Na ja, gewiß doch! Steh du man immer recht vorm Spiegel und vertrödle recht viel Zeit! Da werd't ihr ja euern lieben Vater sicher noch finden! Der wird heute grade noch auf 'm Kontor sitzen!
ALBERT. Ach Jott! Nu tu doch man nicht wieder so! Vor sechs kann er ja doch heute sowieso nich aus 'm Geschäft!
FRAU SELICKE. So! Na! Und wie spät denkste denn, daß es jetz' is? Hat während des Streichens der Stulle einen Augenblick innegehalten, den Schirm von der Lampe gerückt und nach dem Regulator gesehen. Jetz' is gleich drei Viertel!
ALBERT. Ach, Unsinn? Die jeht ja vor!
FRAU SELICKE für sich, fast weinend. Hach nee! Ich sag schon! Sicher is er nu wieder weg, und vor morgen früh wer'n wir 'n ja dann natürlich nich wieder zu sehn kriegen! Nein, so ein Mann! So ein Mann! ...
ALBERT noch immer in der Kammer und vorm Spiegel. Hurrjott, Mutter! Räsonier doch nicht immer so! Du weißt ja noch gar nich!
FRAU SELICKE. Ach was! Laß mich zufrieden! Beruf mich nich immer! Ich weiß schon, was ich weiß! Unwirsch zu Walter. Da – haste! Klapp se dir zusammen und dann macht, daß ihr endlich fortkommt! Aus euch wird auch nischt! Es klingelt. Einen Augenblick lang horchen beide. Frau Selicke ist zusammengefahren, Walter starrt, die Stulle in der Hand, mit offenem Munde über die Lampe weg nach der Tür, die ins Entree führt.
FRAU SELICKE endlich. Na? Machste nu auf, oder nich?
Walter hat die Stulle liegenlassen und läuft auf die Tür zu. Er klinkt diese auf und verschwindet im Entree.
ALBERT der eben aus der Kammer getreten ist, in der er das Licht ausgelöscht hat, zieht sich noch gerade seinen Überzieher an. Aus der Brusttasche stecken Glacés, zwiscben den Zähnen hält er eine brennende Zigarette, an einem breiten, schwarzen Bande baumelt ihm ein Kneifer herab. Modern gescheitelt. Hut und Stöckchen hat er einstweilen auf den Stuhl neben dem Sofa plaziert. Zu Frau Selicke, indem er mit dem Fuße die Tür hinter sich zudrückt. Nanu? Das kann doch unmöglich schon der Vater sein?
FRAU SELICKE die sich wieder mit dem Kaffeegeschirr zu tun macht, unruhig. Ach wo!
Unterdessen ist draußen die Flurtür aufgegangen, und man hört die Stimme des alten Kopelke: »Brrr ... is det heit 'n Schweinewetter?!« – Die Tür klappt wieder zu, und jetzt schreit Walter laut auf, ausgelassen: »Ach! Olle Kopelke! Olle Kopelke!« – »Nich doch, Kind, nich doch; du tust mir ja weh! Du drickst mir ja! Du mußt doch abber ooch heern! Da – nimm mir mal lieber hier 'n bißken det Menneken ab! ... Brrr ... nee ... äh!«
ALBERT zu Frau Selicke, sich die Handschuhe zuknöpfend. Ach, der alte Quacksalber?!
FRAU SELICKE. Na, du Großmaul, wirst doch nich immer gleich das Geld geb'n für 'n Dokter!
ALBERT aufgebracht. Ach, Blech! Nich wahr? Nu fang wieder davon an! ...
WALTER noch halb im Entree. Au, Mamchen, sieh mal! 'n Hampelmann! Mamchen, 'n Hampelmann! Er kommt mit ihm ins Zimmer getanzt. Zum alten Kopelke zurück. Wah? Den schenken Se mir?
KOPELKE behutsam hinter ihm drein. Klein, kugelrund, freundlich.
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