er könne puddeln so gut wie ein Anderer!….
Der Rottenführer erstattete trotzdem seinen Bericht und der junge Mann wurde sofort zum Oberingenieur des Werkes berufen.
Dieser musterte seine Papiere auf’s Neue, zuckte die Achseln und fragte mit dem Tone eines Untersuchungsrichters:
»Sind Sie in Brooklyn Puddler gewesen?«
Schwarz senkte verwirrt die Augen nieder.
»Ich sehe wohl, daß ich Ihnen die Wahrheit sagen muß, antwortete er. Ich war nur beim Hochofen angestellt und wollte das Puddeln versuchen, weil das einen höheren Lohn abwirft.
– Da ist doch der Eine wie der Andere! erwiderte achselzuckend der Ingenieur. Sie wollen mit fünfundzwanzig Jahren leisten, was ein Dreißigjähriger nur ausnahmsweise auszuführen im Stande ist!…. Sind Sie wenigstens ein guter Gießer?
– Ich war zwei Jahre lang in der ersten Classe.
– Dann thäten Sie besser, in dieser Stellung zu bleiben! Hier werden Sie erst in der dritten Classe wieder anfangen können und dürfen noch von Glück sagen, daß ich Ihnen den Uebertritt in einen anderen Sector erleichtere.«
Der Ingenieur schrieb einige Worte auf einen Passirschein, sendete eine Depesche ab und sagte:
»Geben Sie Ihre Marke zurück, verlassen Sie diese Abtheilung und verfügen Sie sich geraden Weges nach dem Bureau des Oberingenieurs im Sector O. Jener ist von der Sachlage unterrichtet.«
Dieselben Förmlichkeiten, welche Schwartz an dem Thore des Sectors K aufgehalten hatten, empfingen ihn auch am Sector O. Ganz wie am Morgen wurde er hier ausgefragt, aufgenommen und an den Abtheilungs-Werkmeister gewiesen, der ihn in den Gießersaal einführte. Hier vollzog sich die Arbeit schweigsamer, womöglich aber noch methodischer.
»Hier sehen Sie nur die kleinere Abtheilung für den Guß der Zweiundvierzig-Pfünder, sagte der Werkmeister. In den Gießhäusern für Herstellung der großen Kaliber sind nur die Arbeiter erster Classe beschäftigt.«
Diese »kleine« Abtheilung hatte immerhin eine Länge von hundertfünfzig Meter bei fünfundsechzig Meter Breite. Sie diente nach Schwartz’ Schätzung zur Erhitzung von mindestens sechshundert Schmelztiegeln, welche, je nach ihrer Größe, zu vier, acht oder zwölf in den Oefen an der Seite Platz fanden.
Die zur Aufnahme des geschmolzenen Stahles bestimmten Gießformen standen in der vertieften Längenachse der Gallerie in einer Reihe hintereinander. An jeder Seite dieses Mittelgrabens erhob sich, auf einem Schienenstrang verschiebbar, ein mächtiger Krahn, dessen Construction jede mögliche Bewegung gestattete, so daß die gewaltigsten Gewichte an beliebiger Stelle durch denselben gehoben und versetzt werden konnten. Ebenso wie in den Puddelhäusern berührte auch hier je eine Eisenbahn das eine Ende der Gallerie, wo dieser die Gußstahlblöcke zugeführt wurden, während eine andere vom entgegengesetzten Ende die aus den Formen hervorgegangenen Kanonen hinwegschaffte.
Neben jeder Gußform stand ein Aufseher mit einer Eisenstange, der die Temperatur des flüssigen Stahles in den Schmelztiegeln zu überwachen hatte.
Das ganze Verfahren, wie es Schwartz schon auch von anderen Orten her kannte, war hier zu höchster Vollkommenheit entwickelt.
Sollte zu einem Gusse verschritten werden, so benachrichtigte ein Glockensignal alle Betheiligten. Mit gleichmäßigen, strengbemessenen Schritten begaben sich die Arbeiter je zwei und zwei von gleicher Größe, eine Eisenstange wagrecht auf den Schultern tragend, nach dem Ofen.
Ein Rottenführer mit einer Schrillpfeife und die Sekundenuhr in der Hand, stand in der Nähe der Gießform, welche möglichst in gleicher Entfernung von allen zu ihrer Füllung nöthigen Oefen angebracht war. Von jeder Seite derselben liefen Rinnen aus feuerbeständigem Lehm und mit Eisenblech überdeckt, in sanfter Neigung bis zu einer, direct über der Gußform befindlichen, trichterförmigen Vertiefung. Der Rottenführer pfiff. Sofort ward ein Schmelztiegel mittelst einer Zange aus dem Feuer gehoben und an die Eisenstange des dem Ofen zunächst stehenden Trägerpaares gehangen. Wieder ertönte die Pfeife in verschiedener Weise und die beiden Männer entleerten den Inhalt ihres Tiegels in die entsprechende Rinne.
Dann warfen sie das noch hellglühende Gefäß in eine große Kufe.
Ohne Unterbrechung und in genau eingehaltenen Zeiträumen, um die völlige Gleichmäßigkeit des Gußstückes zu sichern, verfuhren alle Nachfolgenden in ganz derselben Weise.
Die hierbei beobachtete Präcision war eine so außerordentliche, daß der letzte Schmelztiegel genau auf das Zehntel der vorher berechneten Sekunde ausgeleert und in die Kufe geworfen war.
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