Sie sah die Amme bei einer Garküche stehen, einer offenen Bude, und auf sie warten. Die Leiber schöner kleiner rosiggoldener Fische lagen da, in denen die Hände eines Negers wühlten. An einem Balken hing ein enthäutetes Lamm mit dem Kopf nach abwärts und sah sie mit sanften Augen an. Ein Arm zog sie an sich, es war die Amme, die gesehen hatte, daß sie sich verfärbte und für kurz die Augen schloß, und die sie aus dem Gedränge in eine kleine Seitengasse riß. Hier gingen wenige Menschen vorbei, sie waren mit Ballen Tuches beladen, an den Häusern hingen hie und da große Streifen gefärbten Zeuges von Trockenstangen herab. Halbwüchsige Kinder schleppten Tröge und dunkelfarbiges Zeug zum Schwemmen. Die Alte war stehengeblieben vor einem niedrigen Haus unter den Häusern der Färber und horchte auf die Stimmen von Streitenden, die aus dem Innern klangen. Mehrere Männerstimmen ließen sich aufgebracht vernehmen, die Stimme einer noch jungen Frau erwiderte ihnen böse und herrisch; dann mischte sich eine andere Männerstimme ein von tiefem, gelassenem Klang, die anscheinend zum Frieden redete. Aber die Stimme der jungen Frau erhob sich böser und herrischer als zuvor. »Die Stimme gefällt mir«, sagte die Amme und winkte der Kaiserin, sich dicht an die Mauer zu stellen. – Der Zank drinnen wurde heftiger, endlich sagte die tiefe Stimme, die am wenigsten gesprochen hatte, etwas Befehlendes sehr nachdrücklich, wenn auch mit völliger Gelassenheit. Darauf näherten sich die anderen Männerstimmen, die unzufrieden und mißtönend waren, der Haustür. Die Amme tat, als ginge sie weiter, aber so langsam, als wäre sie sehr alt und krank und vermöchte mit jedem Schritt nur ein geringes zurückzulegen. Die Kaiserin schlich neben ihr hin; aus dem Haus traten drei Männer, ein einäugiger, ein einarmiger und ein dritter viel jüngerer, der verwachsen war und aus gelähmter Hüfte hinkte. »Wahrlich, meine Brüder«, sagte der Einäugige, der der Älteste schien, »der Büttel, der mir vor zweiundzwanzig Jahren mein Auge ausstieß, hat an mir nicht getan wie unseres Bruders Frau an unserem Bruder tut.« »Wahrlich nein«, sagte der Einarmige, indem sie die Gasse hingingen, »und die verfluchte Ölmühle, die mir vor fünfzehn Jahren meinen Arm ausriß, hat an mir nicht getan wie sie an ihm tut.« »Und das Kamel, das mir vor neun Jahren meinen Rücken krumm trat, nicht an mir!« setzte der Jüngste hinzu. »Wahrlich, dieses Weib, unsere Schwägerin«, sagte der Älteste wieder, »ist durch ihren Hochmut und ihre Bosheit ein pestgleiches Übel und darum bleibt sie unfruchtbar, obwohl sie jung und schön ist und obwohl unser Bruder ein Mann unter den Männern ist.« »Das ist unser Haus«, sagte die Amme und wandte sich im Rücken der drei Männer wieder dem Färberhaus zu. Sie trat schnell ins Haus, glitt durch den Flur und in einen niedrigen Schuppen, der vor Alter dem Zusammenstürzen nahe war, und zog die Kaiserin hinter sich. »Wir müssen warten, bis der Mann aus dem Hause ist«, flüsterte sie ihr zu, und zeigte auf einen Spalt in der Nebenwand, an den sie ihr Auge legte. Sie wies der Kaiserin einen andern Spalt, und beide blickten sie in das einzige Gemach des Hauses. Die Kaiserin sah eine junge Frau, sehr ärmlich gekleidet, mit einem hübschen aber unzufriedenen Gesicht auf der Erde sitzen und festgeschlossenen Mundes ins Leere schauen, und sie sah einen großen, stämmigen Mann von etwa vierzig Jahren, welcher mit seinen dunkelblauen Händen einen ungeheueren Ballen von scharlachrotem Schabrackentuch aufschichtete und mit Stricken umwand, um ihn seinem Rücken aufzuladen, der stark war wie der eines Kameles: das war Barak, der Färber. Unter der Arbeit kehrte er der Wand sein großes Gesicht zu, worin die Stirn niedrig, die Ohren wegstehend und der Mund wie ein Spalt war. Er erschien der Kaiserin abschreckend häßlich, und die junge Frau dünkte sie böse und gemein. Man konnte wahrnehmen, daß der Färber gerne zu seiner Frau gesprochen hätte; als er das Bündel geschnürt hatte, trat er ungeschickt mit seinen gewaltigen Füßen hin und her, tat, als höbe er etwas auf, das nicht weit von ihr auf dem Boden lag, beschmutzte seine Hände in einer Pfütze abgeronnenen Farbwassers, murmelte etwas und sah seine Frau von der Seite an; aber ihr Blick ging beharrlich an ihm vorüber ins Leere, als wäre er nicht da. Endlich seufzte er, schwang mit einem Hub die schwere Last auf seinen Rücken und ging gebeugt wie ein Lasttier, aber mit festen, gleichmäßigen Schritten, zur Tür hinaus. Als sich die Frau allein fand, stand sie sogleich auf. Sie ging träge durchs Zimmer und stieß mit schleppendem Fuß einen alten Steinmörser um, der auf der Erde stand, und das Gestoßene ergoß sich auf den fleckigen Boden. Sie bückte sich halb, es aufzusammeln, aber mit einem verächtlichen Zucken ihrer Lippen ließ sie es sein. Sie ging auf ihr und des Färbers niedriges Lager zu, das in der hintersten Ecke an der Ziegelmauer aus ein paar alten Kissen und Decken zugerichtet war, und brachte es in Ordnung, indem sie, was schief war, mit dem Fuß gerade stieß. Dann ging sie wieder weg und warf aus der Mitte des Zimmers einen bösen Blick auf das Bett. Gähnend machte sie sich daran, aus einem Mauerloch einen dürftigen Vorrat gelbgrünlicher Olivenzweige hervorzusuchen; sie warf das Holz vor der Feuerstelle, die nichts war als ein rauchgeschwärztes Loch in der Mauer, zu Boden und richtete sich wie einer, der einer langen Arbeit satt ist, langsam auf.
1 comment