Groat ein neues Testament gemacht habe. Was wissen Sie davon? Sie hat doch ihr erstes Testament hier bei mir unterzeichnet. Und in diesem zweiten Testament soll sie ihren Sohn enterbt haben? Merkwürdig ... Ich ahnte immer, daß zwischen den beiden keine große Zuneigung besteht. Wem hat sie denn jetzt ihr Vermögen vermacht?«
»Dem Marqués von Estremeda.«
»Der Name ist mir bekannt. Ein reicher spanischer Grande, der einige Jahre bei der spanischen Gesandtschaft in London Attaché war. Vielleicht hat er bei den Dantons verkehrt. Meiner Meinung nach hat sie jedoch keine Veranlassung, ihr Vermögen einem Manne zu vermachen, dem fast eine halbe Provinz gehört und der drei oder vier große Schlösser in Spanien besitzt. Die Sache kommt mir nun wirklich auch seltsam vor.«
Jim erzählte auch von den Pralinen.
»Ich lasse die Schokolade von einem Chemiker untersuchen.«
»Erwarten Sie etwa, daß sie vergiftet ist?« Mr. Salter lächelte. »Wir leben nicht mehr in den Tagen Cesare Borgias. Wenn Digby auch einen gemeinen Charakter hat, ich glaube nicht, daß er ein Mörder ist.«
»Trotzdem will ich nichts dem Zufall überlassen. Meiner Ansicht nach ist mit diesen unschuldig aussehenden Pralinen etwas nicht in Ordnung. Und der mögliche Zusammenhang mit der blauen Hand, etwa als Warnung, ist doch recht auffallend.«
»Ach, das ist doch Unsinn!« fuhr der Rechtsanwalt auf. »Gehen Sie jetzt, ich habe schon wieder viel zuviel Zeit mit dieser niederträchtigen Angelegenheit versäumt!«
Als erstes suchte Jim ein chemisches Laboratorium in der Wigmore Street auf und brachte sein Anliegen vor.
»Was könnte mit der Schokolade geschehen sein?« Der Chemiker wog zwei Pralinen in der flachen Hand.
»Ich weiß es nicht, aber ich würde mich nicht wundern, wenn Sie etwas darin fänden.«
»Kommen Sie heute nachmittag zwischen drei und vier Uhr wieder vorbei, dann kann ich Ihnen den Befund geben.«
Als Jim am Nachmittag wieder erschien, sah er drei Reagenzgläser in einem Ständer auf dem Labortisch.
»Nehmen Sie Platz«, begann der Chemiker. »Die Analyse war sehr schwierig, aber wie Sie richtig vermuteten, fanden sich Beimengen in der Schokolade, die nicht hineingehören.«
»Doch nicht Gift?« fragte Jim erschrocken.
»Ja - nur vom rein chemischen Standpunkt aus. Wenn Sie so wollen, ist fast in jeder Sache Gift enthalten. Aber Sie können tausend dieser Pralinen essen, ohne daran zu sterben. Ich fand Spuren von Hyacin und einer anderen Droge, die aus indischem Hanf destilliert wird.«
»Sie meinen Haschisch?«
»Ja, wenn es geraucht wird, nennt man es Haschisch. Als Extrakt aus der Pflanze gezogen, haben wir dafür einen anderen Namen. Wenn die Droge in großen Mengen genossen wird, verursacht sie Bewußtlosigkeit und schließlich den Tod. In diesen Pralinen jedoch ist kein genügend großes Quantum enthalten, um solche Folgen zu zeitigen.«
»Welche Wirkungen haben aber kleinere Mengen?«
»Neuere Versuche haben gezeigt, daß durch dauernden Genuß kleiner Mengen Energie und Willenskraft zerstört werden. Um es genauer zu sagen - es werden gewisse Hemmungen beseitigt. Sie wissen wahrscheinlich, daß in England vor der Hinrichtung nervöser und erregbarer Menschen kleine Quantitäten dieser Droge ins Essen gemischt werden, was den Willen der Verurteilten so weit schwächt, daß ihnen selbst die Aussicht auf den nahen Tod keinen großen Eindruck mehr macht.«
Jim wurde blaß, als er den gemeinen Plan erkannte.
»Welchen Einfluß würde diese Droge auf ein energisches junges Mädchen haben, das, sagen wir einmal, von einem Mann, den es nicht leiden kann, mit Liebesanträgen verfolgt wird?«
»Vermutlich wird sich die Abneigung in Apathie verwandeln. Der Widerstand wird nicht sofort, aber allmählich verschwinden. Die Droge kann auch einen starken Charakter mit der Zeit schwächen.«
»Ich verstehe«, sagte Jim ruhig. »Sagen Sie mir bitte, ob es möglich ist, eine Person, die einem jungen Mädchen solche Süßigkeiten schenkt, vor Gericht zu stellen und zur Verurteilung zu bringen?«
»Das glaube ich nicht. Wie ich schon sagte, sind die Mengen verschwindend klein, ich habe mit meiner Untersuchungsmethode nur Spuren davon gefunden. Ich vermute aber, daß bei Wiederholungen dieses Geschenkes die Beimengungen von Woche zu Woche gesteigert würden. Wenn Sie mir nach drei Wochen wieder Pralinen oder etwas anderes Verdächtiges bringen, kann ich Ihnen vielleicht schon genauere mengenmäßige Angaben machen.«
»Enthielten alle Pralinen gleich viel von dem Stoff?« »Ja, die Beimengung muß sehr geschickt ausgeführt worden sein.
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