioskuren haben stets gesiegt,
  Wo Jugendfüll' und Schönheit überwiegt.
  Entschluß und schnelle Tat zu andrer Heil,
  Den Boreaden ward's zum schönsten Teil.
  Nachsinnend, kräftig, klug, im Rat bequem,
  So herrschte Jason, Frauen angenehm.
  Dann Orpheus: zart und immer still bedächtig,
  Schlug er die Leier allen übermächtig.
  Scharfsichtig Lynceus, der bei Tag und Nacht
  Das heil'ge Schiff durch Klipp' und Strand gebracht…
  Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
  Wenn einer wirkt, die andern alle loben…

  FAUST:
  Von Herkules willst nichts erwähnen?

  CHIRON:
  O weh! errege nicht mein Sehnen…
  Ich hatte Phöbus nie gesehn,
  Noch Ares, Hermes, wie sie heißen;
  Da sah ich mir vor Augen stehn,
  Was alle Menschen göttlich preisen.
  So war er ein geborner König,
  Als Jüngling herrlichst anzuschaun;
  Dem ältern Bruder untertänig
  Und auch den allerliebsten Fraun.
  Den zweiten zeugt nicht Gäa wieder,
  Nicht führt ihn Hebe himmelein;
  Vergebens mühen sich die Lieder,
  Vergebens quälen sie den Stein.

  FAUST:
  So sehr auch Bildner auf ihn pochen,
  So herrlich kam er nie zur Schau.
  Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
  Nun sprich auch von der schönsten Frau!

  CHIRON:
  Was!… Frauenschönheit will nichts heißen,
  Ist gar zu oft ein starres Bild;
  Nur solch ein Wesen kann ich preisen,
  Das froh und lebenslustig quillt.
  Die Schöne bleibt sich selber selig;
  Die Anmut macht unwiderstehlich,
  Wie Helena, da ich sie trug.

  FAUST:
  Du trugst sie? +

  CHIRON:
  Ja, auf diesem Rücken.

  FAUST:
  Bin ich nicht schon verwirrt genug?
  Und solch ein Sitz muß mich beglücken!

  CHIRON:
  Sie faßte so mich in das Haar,
  Wie du es tust. +

  FAUST:
  O ganz und gar
  Verlier' ich mich! Erzähle, wie?
  Sie ist mein einziges Begehren!
  Woher, wohin, ach, trugst du sie?

  CHIRON:
  Die Frage läßt sich leicht gewähren.
  Die Dioskuren hatten jener Zeit
  Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit.
  Doch diese, nicht gewohnt, besiegt zu sein,
  Ermannten sich urd stürmten hintendrein.
  Da hielten der Geschwister eiligen Lauf
  Die Sümpfe bei Eleusis auf;
  Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
  Da sprang sie ab und streichelte
  Die feuchte Mähne, schmeichelte
  Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.
  Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!

  FAUST:
  Erst zehen Jahr!… +

  CHIRON:
  Ich seh', die Philologen,
  Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
  Ganz eigen ist's mit mythologischer Frau,
  Der Dichter bringt sie, wie er's braucht, zur Schau:
  Nie wird sie mündig, wird nicht alt,
  Stets appetitlicher Gestalt,
  Wird jung entführt, im Alter noch umfreit;
  Gnug, den Poeten bindet keine Zeit.

  FAUST:
  So sei auch sie durch keine Zeit gebunden!
  Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden,
  Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück:
  Errungen Liebe gegen das Geschick!
  Und sollt' ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
  Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt?
  Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
  So groß als zart, so hehr als liebenswürdig?
  Du sahst sie einst; heut hab' ich sie gesehn,
  So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
  Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen;
  Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.

  CHIRON:
  Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt;
  Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
  Nun trifft sich's hier zu deinem Glücke;
  Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
  Pfleg' ich bei Manto vorzutreten,
  Der Tochter äskulaps; im stillen Beten
  Fleht sie zum Vater, daß, zu seiner Ehre,
  Er endlich doch der ärzte Sinn verkläre
  Und vom verwegnen Totschlag sie bekehre…
  Die liebste mir aus der Sibyllengilde,
  Nicht fratzenhaft bewegt, wohltätig milde;
  Ihr glückt es wohl, bei einigem Verweilen,
  Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.

  FAUST:
  Geheilt will ich nicht sein, mein Sinn ist mächtig;
  Da wär' ich ja wie andre niederträchtig.

  CHIRON:
  Versäume nicht das Heil der edlen Quelle!
  Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.

  FAUST:
  Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
  Durch Kiesgewässer mich ans Land gebracht?

  CHIRON:
  Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,
  Peneios rechts, links den Olymp zur Seite,
  Das größte Reich, das sich im Sand verliert;
  Der König flieht, der Bürger triumphiert.
  Blick auf! hier steht, bedeutend nah,
  Im Mondenschein der ewige Tempel da.

  MANTO:
  Von Pferdes Hufe
  Erklingt die heilige Stufe,
  Halbgötter treten heran.

  CHIRON:
  Ganz recht!
  Nur die Augen aufgetan!

  MANTO:
  Willkommen! ich seh', du bleibst nicht aus.

  CHIRON:
  Steht dir doch auch dein Tempelhaus!

  MANTO:
  Streiftst du noch immer unermüdet?

  CHIRON:
  Wohnst du doch immer still umfriedet,
  Indes zu kreisen mich erfreut.

  MANTO:
  Ich harre, mich umkreist die Zeit.
  Und dieser? +

  CHIRON:
  Die verrufene Nacht
  Hat strudelnd ihn hierher gebracht.
  Helenen, mit verrückten Sinnen,
  Helenen will er sich gewinnen
  Und weiß nicht, wie und wo beginnen;
  Asklepischer Kur vor andern wert.

  MANTO:
  Den lieb' ich, der Unmögliches begehrt.

  MANTO:
  Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!
  Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.
  In des Olympus hohlem Fuß
  Lauscht sie geheim verbotnem Gruß.
  Hier hab' ich einst den Orpheus eingeschwärzt;
  Benutz es besser! frisch! beherzt!

Am obern Peneios

  SIRENEN:
  Stürzt euch in Peneios' Flut!
  Plätschernd ziemt es da zu schwimmen,
  Lied um Lieder anzustimmen,
  Dem unseligen Volk zugut.
  Ohne Wasser ist kein Heil!
  Führen wir mit hellem Heere
  Eilig zum ägäischen Meere,
  Würd' uns jede Lust zuteil.

  SIRENEN:
  Schäumend kehrt die Welle wieder,
  Fließt nicht mehr im Bett darnieder;
  Grund erbebt, das Wasser staucht,
  Kies und Ufer berstend raucht.
  Flüchten wir! Kommt alle, kommt!
  Niemand, dem das Wunder frommt.
  Fort! ihr edlen frohen Gäste,
  Zu dem seeisch heitern Feste,
  Blinkend, wo die Zitterwellen,
  Ufernetzend, leise schwellen;
  Da, wo Luna doppelt leuchtet,
  Uns mit heil'gem Tau befeuchtet.
  Dort ein freibewegtes Leben,
  Hier ein ängstlich Erdebeben;
  Eile jeder Kluge fort!
  Schauderhaft ist's um den Ort.

  SEISMOS:
  Einmal noch mit Kraft geschoben,
  Mit den Schultern brav gehoben!
  So gelangen wir nach oben,
  Wo uns alles weichen muß.

  SPHINXE:
  Welch ein widerwärtig Zittern,
  Häßlich grausenhaftes Wittern!
  Welch ein Schwanken, welches Beben,
  Schaukelnd Hin- und Widerstreben!
  Welch unleidlicher Verdruß!
  Doch wir ändern nicht die Stelle,
  Bräche los die ganze Hölle.
  Nun erhebt sich ein Gewölbe
  Wundersam.