Sie neckte sich mit ihrem Gemahl. Das befremdete den Sultan. Denn sie waren seit mehr als acht Tagen verheiratet. Sie hatten sich in einer Loge in der Oper gezeigt, sie waren in einem Wagen zum kleinen Korso, ins Bois de Boulogne und den Prater gefahren, sie hatten gemeinschaftliche Visiten beendet, und nunmehr erlaubte ihnen das Herkommen, sich nicht mehr zu lieben, ja nicht einmal zu begegnen. »Ist das Kleinod«, dachte Mangogul bei sich, »ebenso toll als seine Gebieterin, so werden wir ein erfreuliches Selbstgespräch vernehmen.« Indem erschien die Favorite. »Willkommen,« raunte der Sultan ihr zu, »ich habe unterdessen mein Netz ausgeworfen.« »Nach wem?« fragte Mirzoza. »Nach den Leuten, die Sie dort am Fenster mitsammen albern sehn,« antwortete ihr Mangogul mit zwinkernden Augen. »Ein schöner Anfang,« versetzte die Favorite.
Alcine, so hieß die junge Dame, war lebhaft und reizend. Wenige Frauenzimmer des großherrlichen Hofes waren liebenswürdiger, keine hatte mehr Liebhaber. Ein Emir des Sultans hatte sie sich in den Kopf gesetzt. Was die Lästerzungen von Alcinen verbreiteten, blieb ihm nicht verborgen; es machte ihn stutzig, aber er beobachtete das Herkommen: er fragte seine Geliebte, was er davon denken sollte? Alcine schwur ihm, diese Verleumdungen wären die Rache einiger Gecken, die stumm geblieben wären, wenn sie Gründe gehabt hätten zu reden; übrigens sei ja keiner von beiden gebunden, und sie überlasse es ihm, davon zu glauben, was ihm gut dünke. Der feste Ton dieser Antwort überzeugte den verliebten Emir von der Unschuld seiner Geliebten. Er schloß den Handel, und erhielt den Namen Gemahl mit allen seinen Vorrechten.
Der Sultan drehte seinen Ring gegen sie. Ein Ausbruch lauten Gelächters, dessen sich Alcine, bei einigen abgeschmackten Reden ihres Gemahls, nicht hatte erwehren können, ward durch die Wunderkraft des Ringes plötzlich gehemmt, und unter ihren Röcken hervor vernahm man alsbald ein Gemurmel: »Endlich hab ich doch einen Titel. Das ist mir herrlich lieb. Rang geht eben über alles. Wer meinem ersten Rat gefolgt wäre, hätte etwas Besseres für mich gefunden, als einen Emir: aber ein Emir ist immerhin besser als nichts.« – Bei dieser Stelle verließen alle Damen das Spiel, um zu suchen, woher die Stimme käme. Dieser Aufstand verursachte viel Geräusch. »Stille,« sprach Mangogul, »dies verdient Aufmerksamkeit.« Man ward still, und das Kleinod fuhr fort: »Ein Gemahl muß ein ansehnlicher Gast sein, weil sein Empfang soviel Vorkehrungen nötig macht. Was für Sorgfalt! Welch eine Sündflut von Myrtenwasser! Wenn man mich noch vierzehn Tage länger so hielte, so war es aus mit mir, so verschwand ich aus der Reihe der Wesen, und der Herr Emir konnten sich anderswo einquartieren, oder Zaubermittel aufsuchen, um mir meine natürliche Gestalt wiederzugeben.« – Hier, versichert mein Gewährsmann, erblaßten alle Damen, sahen sich sprachlos an, machten ernste Gesichter, die man der Furcht zuschrieb, daß das Gespräch möchte allgemein werden, und nicht bei einer allein bleiben. – »Mir scheint freilich,« fuhr Alcinens Kleinod fort, »man brauchte für den Sultan nicht soviel Umstände zu machen; aber ich erkenne die Klugheit meiner Herrin an. Sie sorgte für den schlimmsten Fall, und ich ward für den Herrn eingerichtet, als wär es für seinen kleinen Jockey.«
Das Kleinod wollte in seinen ungewöhnlichen Enthüllungen fortfahren, als der Sultan, der das Ärgernis bemerkte, welches die züchtige Mamimonbanda an diesem seltsamen Auftritt nahm, den Ring zurückzog, und den Redner unterbrach. Der Emir war bei den ersten Worten des Kleinods seiner Frau verschwunden. Alcine verlor die Fassung nicht und stellte sich eine Zeitlang ohnmächtig. Unterdessen flüsterten die Damen einander zu, sie habe Nervenkrämpfe. »Jawohl, Nervenkrämpfe,« sagte ein Stutzer, »die Ärzte nennen dergleichen hysterische Zufälle, das heißt Sachen, die aus der untern Region kommen. Es gibt dagegen ein sehr bewährtes Mittel. Etwas Kraftbewegendes, Kraftannehmendes, Kraftmitteilendes und Kraftbelebendes – ich werd’ es den Damen vorlegen.« Man lächelte über diese Spötterei, und unser Zyniker fuhr fort: »Das ist sehr wahr, meine Damen. Ihr untertäniger Diener hat sich dieses Mittels bedient, eine Abnahme seiner Substanz zu hintertreiben.« »Herr Graf!« sagte ein junges Frauenzimmer, »was meinen Sie damit?« – »O Gnädigste,« antwortete der Graf, »das ist ein Umstand, dem jedermann ausgesetzt ist. Mein Gott, so etwas widerfährt uns allen!«
Die verstellte Ohnmacht nahm ein Ende.
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