Wie viel Stimmen untereinander! »Ich bin sehr besucht,« »ich gehe zugrunde,« »ich bin verlassen,« »ich bin müde,« »ich bin mit Weihrauch versehen,« »ich bin schlecht bedient,« »ich bin gelangweilt« usw. Alle sprachen, aber so jäh, daß man ihnen nicht folgen konnte. Ihre Sprache, bald dumpf, bald kreischend; und von dem Gelächter Mangoguls und seiner Hofleute begleitet, verursachte ein ganz eigenartiges Geräusch. Die Damen sahen sehr ernsthaft drein, behaupteten aber, es wäre ungemein spaßhaft. »Allerdings,« sagte der Sultan, »es ist außerordentlich verbindlich von den Kleinoden, daß sie unsere Sprache reden und einen Teil der Kosten der Unterhaltung tragen wollen. Die Gesellschaft wird auf diese Weise verdoppelt und gewinnt unendlich dabei. Vielleicht reden wir Männer, bald auch nicht mehr bloß mit dem Munde. Wer weiß? Der Wardein dieser Kleinode ward vielleicht bestimmt, sie auszufragen und ihnen zu antworten. Mein Hofanatom ist freilich andrer Meinung.«
Es ward aufgetragen, man speiste, man scherzte auf Monimens Kosten; alle Damen sagten ihr auf den Kopf zu, ihr Kleinod habe zuerst geredet. Sie würde diesem Bündnisse erlegen gewesen sein, wenn der Sultan nicht ihre Verteidigung übernommen hätte: »Monime hat vielleicht ebenso viele Liebhaber als Zelmaide,« sprach er, »nur halt’ ich ihr Kleinod für verschwiegener. Überdem, wenn sich Mund und Kleinod eines Frauenzimmers widersprechen, wem soll man glauben?« »Gnädigster Herr,« antwortete ein Höfling, »ich weiß nicht, was die Kleinode in der Folge sagen werden; bis jetzt aber haben sie nur ein Kapitel berührt, das Ihnen sehr geläufig ist. Solange sie die Klugheit beobachten, um von dem zu reden, was sie verstehn, glaub ich ihnen wie Orakelsprüchen.« »Es gibt zuverlässigere Orakel,« sagte Mirzoza. »Madam,« versetzte der Sultan, »was könnte diese bewegen, eine Unwahrheit zu sagen? Nur ein Wahn von Ehre vermöchte sie dahin zu bringen, aber solch einen Wahn hat ein Kleinod nicht. Das ist nicht der Ort, wo Vorurteile gedeihen.« »Ein Wahn von Ehre!« rief Mirzoza. »Vorurteile! Wäre Ihre Hoheit den nämlichen Unzuträglichkeiten ausgesetzt wie wir, Sie würden fühlen, daß unser guter Name kein leerer Wahn ist.« Diese Antwort der Sultanin machte alle Damen dreist; sie behaupteten, es sei überflüssig, sie auf eine gewisse Probe zu stellen. Mangogul gestand, diese Probe sei wenigstens immer sehr gefährlich.
Unter solchen Gesprächen kam der Champagner, man trank, man fühlte ihn, die Kleinode wurden warm. Diesen Augenblick hatte Mangogul ausersehn, mit seiner Tücke wieder anzufangen. Er drehte seinen Ring gegen eine junge fröhliche Dame, die ihm zur Seite und ihrem Gemahl gegenübersaß. Da erhob sich unter dem Tisch eine klagende Stimme, schwache, weinerliche Töne: »Ach! ich bin am letzten! ich kann nicht mehr! Ich sterbe!« »Bei der Pagode Pongo Sabiam!« rief Husseim, »da spricht das Kleinod meiner Frau! Was kann es zu sagen haben …?« »Das werden wir gleich hören,« antwortete der Sultan. »Erlauben Sie mir, gnädigster Herr,« versetzte Husseim, »seiner Rede aus dem Wege zu gehn. Denn wenn ihm irgendwelche Dummheiten entschlüpften, was sollte Eure Hoheit davon denken …« »Ich denke, Sie sind verrückt,« erwiderte der Sultan, »wenn Sie sich über das Geschwätz eines Kleinodes beunruhigen. Was es sagen wird, wissen wir bereits zum größten Teil, und das Weitere erraten wir. Bleiben Sie sitzen und suchen Sie sich zu unterhalten.«
Husseim setzte sich wieder, und das Kleinod seiner Frau plauderte wie eine Elster; »Soll ich den vierschrötigen Valento ewig behalten?« sprach es. »Andre Männer hören doch einmal auf, aber der …« Bei diesen Worten geriet Husseim in Wut, ergriff ein Vorlegemesser, stürzte herüber auf die andere Seite der Tafel und hätte seine Frau durchbohrt, aber die Nachbarn hielten ihn zurück. »Husseim,« sagte der Sultan, »wenn Sie toben, versteht man kein Wort. Ist denn das Kleinod Ihrer Frau allein nicht gescheut? Was würde aus diesen Damen werden, wenn ihre Männer so dächten wie Sie! Sie geraten um ein elendes bißchen Abenteuer in Verzweiflung? Weil Valento nicht wieder aufhört. Bleiben Sie ruhig an Ihrem Platze, finden Sie sich in Ihr Schicksal, wie ein kluger Mann. Mäßigen Sie sich und bedenken Sie, was Sie einem Fürsten schuldig sind, der Sie teil an seinen Vergnügungen nehmen läßt.« Husseim unterdrückte seine Wut, stützte sich auf eine Stuhllehne, verschloß die Augen und verdeckte das Gesicht mit der Hand. Der Sultan drehte unmerklich seinen Ring, das Kleinod fuhr fort: Valentos junger Bursche würde mir besser gefallen, aber wer weiß, wann er anfangen wird? Bis dieser beginnt und jener zu Ende kommt, ergeb’ ich mich in Geduld dem Brahminen Egon. Er ist häßlich, das ist wahr; aber weiß doch aufzuhören und wieder anzufangen.
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