Gott segne die Frauen! Sie thun nie etwas halb. Sie sind immer in vollem Ernste.
Sie war hübsch, sehr hübsch. Sie hatte ein liebliches, schelmisches Gesicht; einen frischen kleinen Mund, der zum Küssen geschaffen schien – wie er es ohne Zweifel auch war; alle Arten lieber kleiner Grübchen um das Kinn, welche ineinander flossen, wenn sie lachte; und das sonnenhellste Paar Augen, welches je erblickt wurde. Ja, sie war reizend, liebenswürdig, hinreißend.
»Es ist ein komischer alter Kerl,« sagte Scrooges Neffe, »das ist wahr; und nicht so angenehm, wie er sein könnte, doch seine Fehler bestrafen sich selbst und ich habe ihn nicht zu tadeln.«
»Er muß sehr reich sein, Fritz,« meinte Scrooges Nichte. »Wenigstens sagst du es immer.«
»Was geht das uns an, Liebe!« sagte Scrooges Neffe. »Sein Reichtum nützt ihm nichts. Er thut nichts Gutes damit. Er macht sich nicht einmal selbst das Leben damit angenehm. Er hat nicht das Vergnügen, zu denken – hahaha – daß er uns am Ende damit eine Freude machen wird.«
»Ich habe keine Geduld mit ihm,« bemerkte Scrooges Nichte. Die Schwester von Scrooges Nichte und all die anderen Damen waren derselben Meinung.
»O, ich habe Geduld,« sagte Scrooges Neffe. »Mir thut er leid; ich könnte nicht bös auf ihn werden, selbst wenn ich's versuchte. Wer leidet unter seiner bösen Laune? Er selber, weiter niemand. Jetzt hat er sich in den Kopf gesetzt, uns nicht leiden zu können und will nicht unsere Einladung zum Mittagsessen annehmen. Was ist die Folge davon? Er verliert nicht viel an unserm Essen.«
»Nun, ich meine, er verliert ein sehr gutes Essen,« unterbrach ihn Scrooges Nichte. Die anderen sagten dasselbe und man konnte ihnen die Kompetenz nicht bestreiten, weil sie eben zu essen aufgehört hatten und jetzt bei dem Dessert bei Lampenlicht um den Kamin saßen.
»Nun, es freut mich, das zu hören,« sagte Scrooges Neffe, »weil ich kein großes Vertrauen in diese jungen Hausfrauen habe. Was sagen Sie dazu, Topper?«
Ganz klärlich war's, Topper hatte ein Auge auf eine der Schwestern von Scrooges Nichte geworfen, denn er antwortete, ein Hagestolz sei ein unglücklicher, heimatloser Mensch, der kein Recht habe, eine Meinung über diesen Gegenstand auszusprechen; bei welchen Worten die Schwester von Scrooges Nichte – die Dicke mit dem Spitzenkragen, nicht die mit der Rose im Haar – rot wurde.
»Weiter, weiter, Fritz!« sagte Scrooges Nichte, in die Hände klatschend. »Er bringt nie zu Ende, was er angefangen hat! Er ist ein so närrischer Kerl.«
Scrooges Neffe schwelgte in einem andern Gelächter, und es war unmöglich, sich von der Ansteckung fern zu halten, obgleich die dicke Schwester es sogar mit quatre voleurs versuchte: sein Beispiel wurde einstimmig nachgeahmt.
»Ich wollte nur sagen,« sagte Scrooges Neffe, »daß die Folge seines Mißfallens an uns und seiner Weigerung, mit uns fröhlich zu sein, die ist, daß er einige angenehme Augenblicke verliert, welche ihm nicht schaden würden. Gewiß verliert er angenehmere Unterhaltung, als ihm seine eigenen Gedanken in seinem dumpfigen alten Comptoir oder in seiner Wohnung geben. Ich denke ihm jedes Jahr die Gelegenheit dazu zu geben, ob es ihm nun gefällt oder nicht, denn er dauert mich. Er mag auf Weihnachten schimpfen, bis er stirbt, aber er muß doch endlich besser davon denken, wenn er mich jedes Jahr in guter Laune zu ihm kommen sieht, mit den Worten: Onkel Scrooge, wie befinden Sie sich? Wenn es ihm nur den Gedanken eingiebt, seinem armen Diener fünfzig Pfund zu hinterlassen, so ist das doch wenigstens etwas; und ich glaube, ich packte ihn gestern.«
Es war jetzt an ihnen die Reihe zu lachen, bei dem Gedanken, daß er Scrooge gepackt hätte. Aber da er durch und durch gutmütig war und sich nicht sehr darum kümmerte, über was sie lachten, wenn sie nur überhaupt lachten, so fiel er in ihre Fröhlichkeit ein und ließ die Flasche munter herum gehen.
Nach dem Thee war Musik. Denn sie waren eine musikalische Familie und wußten, was sie thaten, wenn sie einen Glee oder Catch sangen, darauf könnt ihr euch verlassen, vorzüglich Topper, der den Baß brummen konnte nach Noten, ohne daß die großen Adern auf der Stirn anschwollen, oder sein Gesicht rot wurde. Scrooges Nichte spielte die Harfe recht gut; und spielte unter anderen Stücken auch ein kleines Liedchen (ein bloßes Nichts, ihr hättet es in zwei Minuten pfeifen gelernt), welches das Kind, von dem Scrooge aus der Schule geholt worden war, wie ihn der Geist der vergangenen Weihnachten gezeigt hatte, oft gesungen hatte. Als Scrooge dieses Liedchen hörte, trat alles, was ihm der Geist gezeigt hatte, wieder vor seine Seele; er wurde weicher und weicher und dachte, wenn er es vor Jahren oft hätte hören können, so hätte er die gemütlichen Seiten des Lebens genießen können, ohne erst zu des Totengräbers Spaten, der Jakob Marley begraben, seine Zuflucht nehmen zu müssen.
Aber sie widmeten nicht den ganzen Abend der Musik. Nach einer Weile fingen sie Pfänderspiele an, denn es ist gut zuweilen Kind zu sein und vorzüglich zu Weihnachten, als der Gründer dieses Festes selbst ein Kind war. Doch halt, erst spielten sie noch Blindekuh. Und ich glaube ebensowenig, daß Topper wirklich blind war, als ich glaube, er hätte Augen in seinen Stiefeln gehabt. Ich vermute, es war zwischen ihm und Scrooges Neffen abgekartet und der Geist der heurigen Weihnacht wußte es. Die Art, wie er die dicke Schwester in dem Spitzenkragen verfolgte, war eine Beleidigung der menschlichen Leichtgläubigkeit. Wo sie ging, ging er auch, die Feuereisen umstoßend, über Stühle stolpernd, an das Piano anrennend, sich in den Gardinen verwirrend.
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